Disruption und disruptive Technologien
Wenn es um Startups und die Digitale Wirtschaft geht, kommt meist der Begriff „Disruption“ ins Spiel. Was hat es damit auf sich? Wofür steht die „Disruptive Technology“? In welchen Bereichen gab es bereits starke Veränderungen? Und wo fängt die Transformation erst an?
Definition Disruption
Laut dem Duden gibt es folgende Synonyme für Disruption: Spaltung, Zerrissenheit, Zerbrechung oder Zerrüttung. Der Begriff beschreibt also radikale Veränderungen, die zu einem Wandel oder Umbruch führen.
Wenn es um Innovationen geht, die Märkte komplett umkrempeln können, spricht man somit von disruptiven Technologien. Im Bezug auf Startups, der Digitalisierung oder der ITK bzw. Internetwirtschaft bedeutet das, dass ein neues Konzept bzw. Produkt bestehende Strukturen aufbricht und durch innovative Ansätze verändert. Meist geht es um den Gewinn an Effizienz und Geschwindigkeit.
Weil sie bestehenden Produkten anfangs unterlegen sind, starten disruptive Technologien meist in einer Nische. Durch ständige Verbesserungen werden etablierte Produkte aus dem Markt verdrängt. Man spricht deswegen auch von einer technischen Revolution. Der bekannte Ökonom Joseph Schumpeter bezeichnete das Mitte letztes Jahrhunderts als „schöpferischer Zerstörung“.
Laut der FAZ war Disruption bei Geschäftsleuten das Wort des Jahres 2015, da es häufig erwähnt wurde. Damit avancierte es zum Buzzword.
Ein viel zitierter Satz ist der von Axel-Springer-Manager Christoph Keese: „Die richtige Disruption kommt erst noch“. Diese Aussage steht in Verbindung mit seinem Buch „Silicon Valley“.
Übersicht: Disruptive Konzepte, Firmen und Bereiche
Das Silicon Valley wird oft mit dem Begriff Disruption verknüpft. Aus dem Tal nahe San Francisco stammen sehr viele Startups, die zu weltbekannt und großen Unternehmen wuchsen. Apple, Google oder Facebook schafften es, mit ihren disruptiven Technologien neue Geschäftszweige zu etablieren, die keiner mehr missen möchte.
Aber auch außerhalb des Silicon Valley konnten Startups und Unternehmen mit ihren disruptiven Ideen punkten. Hier ein paar Beispiele für bekannte Firmen und Konzepte:
Apple
Im Laufe seiner Firmengeschichte brachte Apple schon einige innovative Produkte auf den Markt. Zu den größten Meilensteinen gehören der iPod und das iPhone. Beide Geräte waren grundsätzlich gesehen nichts Neues: Schon vor dem iPod gab es MP3-Player, und das iPhone war nicht das erste Smartphone der Welt.
Doch Apple gelang es durch neue Ansätze bestehende Märkte radikal zu verändern und zu seinem Vorteil zu nutzen. Mit dem iPod erschien die Musik-Download-Plattform iTunes. Hierüber kann man schnell und einfach Songs kaufen und auf seinen iPod laden.
Und mit dem iPhone kamen Apps, die ebenfalls über eine eigene Online-Plattform, dem Apple App Store, vertrieben werden. Zudem dachte man das Handy-Konzept weiter, indem man die Tastatur strich und dafür einen Touch-Screen etablierte.
Amazon
Was einst als Online-Buchhandel startetet, ist mittlerweile ein Milliarden-schweres Unternehmen geworden, das weit mehr als gedruckte Buchstaben im Angebot hat. Über Amazon kann man von Kugelschreibern und Musik-CDs über Kleidungsstücken und Computern bis hin zu Nahrung und Badewannen eine stetig wachsende Auswahl an Produkten bestellen.
Nicht nur bei der Vielfalt, auch bei der Art und Schnelligkeit der Auslieferung kann Amazon punkten. Same Delivery in Großstädten soll etabliert werden, sogar der Versand via Drohnen wird erprobt.
Neben den haptischen Produkten hat Amazon auch ein größer werdendes Digitalangebot in petto: Apps, Software-Downloads, Musikstreaming, Video-on-Demand und mehr gehören zum Portfolio.
