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Zu hohe Vermittlungsgebühren: Wenn aus Plattformen gierige Gatekeeper werden

Geöffnet junge erwachsene Mann und Frau Palmen mit Euro-Münzen auf hellblau rosa Tisch Hintergrund. Pastellfarbe. iStock /GettyImages plus

Digitale Plattformen avancieren zu den globalen Dreh- und Angelpunkten von Handel, Dienstleistung und Kommunikation. Wenn die Vermittlungsgebühren trotz Skaleneffekten aber nicht sinken, droht das Entstehen gewaltiger Gatekeeper mit massiver Vermögenskonzentration.

Googles Android-System und Apples iOS mögen sich in zahlreichen Punkten unterscheiden. Eines haben sie aber gemein: Wer auf ihren technischen Plattformen Apps betreiben und über sie digitale Inhalte wie Musik, Filme, Magazine oder Bücher verkaufen möchte, muss von den erwirtschafteten Umsätzen jeweils eine satte 30-prozentige Provision an die jeweilige Plattform-Betreiberin abführen. 

Android und iOS gehören zu den bekanntesten, erfolgreichsten Plattformen der digitalen Welt. Viele andere auf bestimmte Segmente des Onlinelebens fokussierte Plattformen machen vom selben Modell Gebrauch. Sie stellen die technische Umgebung für die Distribution von Services durch Drittanbieter bereit und lassen sich dafür an den Erlösen beteiligen. Die Höhe der vom Plattformanbieter abzuführenden Summe variiert dabei.

Wer bei Amazon E-Books in Eigenregie anbieten möchte, zahlt ebenfalls 30 Prozent . Die Vermittlungsgebühr, um Privatfahrzeuge über Carsharing-Plattformen wie tamyca , Nachbarschaftsauto oder Autonetzer anzubieten, beträgt 15 Prozent. Auch Boten des Berliner Transport-Startups MyLorry zahlen eine 15-prozentige Provision. Airbnb nimmt - als eine der wenigen Plattformen - primär Plattformnachfrager, also Mieter, in die Pflicht, und berechnet ihnen eine "Servicegebühr" in Höhe von sechs bis zwölf Prozent des Mietpreises. Vermieter führen ihrerseits drei Prozent an den Wohnungsvermittler ab. Der jüngst hier vorgestellte Schweizer Nachbarschafts-Marktplatz Mila verlangt von Anbietern von Dienstleistungen eine achtprozentige Provision. Fahrer des US-Ridesharing-Startups Lyft übergeben 20 Prozent ihrer Einnahmen an das Unternehmen.

Gerechtfertigte Vermittlungsgebühren

Die Vermittlungsgebühr, die Plattformbetreiber (in der Regel) von Dienste anbietenden Plattformnutzern verlangen, ist zweifellos eine sinnvolle und gerechtfertigte Leistung. Immerhin sorgen die Firmen hinter den Plattformen dafür, dass sich Anbieter und Nachfrager überhaupt begegnen und miteinander ins Geschäft kommen. Es gäbe zwar oft auch andere Wege, erst Online-Plattformen und -Marktplätze aber sorgen für eine effektive und effiziente Allokation von Angebot und Nachfrage. Zusätzlich organisieren Plattformen den Zahlungsvorgang und kümmern sich oft auch um gewisse rechtlich und sicherheitstechnisch relevante Aspekte. Kurzum: Dass Anbieter, also diejenigen, die über die Plattformen Umsätze generieren, die Betreiber der Plattformen an ihren Erlösen beteiligen, ist fair.

