Die Industrie 4.0 und andere Aspekte der Digitalisierung sind wichtig für kleine und große Unternehmen. Doch beim Verständnis und der Umsetzung gibt es noch ein paar Probleme.
Das gespaltene Verhältnis zur Digitalisierung
Wenn von der Digitalisierung geredet wird, fallen sofort unzählige Fachbegriffe wie Internet der Dinge, Smart Home oder Industrie 4.0 . Verständlich, immerhin handelt es sich bei dem Themenkomplex um das nächste große Ding, das Privatmenschen wie auch Unternehmen gleichermaßen umtreibt. Deswegen reden Experten, Manager und Medien viel darüber. Man ist sich einig, dass die Digitalisierung mit all seinen Facetten wichtig sei. Doch was das alles genau bedeutet, verstehen nicht alle. Oder wollen sie es nicht verstehen?
Ein Beispiel: Industrie 4.0. Während die Bürger auf der Straße mit dem Begriff wenig anfangen können ( über 80 Prozent haben noch nie davon gehört ), kommt kaum ein Wirtschaftskongress noch ohne dieses „Buzzword“ aus. Somit verwundert es nicht, dass 79 von 100 Industrie-Entscheider sagen, dass die Industrie 4.0 sehr wichtig für die Unternehmen sei.
Doch im gleichen Atemzug meinen 21 Prozent, dass die Digitalisierung der Industrie noch nicht relevant sei. Das kam bei einer Umfrage von Brocade und DMI (Deutsche Messe Interactive) heraus. Schuld daran ist unter anderem, dass der Begriff Industrie 4.0 nicht klar definiert sei. Die Schlussfolgerung daraus: „Genau diese noch unpräzise Begrifflichkeit führt zu großen Unsicherheiten bei der Umsetzung von Initiativen“, so eine Aussage in der Erhebung.
Ergebnisse zum Thema Industrie 4.0 (Bild: Brocade)
Management und Mitarbeiter müssen die Digitalisierung leben
Ein weiterer Hemmschuh sei der Fachkräftemangel. 22 Prozent schieben der fehlenden Mitarbeiterqualifikation den schwarzen Peter zu. Das unterstreichen unter anderem die Metall- und Elektrounternehmen in Bayern. Betram Brossard, Hauptgeschäftsführer des entsprechenden Verbandes bayme vbm, sagte im Bayernkurier : „Die zunehmende Digitalisierung der Unternehmen hinterlässt deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt, in den M+E Unternehmen ist derzeit mehr als jede zehnte freie Stelle mit Informatikern oder mit IT-Fachkräften zu besetzen“.
Ein weiteres Problem ist, dass die Mitarbeiter das Problem haben, das neue „Mindset der Digitalisierung“ zu verinnerlichen. „Hier ist das Management gefordert, um alle auf die Reise in Richtung Digitalisierung mitzunehmen“, so Matthias Pauers von Teamprove. Der Experte für Software-Entwicklung und Team-Coaching meint, dass moderne Führungskräfte nach Agile Leadership oder Management 3.0 handeln sollten. Dazu gehören unter anderem, dass man eine agile Unternehmenskultur schafft und seinem Team dafür begeistert, immer am Ball zu bleiben.
Hier scheint ein weiterer Knackpunkt zu liegen: Nach der Erhebung von Brocade und DMI sehen nur 12 Prozent der befragten Top-Entscheider, dass das Thema Digitalisierung bzw. Industrie 4.0 ein Thema für die Führungsetage sei. Man sehe eher die Produktions- und IT-Abteilungen in der Verantwortung. Doch genau das sei die falsche Einstellung, meint Pauers. Er erlebe das immer wieder bei seinen Kunden: „Digitalisierung bedeutet, offen für Neues zu sein. Die Konsequenz daraus ist, dass alle an einen Strang ziehen müssen“.
So sieht das auch Dr. Klaus Reichert. Der Unternehmensberater sagte gegenüber Foerderland.de: "Industrie 4.0 ist nicht einfach die Einführung einer neuen Technologie, sondern erfordert wegen der komplexen Zusammenhänge in vielen Fällen ein komplettes Umdenken. Es stehen genug technische Fragen an, die zu lösen sind. Doch genauso wichtig ist es die Beteiligten zu motivieren und über ihre bisherigen Grenzen hinaus den Kundennutzen zu erkennen."
Die Digitalisierung und ihre Zahlenspiele
Theorie trifft auf Praxis. Praxis auf Theorie. Es scheint zu knirschen beim Weg in die Zukunft, der für viele Unternehmen wichtig ist. „Digitalisierung schafft Hunderttausende neue Jobs“, titelte Spiegel Online . Der IT-Branchenverband bitkom bläst ins gleiche Horn: „Neue und anspruchsvolle Jobs entstehen“, so Präsident Thorsten Dirks . Doch dafür benötigt man Fachkräfte mit einer Digitalkompetenz. Und eine Strategie. Diese fehle laut Bitkom bei rund 70 Prozent der Unternehmen. Seltsamerweise sagten in einer Umfrage von „wer liefert was“ 86 Prozent der KMU-Geschäftsführer, dass sie für die Umwälzungen durch die Digitalisierung gewappnet seien.
Man merkt: Aussagen stehen gegen Aussagen, Zahlen gegen Zahlen. Dass die Digitalisierung mit all ihren Facetten wichtig ist, darüber herrscht Einigkeit. Aber das Wie und Wann stehen mit einem großen Fragezeichen im Raum.