Airbnb und Uber
Wer verreist, buchte sich in der Vergangenheit ein Hotel. Mittlerweile setzt sich das Konzept von Airbnb durch: Privatpersonen vermieten über die Plattform ihre Schlafmöglichkeiten an andere Menschen.
Uber besitzt einen ähnlichen Ansatz: Anstatt ein Taxi zu benutzen, steigt man bei dem Fahrdienstvermittler in die Autos von Privatpersonen. Die Abwicklung erfolgt übers Smartphone.
Neue Player in der Musik-Industrie
Die Musikindustrie durchlebt schon seit vielen Jahren einen Wandel durch Disruption. Früher wurde Musik auf Tonträgern (Kassetten, Schallplatten oder CDs) gebracht, vervielfältigt und dann im Einzelhandel verkauft.
Mit dem Wachstum des Internets kam die erste Konkurrenz auf: Legale und illegale Web-Portale wie Napster, iTunes oder Musicload bieten MP3s zum Herunterladen an. Hierdurch werden etablierte Zwischenschritte (Vertrieb und Handel) übersprungen, der Konsument kommt direkt und schnell an die Songs.
Mittlerweile läuft das Streaming dem Download den Rang ab. Das heißt, über Anbieter wie Deezer oder Spotify kauft der User keine Musikstücke mehr, sondern mietet (z.B. über ein Abo) und streamt sie übers Internet auf sein Endgerät. Persönliche und öffentliche Playlists stehen damit in Konkurrenz zum Radio.
Disruption in der Film-Industrie
Analog zur Musikbranche gab es auch im Film-Business eine digitale Transformation. Videokassetten, DVDs und Blu-Rays waren evolutionäre Schritte, der Vertrieb übers Internet gleicht aber einer Revolution.
Youtube, Netflix, Maxdome, Amazon Video oder iTunes bieten ein nahezu unbegrenztes und günstiges Video-Erlebnis. Je nach Anbieter stehen die Filme und Serien entweder als Stream oder als Download zur Verfügung.
Computer- und Videospiele
In der Gaming-Industrie gab es in den letzten Jahren mehrere Wege der Disruption. Einerseits werden immer weniger Spiele auf CDs oder DVDs im Handel angeboten, weil Download-Plattformen wie Steam, Xbox Live oder Playstation Network den weltweiten Zugriff auf ein stets wachsendes Portfolio erlauben.
Zudem veränderte sich die Monetarisierung: Zusätzlich zu den Games zum Vollpreis von 40 bis 60 Euro werden zu kleineren Preisen sogenannte DLC (Downloadable Content), also Erweiterungen zum Herunterladen, angeboten.
Zudem sind viele Titel, beispielsweise Browsergames und Social Games, nur noch im Internet spielbar – und das im Grunde kostenlos. Dieses Prinzip nennt sich Free-to-Play (F2P) oder Freemium. Über Microtransaktionen können die Spieler aber Items und Verbesserungen erwerben, durch die sie schneller oder besser vorankommen.
Einen Boom erleben die Mobile Games. Der Markt mit Spiele-Apps für Smartphones und Tablets wächst. Auch hier kommt das Prinzip von F2P-Prinzip zum Einsatz. Zudem generieren die Anbieter Erlöse durch Werbeeinblendungen.
EBooks und Self-Publishing
Wer denkt, dass er ein guter Autor sei, benötigt heutzutage keinen Verlag mehr. Beim sogenannten Self-Publishing ist es möglich, Schreiben, Lektorat, Vertrieb und Marketing selbst in die Hand zu nehmen.
Über Plattformen wie KDP (Kindle Direct Publishing) oder Dienstleister wie XinXii können die eigenen Texte weltweit als eBooks angeboten werden.
Auch die eBook-Reader, zum Beispiel Kindle oder Tolino, sind eine disruptive Weiterentwicklung des klassischen Buchhandels. „Leseratten“ müssen nicht mehr in Buchhandlungen oder Büchereien gehen, sondern können sich hunderte oder gar tausende elektronischer Bücher als eBooks direkt auf ihre Geräte laden.
Social Networks
Noch nie war die Kommunikation unter Menschen so einfach wie heute. Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Instagram oder Youtube boomen. Hier können Inhalte kostenlos eingestellt und mit der ganzen Welt geteilt werden, durch Kommentare und Likes erhält man sofort Feedback.