30 Prozent sind Wucher

Bei der Höhe der Provisionen allerdings gibt es meines Erachtens nach Grund zur Kritik. Ich bin der Meinung, dass alles in der Nähe von 30 Prozent reinen Wucher darstellt. Ein Provisionslevel, das auffälligerweise nur bei den Großkonzernen zum Tragen kommt. Ohne ersichtlichen, massiv die Kosten der Betreiber in die Höhe katapultierenden Grund fordern die Big Player des mobilen Geschäfts deutlich höhere Umsatzbeteiligungen für die Durchführung von Transaktionen auf ihren Plattformen als die Jungspunde. Klar, die App Stores bieten Distribution, Hosting, Sicherheitsleistungen und Qualitätskontrolle, und sie sowie ihre angeschlossenen Betriebssysteme werden stetig weiterentwickelt. Dennoch müssten technisch und organisatorisch bedingte Skaleneffekte eigentlich zu einem gegenteiligen Szenario führen, nämlich dass Plattformbetreiber mit wachsender Größe die Vermittlungsgebühren senken. So wie es sonst auch üblich ist. Stattdessen entsteht der Eindruck eines gemütlichen Kartells der mobilen App-Plattformen, bei dem sich alle Branchenakteure - inklusiver kleiner Fische wie Windows Phone - auf die von Apple mit der Einführung des App Stores vorgegebenen 30 Prozent eingelassen haben.

Im Sommer verkündete Apple-Chef Tim Cook , dass Apple seit 2008 zehn Milliarden Dollar an die Macher von iOS-Apps ausgezahlt habe. Was er in diesem Zusammenhang natürlich nicht erwähnte: Gemäß des 70:30-Verteilungsschlüssels muss sich das vollständige in dieser Zeit über den App Store verrechnte Transaktionsvolumen folglich auf knapp 14,3 Milliarden Dollar belaufen haben. 30 Prozent, 4,3 Milliarden Dollar, verblieben bei Apple. 4,3 Milliarden Dollar, die Apple in dieser Periode der digitalen Ökonomie entnommen hat. Vergleichsweise Peanuts für Apple. Doch Mittel, die tausende Startups und unabhängige App-Entwickler über Jahre ernährt und unterstützt hätten.

Anbieter auf Plattformen straucheln

Viele Anbieter von ohnehin knapp kalkulierenden Medien-Apps - für welche die 30-prozentige Provision Gültigkeit hat - stellt Apples Gier vor Probleme. Nicht selten verzichten sie deshalb wie beispielsweise viele Musik-On-Demand-Anwendungen darauf, den Erwerb von Contentdiensten über die nativen Apps zu ermöglichen, und gestatten den Kauf nur über den Browser - wo kein Plattform-Gatekeeper seine mächtige Hand aufhalten kann. Ideal ist das nicht, viel potenzieller Umsatz geht verloren. Auch für Verlage sind die Konditionen sehr ungünstig. Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner bezeichnete das Verhältnis zu Apple einst als "Hassliebe" .

Was eine angemessene Vermittlungsgebühr für eine Plattform darstellt, hängt von vielen Faktoren ab, wie etwa dem Transaktionsvolumen, der jeweiligen Branche, der Art der abgewickelten Geschäfte (Dienstleistungen, digitale Produkte) sowie der Kostenstruktur auf Plattformbetreiberseite. Generell aber gibt es wie im klassischen Handel keinen Rechtfertigung für Wucherpreise - zumindest dann nicht, wenn diese alternativlos sind. Genau dies aber tritt bei digitalen Plattformen meist ein: In der Regel implementieren sämtliche Wettbewerber in einem Segment sukzessive die gleiche Vermittlungsgebühr. 30 Prozent sind es in App Stores, 15 Prozent bei deutschen P2P-Carsharing-Diensten (ohne dass ich an dieser Stelle 15 Prozent als zu hoch bezeichne). Anbietern bleibt damit lediglich, die Spielregeln zu akzeptieren, oder aber ganz auf die Bereitstellung ihres Angebots zu verzichten.

Plattformen werden Milliardenkonzerne - und Gatekeeper

Das Beispiel der mobilen App Stores zeigt: Der Markt allein regelt das Problem zu hoher Provisionen bei Plattformen nicht. Apple und Google könnten ihre Transaktionsgebühren ohne Weiteres halbieren, ohne daran Schaden zu nehmen. Denn die App-Umsätze machen nur einen geringen Teil ihrer Gesamterlöse aus. Zudem wächst der Markt als Ganzes, außerdem strahlt ein florierendes App-Ökosystem mit zufriedenen Entwicklern positiv auf die Attraktität der Betriebssysteme aus und fördert so deren rasche Verbreitung sowie Hardware-Verkäufe. Bislang schienen die Firmen jedoch nicht das Gefühl zu haben, zu einem solchen Schritt gezwungen zu sein. Die einzigen, die dies erwirken könnten, sind die App-Macher selbst. Diesen stößt die hohe Beteiligung der Plattform-Gatekeeper zwar bitter auf, gleichzeitig scheinen sie sich größtenteils mit ihrem Teil vom Kuchen zu arrangieren. Nach dem Motto "besser als nichts". Solange dies so bleibt, wird sich nichts ändern.

