Obwohl Spotify seit März vergangenen Jahres in Deutschland verfügbar ist, steht eine offizielle Einigung mit der GEMA noch immer aus. Bisher merken die Nutzer davon anders als bei YouTube nichts.
Als der international tonangebende Musikstreaming-Dienst Spotify im März 2012 seine Pforten in Deutschland öffnete , geschah dies überraschend ohne einen unterschriebenen Vertrag mit der zuständigen deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA. Dabei hatte die sich einige Monate zuvor mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., BITKOM - bei dem auch Spotify Mitglied ist - auf einen Gesamtvertrag rund um Lizenzgebühren für Online-Musikdienste geeinigt . Dieser sah erstmals eine monatliche Pauschalgebühr pro Nutzer vor, die Streaminganbieter an die GEMA abführen. Ein solcher Tarif erleichtert digitalen Musikangeboten die Kalkulation, da sie nicht das bei einem komplett nutzungsabhängigen Tarif mit Pro-Song-Vergütung anfallende Risiko ausufernder Kosten tragen müssen, sollten einzelne Anwender überdurschnittlich viele Titel konsumieren. Rund ein Euro müssen Anbieter typischer Streamingflatrates nun pro Monat und aktivem Nutzer an die GEMA abführen, so erklärte es uns einst ein GEMA-Sprecher . Doch dies gilt mit einer entscheidenden Einschränkung : Es müsse sich um ein kostenpflichtiges Abonnement handeln, nicht um einen Gratis-Dienst. Genau diesen bietet Spotify aber seit seinem Debüt in Deutschland als Einsteigeroption an - die ersten sechs Monate lang unbegrenzt, danach limitiert auf maximal zehn Stunden monatlich. Für solche rein werbefinanzierten Services gibt es einen anderen, weniger anbieterfreundlichen GEMA-Tarif .
Bei Freemium gelten zwei Tarife
Für Spotify gelten folglich zwei unterschiedliche Tarife: Für jeden Kunden seiner kostenpflichtigen Pakete muss das Startup aus Schweden eine pauschale monatliche Lizenzgebühr von etwa einem Euro an die GEMA abführen. Bei Gratis-Hörern dagegen fällt die von der GEMA für Musikdienste mit hohem Interaktivitätsgrad festgelegte Mindestvergütung von 0,6 Cent pro Song an - oder eine Umsatzbeteiligung von 10,25 Prozent an den Werbeeinnahmen, sollten diese die Mindestvergütung übertreffen. Die von Spotify grundsätzlich angestrebte Pauschalvergütung kann in Deutschland also nur für zahlende Anwender, nicht aber für User von Spotify Free in Anspruch genommen werden.
Spotifys GEMA-Schwebezustand
Spotifys deutscher Konkurrent simfy sah sich im Angesicht des fehlenden Pauschaltarifs für Gratis-Streaming im vergangenen Jahr gezwungen, sein kostenfreies Angebot abgesehen von einem ganz kleinen "Teaser" komplett abzuschaffen . Spotify hingegen ging in Deutschland mit einem Freemium-Service vor Anker, ohne eine formelle Einigung mit der GEMA erreicht zu haben. Möglich wurde dies Dank einer im Mai 2012 von Musikmarkt.de angeführten Regelung im Artikel 11 Abs. 2 des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes, die besagt, "dass durch Verwertungsgesellschaften wahrgenommene Rechte unter bestimmten Umständen auch ohne einen abgeschlossenen Vertrag als eingeräumt gelten." Sofern ein Unternehmen diese Option in Anspruch nimmt, muss es angefallene Lizenzgebühren nach einem späteren Vertragsabschluss rückwirkend an die GEMA abführen.
Das bedeutet, dass zwar Spotifys GEMA-Gebührenticker konstant und mit jedem von Gratisnutzer gestreamten Titel rattert, dass das Unternehmen aber bisher nicht diese komplette Summe an die Verwertungsgesellschaft übermittelt, in der Hoffnung, bei einer späteren Einigung mit der GEMA einen besseren Tarif aushandeln und im Nachhinein die seit dem Debüt im März 2012 angefallenen Lizenzgebühren senken zu können. Die GEMA muss in ihren Verhandlungen die Tatsache des Gleichbehandlungsgrundsatzes berücksichtigen, der sie dazu verpflichtet, allen am Markt befindlichen Anbietern die selben Tarife anzubieten. Sie darf also nicht mit Spotify einen Pauschaltarif für werbefinanziertes Kostenlos-Streaming abschließen und diesen dann anderen Marktteilnehmern verwehren. Sollte es Spotify gelingen, die GEMA hinsichtlich des werbefinanzierten Streamingtarifs zu einer Änderung zu bewegen, würde diese für alle Dienste gelten.
Verhandlungen laufen weiter
Genau diese Tragweite dürfte einer der Gründe dafür sein, warum GEMA und Spotify (und analog auch GEMA und YouTube ) bis heute keine dauerhafte Einigung vorweisen können. Jedenfalls gab es dazu zu keinem Zeitpunkt eine offizielle Pressemeldung. Wir haben bei beiden Parteien nach dem Stand der Verhandlungen gefragt, jedoch geben sich beide zugeknöpft. Seitens Spotify heißt es, dass seit März 2012 eine "fortlaufende Vereinbarung mit der GEMA" bestehe, und dass sich die "noch laufenden Verhandlungen" darauf beziehen, "eine erfolgreiche Grundlage für eine langfristige Partnerschaft zu schaffen". Mit "fortlaufende Vereinbarung" wird gemeint sein, dass Spotify und die GEMA weiter verhandeln und dass die volle Summe der Lizenzgebühren nach dem Zustandekommen eines Vertrags ("langfristige Partnerschaft") an die Verwertungsgesellschaft abgeführt wird. Nochmals nachgehakt bat man um Verständnis dafür, dass sich Spotify nicht zu vertraulichen Vertragsdetails äußern wolle. Von einer GEMA-Sprecherin erhielten wir einen Einzeiler: "Spotify wird von der GEMA zu den entsprechenden Tarifen lizenziert". Klartext: Bis nichts anderes entschieden ist, muss Spotify an die GEMA zahlen, wozu alle anderen Anbieter auch verpflichtet sind.
Spätestens 2015 wird es brenzlig
Bleibt die Frage, wie lange Spotify und die GEMA in diesem Verhandlungslimbo ausharren können. Ein Kenner der Materie, der ungenannt bleiben möchte, erklärte uns, dass ein Anbieter so lange sicher sei, wie er sich in Verhandlungen mit Verwertungsgesellschaften befinde und das Ziele habe, auch tatsächlich zu einem Abschluss zu kommen. Solange also die GEMA nicht den Eindruck hat, dass sich Spotify komplett destruktiv verhält und daraufhin die Verhandlungen für beendet erklärt, könnte der aktuelle Schwebezustand weitergehen. Wobei Spotify dadurch natürlich einiges an eventuell nachträglich an die GEMA zu zahlenden Lizenzgebühren anhäuft. Spätestens nach zwei oder drei Jahren werde aber üblicherweise kompromisslos der Regeltarif duchgesetzt. Im Falle von Spotify ist dies spätestens 2015.