Allerdings stehen die Social Networks in der Kritik, da sie gewaltige Datenmengen über ihre Nutzer erheben und diese dazu nutzen, um passende Werbeanzeigen einblenden.
Nicht nur im privaten Umfeld, auch im Business-Bereich erfreuen sich Online-Netzwerke wachsender Beliebtheit. LinkedIn, Xing, Yammer, Slack oder Facebook at Work: Die Plattformen werden genutzt, um sich geschäftlich auszutauschen und weltweit vernetzt miteinander zu arbeiten.
Messenger
Eigentlich sind Messenger keine neue Erfindung. ICQ und der AOL Messenger erlebten schon zur ersten Dotcom-Blase großen Zuspruch.
Mit der rasanten Verbreitung von Smartphones kam es durch WhatsApp, dem Facebook Messenger, WeChat und Dergleichen zu einem neuen Aufschwung.
Wenn man über Startups und Disruption spricht, darf man auf keinen Fall Google vergessen. Aus der einstigen Suchmaschine entstand ein Imperium, das heute unter der Dachmarke Alphabet firmiert. Dazu gehören unter anderem das Betriebssystem Android mit seinem Google Play Store sowie Ablegern wie Android Wear oder Android TV.
Eine der jüngsten Bestrebungen von Google ist es, weiter in den Automotive-Sektor vorzudringen. Dazu gehört einerseits Google Auto, um sich im Bereich Connected Car zu positionieren. Andererseits arbeitet der Konzern an selbstfahrenden Autos, denen ein sehr großes Potential voraus gesagt wird. Damit könnte eine Disruption im Automobilbereich ausgelöst werden.
Industrie 4.0
Dieser Begriff steht für eine Reihe von Innovationen, welche die Digitale Wirtschaft beeinflussen und voran bringen sollen. Machine-to-Machine-Kommunikation, Smart Factory, Cyber Physical Systems und Internet of Things: Die Industrie 4.0 gilt als eine der größten und wichtigsten Herausforderungen, die von der Wirtschaft gemeistert werden muss.
Paid Content, Payment und Fintech
Mit dem Einzug des Internets und der zunehmenden Vernetzung wird auch die Art und Weise, wie Produkte und Dienstleistungen bezahlt werden, ständig überdacht.
Beispielsweise suchen Verlage bis heute nach einer soliden Möglichkeit, wie sie ihre Online-Inhalte refinanzieren können. Da die Preise für Online-Werbung zu niedrig sind und Adblocker das Geschäft zusätzlich erschweren, versuchen Axel-Springer & Co. seit vielen Jahren Paid Content, also Bezahlinhalte, zu etablieren. Dieses Vorhaben gestaltet sich aber als recht schwierig.
Das Bezahlen übers Web und über mobile Geräte unterliegt ebenso einem Wandel: PayPal, Laterpay, Flattr, Bitcoin oder MyWallet sind nur ein paar Beispiele für die mittlerweile zahlreichen Möglichkeiten, um schnell und einfach zu bezahlen.
Rund ums Thema Payment und Banking entstand in den letzten Jahren ein neuer Zweig: Fintech. Der Begriff steht für Finance Tech. Die jungen Unternehmen wollen mit innovative Ideen zu einer Disruption des Finanz- und Bankensektors führen.
(Bild: Statista.de)
Die Chancen und Herausforderungen von Disruption
Die disruptiven Technologien führen zu neuen, spannenden und effizienteren Methoden, wie man Musik, Filme oder Bücher genießen kann, wie man schneller bezahlt und sicherer Auto fährt. Allerdings beinhalten diese Fortschritte auch Umbrüche in verschiedenen Ebenen.
Die digitale Disruption bedeutet einen Strukturwandel für die Volkswirtschaft. Beispielsweise wurde schon oft das Ende des stationären Handels durch E-Commerce voraus gesagt. Und durch die Industrie 4.0 befürchten viele Arbeiter, dass ihr Arbeitsplatz durch Roboter ersetzt wird.
Das Aufbrechen alter Strukturen bedeutet einen Wandel zu neuen Wegen. Statt Verkäufern werden eher Programmierer und Daten-Analysten benötigt; Und Facharbeiter müssen für komplexere Themen qualifiziert sein.
Es gibt somit viele Herausforderungen. Und somit auch Kritiker, welche die Disruption um jeden Preis anprangern.
Schlagworte zu diesem Artikel