Hohe Transaktionsgebühren widersprechen dem Internetgedanken

Die Problematik der Provisionen bei Plattformtransaktionen betrifft nicht nur mobile App Stores. Digitale Plattformen erleben derzeit einen beispiellosen Boom und werden, wenn sie es nicht schon sind, künftig der zentrale Ort sein, an dem millionenfach Nachfrage und Angebote aufeinander treffen und zu Geschäften führen - egal ob es um Kauf oder Miete, um Produkte oder Dienste, um Physisches oder Virtuelles, um Mainstream oder Nische geht. Je stärker aber das über Plattformen abgewickelte Marktvolumen wächst, desto größere fallen die Transaktionsgebühren volkswirtschaftlich ins Gewicht. Gemeinhin gilt es als die große Stärke des Internets, vergleichsweise wenig Leistung bietende, aber kräftig die Hand aufhaltende Mittler aus den Wirtschaftsprozessen zu entfernen. Plattformanbieter mit ungerechtfertigt hohen Provisionen, die für ihre Vermittlung Milliarden aus dem Markt entnehmen (und diese im schlimmsten Fall nicht einmal versteuern ), laufen Gefahr, alte, mit dem Aufkommen des Netzes eigentlich ad acta gelegte Barrieren neu zu errichten. Hohe Transaktions- und Bearbeitungsgebühren bei (größeren) Geldgeschäften sind übrigens eine der Ursachen für den Popularitätszuwachs von Bitcoin. Denn mit der Kryptowährung lässt sich Geld fast gratis rund um die Welt bewegen . Kein Grund mehr, die Banken für ihre Vermittlungsbemühungen zu vergüten.

Kreditkarteninstitute verlangen von Händlern eine Transaktionsgebühr im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Die Margen von Einzelhändlern - gewisserweise auch Plattformen - liegen häufig ebenfalls unter zehn Prozent . eBay , eine der ersten Onlineplattformen überhaupt, berechnet eine Verkaufsprovision von neun Prozent. Es gibt eigentlich keinen trifftigen Grund, bei den jüngsten technologiegetriebenen Plattformen für die Vermittlung von Angebot und Nachfrage auf Dauer Gebühren zu akzeptieren, die in keinem Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen und sich allein aus der Gatekeeper-Rolle und damit verbundenen Marktmacht ergeben. Der natürliche Prozess wäre, dass die vom Plattformbetreiber den anbietenden Plattformnutzern auferlegten Gebühren mit zunehmender Größe und Gesamtzahl der Transaktionen auf der Plattform sinken. Doch bislang ist davon bei den meisten Digital-Plattformen nichts zu sehen.

Es ist Zeit, dass Anbieter und Nutzer gleichermaßen die Plattformbetreiber zu Mäßigung ermahnen. Eine angemessene Vergütung der Vermittlungsleistungen muss gegeben sein, ein Ausnutzung dominierender Marktstellungen dagegen sollte nicht toleriert werden. Eine gereifte Plattform mit hunderten Millionen Teilnehmern, die von Anbietern 30 Prozent Umsatzbeteiligung verlangt, nutzt entweder schamlos ihre führende Position aus. Oder, sofern ihre Betriebskosten tatsächlich entsprechende Gebühren erforderlich machen, so basiert sie auf einem für das digitale Zeitalter völlig untauglichen Konzept. Denn mit dem Internet lässt sich Angebot und Nachfrage koordinieren und zur Einleitung von Transaktionen nutzen, ohne dass dadurch Aufwand entsteht, der rechtfertigen würde, dass eine zwischengeschaltete Instanz knapp ein Drittel der generierten Umsätze für sich reklamiert. Ein eigentlich absurder Vorgang. Und doch wird er akzeptiert. /mw

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