Das US-Startup Instacart heuert Privatpersonen an, um von Nutzern online bestellte Warten im Supermarkt einzukaufen und anschließend auszuliefern. Ein Ansatz, der dem hiesigen Lebensmittel-Einzelhandel gefallen könnte.
Auch im von vielen Verbrauchern noch mit einer gewissen Skepsis betrachten Segment des Online-Lebensmitteleinkaufs deutet sich eine Marktentwicklung an, in der die großen Internet-Handelshäuser wie Amazon und eventuell eBay auf lange Sicht die Gewinner sein könnten, nicht die Supermärkte.
Das zeigte jüngst eine Umfrage unter deutschen Konsumenten. Umso neugieriger und offener sollten hiesige Supermarktketten auf das blicken, was das 2012 gegründete US-Startup Instacart auf die Beine gestellt hat: Einen Service, der das Bestellen von Lebensmitteln über das Internet ermöglicht, gleichzeitig aber anders als einige reine Onlineanbieter nicht den lokalen Lebensmitteleinzelhandel umgehen zu versucht. Stattdessen beschäftigt Instacart, das aktuell in sieben Ballungsräumen der USA aktiv ist, sogenannte "persönliche Shopper", die im Auftrag von Instacart-Kunden im Supermarkt einkaufen gehen und die erworbenen Waren anschließend umgehend liefern. Für Verbraucher präsentert sich Instacart im Prinzip wie jeder andere E-Food-Anbieter: Sie wählen die gewünschten Waren über die Browserversion oder die mobilen Apps aus, definieren den Lieferzeitpunkt oder das gewünschte Zeitfenster und hinterlassen ihre Zahlungsdaten. Von da an wird die Bestellung allerdings nicht etwa an ein Zentrallager übermittelt, wo eine Lagerkraft die erworbenen Produkte zusammenstellt und versandfertig macht.
Stattdessen erhält ein Instacart-Shopper per Smartphone den Auftrag, sich mit dem Privatfahrzeug zum vom Kunden gewünschten Supermarkt zu begeben, den Einkauf zu erledigen und diesen anschließend bis an die Tür zu liefern.
Instacart-Shopper werden auf Provisionsbasis vergütetet, je nach Art des Auftrags und Zahl der Waren. Außerdem können sie mit Trinkgeldern rechnen. Die Höhe des Stundenumsatzes variiert, soll aber laut Unternehmen bei bis zu 20 oder gar 30 Dollar liegen. Eine Garantie gibt es dafür freilich nicht, und sofern gerade wenige Bestellungen über Instacart durchgeführt werden, können für Shopper auch einmal unfreiwillige Leerlaufzeiten auftauchen. Im Vorfeld einer bevorstehenden Woche geben sie im Mitgliederbereich des Dienstes ihre Verfügbarkeit an. Alle weiteren Instruktionen und Zeitpläne landen auf ihrem Smartphone. Das Unternehmen mit Sitz in San Francisco stattet sie nach einem erfolgreich absolvierten Bewerbungs- und Trainingsprozess mit einer Kreditkarte aus, die sie für die Einkäufe verwenden.
Wer sich über Instacart spontan Milch oder mit einigen Tagen Vorlaufzeit den Wochenendeinkauf bringen lässt, bezahlt dafür eine von der Geschwindigkeit der Lieferung abhängige Gebühr.
Die Standardpauschale kostet recht günstige 3,99 Dollar für Lieferungen innerhalb von zwei Stunden. Mit Instacart Express bietet das Startup von Gründer Apoorva Mehta, einem Ex-Amazon-Mitarbeiter , zudem eine Lieferflatrate an. Für 99 Dollar pro Jahr sind alle geplanten Lieferungen oder spontanen Zwei-Stunden-Bestellungen über einem Warenwert von 35 Dollar kostenfrei.
Die Warenpreise von Instacart liegen teilweise über dem Niveau der Preise im jeweiligen Geschäft. Die Differenzsumme und die Liefergebühren stellen die zwei primären Erlösquellen des Unternehmens dar. Da Instacart für seine Services mit verschiedenen Supermarktketten kooperiert, die dem Unternehmen ihre Sortimentsdaten bereitstellen, ist nicht auszuschließen, dass das Startup auch von Mengenrabatten und Anbieterprovisionen profitiert.
Die Kalkulation erscheint angesichts der Vergütungsversprechen, die Personal Shoppern gemacht werden, trotzdem ambitioniert.
Derzeit müssen sich Instacart-Macher Metha und sein laut LinkedIn 100-köpfiges Team aber keine großen Sorgen machen: Gerades gab das Startup eine Finanzierungsrunde in Höhe von 44 Millionen Dollar bekannt . Instacart kann es sich damit vorläufig leisten, Konsumenten gute Konditionen einzuräumen und gleichzeitig Shoppern hinreichend attraktive Ertragsmöglichkeiten in Aussicht zu stellen, um sie dazu zu bringen, nicht beispielsweise für die US-Chaffeuerdienste UberPop oder Lyft Passagiere durch die Gegend zu fahren, sondern für Online-Lebensmittelbesteller auf Supermarkt-Tour zu gehen.
Ob es auf lange Sicht sinnvoll ist, beim internetbasierten Lebensmitteleinkauf die Bereitstellung von Waren über die existierenden Supermärkte abzuwickeln, sei einmal dahingestellt.
Aktuell kann der Ansatz aber verschiedene Bedenken der involvierten Akteure zerstreuen: Das von Kunden gerne befürchtete "Matsch-Auberginen"-Problem erübrigt sich weitestgehend, weil Instacart-Shopper ein Interesse daran haben, Kundenbedürfnisse bestmöglich zu erfüllen (was übrigens auch für E-Food-Dienste gilt) und entsprechend sorgfältig auszuwählen. Lokale Supermärkte, die mit Instacart zusammenarbeiten, ersparen sich wiederum das kostspielige Errichten einer eigenen Lieferinfrastruktur. Unter der Voraussetzung, dass Amazon Instacart nicht aufkauft, müssen sie sich von dem Startup vorläufig nicht bedroht sehen.
Konkrete Expansionspläne von Instacart sind bislang keine bekannt. Nachdem der US-Markt erschlossen wurde, muss man mit einer Internationalisierung aber rechnen.
Nachtrag: Es verwundert nicht, dass Instacart bereits deutsche Nachahmer hervorgebracht hat. Mit Shippies testet derzeit ein deutsches Startup ein ähnliches Modell in Frankfurt am Main und im Rhein-Main-Gebiet. Auch das Darmstädter Jungunternehmen Algel arbeitet an einem entsprechenden Service, der gerade in der Heimatstadt in die Beta-Phase ging. Wir behalten die Entwicklung der Dienste im Auge.