DOs and DON‘Ts bei der Investorenansprache

Zugegebenermaßen, es gibt immer mal wieder diese großartigen und bewundernswerten Gründerteams, die eine klare Vision verfolgen und es auf das Allerbeste verstehen, diese auch potentiellen Kunden, Geldgebern und allen sonstigen Stakeholdern zu vermitteln. Als Investor ist es eine große Freude, diesen Teams bei ihrer Präsentation zuzuhören, mit Ihnen in den Dialog zu treten und nächste Schritte zu konkretisieren. Die Investitionsentscheidung fällt dann meistens ziemlich leicht. Die Herausforderung in diesen Fällen besteht auf Investorenseite regelmäßig eher darin, überhaupt eine Ticket in der Finanzierungsrunde zu ergattern. Schön für die Gründer – und das völlig zu recht. Und schön für die Investoren, weil es in solchen Fällen gute Hoffnung gibt, dass sich die Klarheit in Fokus und Kommunikation auch auf die anschließende Realisierung des Vorhabens erstreckt.

Leider sind bei weitem nicht alle Startups und junge Unternehmen, die sich auf Investorensuche befinden, so weit in ihrer Konzeptionierung und so klar in ihrer Kommunikation. Als Investor bekommt man unzählige unausgereifte Konzepte präsentiert. Die Fehler und Mängel folgen dabei nicht selten typischen Mustern. Eine Auswahl davon ist in den folgenden DOs and DON`Ts zusammengefasst.

Don´t #1: Mangelhafte Unternehmenswertabschätzung

Es besteht kein Zweifel darüber, dass Unternehmenswertabschätzungen bei Startups schwierig und vor allem schwer zu objektivieren sind. Gleichwohl sind zumindest die Grundlagen der Unternehmensbewertung auch bei der Preisfindung von Startups zugrunde zu legen. Es kommt leider nicht selten vor, dass Startups, die im eigenen Business Case selbst mittelfristig einen Jahresumsatz von nicht mehr als 1-2 Mio. EUR erwarten, bereits in der Seedphase einen Betrag von 600-800 TEUR einsammeln wollen – gegen Anteile im niedrigen zweistelligen Bereich. Man muss kein Betriebswirt sein, um zu erkennen, dass das jedwedes Gefühl für eine realistische Situationsbewertung vermissen lässt.

Don´t #2: Übertreiben und Erfinden im Business Case

Finanzpläne von Startups fußen mangels belastbarer Ist-Zahlen auf häufig nur mit einiger Mühe zu plausibilisierenden Annahmen. Das verleitet Gründer gelegentlich dazu, etwas nachzuhelfen und hinsichtlich der Erfolgspotentiale zu übertreiben oder –in selteneren Fällen- passende Zahlen einfach zu erfinden.

Erfahrenen Investoren wird dies spätestens in der Due Diligence auffallen, was für alle Beteiligten immerhin eine ärgerliche Zeitverschwendung bedeutet. Richtig bitter wird es indes, wenn wohlwollende Geldgeber z.B. aus dem Family & Friends-Umfeld auf Basis schlecht recherchierter oder gar erfundener Zahlen investieren: das Gründungsvorhaben wird höchstwahrscheinlich innerhalb kürzester Zeit im Misserfolg enden, während die Enttäuschung im Familienkreis oder bei dann ehemaligen Freunden noch über lange Zeit groß sein wird.

Don´t #3: Gründen als Nebenjob

Aus Gründersicht ist das Gründen als Nebenjob eine sehr nachvollziehbare und legitime Vorgehensweise. Schließlich setzt man nicht alles auf eine Karte und trägt gleichzeitig zur Existenzsicherung bei. Für sich genommen ist das smart, und das verstehen auch Investoren. Aber diese werden nicht gerade dazu ermutigt, mit ihrem Investment selbst voll „einzuloggen“, während sich die Gründer, die eigentlich absolute Überzeugung für ihr Vorhaben mitbringen sollten, selbst kein 100%iges Commitment zeigen und sich selbst eine Hintertür offen halten. Zudem kommt das Gründungsvorhaben mit Teilzeitgründern regelmäßig nicht schnell genug voran - eine Einladung an den Wettbewerb, die Idee aufzunehmen und rasch zu realisieren.

Don´t #4: Marktabschätzung Top-Down

Die nur allzu häufig gehörte Top-Down-Marktabschätzung für z.B. die x-te Fitness-App lautet zugespitzt etwa so: „Wir haben eine App zur Trainings-Unterstützung von sportlich aktiven Frauen entwickelt. Unser Zielmarkt ist Deutschland mit 80 Mio. Einwohnern, von denen 41 Mio. weiblich sind. Unsere Kernzielgruppe der 18-49 Jährigen beziffert sich auf 19 Mio. Wir sind First Mover, und rechnen defensiv damit, innerhalb von 3 Jahren einen Marktanteil von lediglich 5% abzuschöpfen. Im Freemium-Modell zahlen 10% unser Kundinnen die monatliche Abogebühr von 9,90 EUR, was einem Jahresumsatz von 11 Mio. EUR entspricht – natürlich nur für Deutschland.“ Das klingt wundervoll ... und ist leider völliger Unsinn. Top-Down-Abschätzungen dieser Art spiegeln eine Scheinplausibilität vor, haben aber leider überhaupt keinen Bezug zu den konkreten Gegebenheiten des Vorhabens.

Don´t #5: Marketing = Lean PR und Social Media

Der passende Marketingplan zur vorgenannten Top-Down-Marktabschätzung liest sich dann z.B. wie folgt: „Um unsere Zielgruppe ohne Streuverluste zu erreichen, legen wir unseren Marketing-Fokus vornehmlich auf Influencer-Marketing (Blogger), PR und eine ausgeklügelte Social Media-Strategie.“ Gemeint ist damit regelmäßig: wir versenden ein paar Pressemitteilungen und machen eine Facebook-Seite ... und gewinnen so ohne Marketingbudget trotzdem viele Kunden. Es wäre schön, wenn das so funktioniert und in ganz außergewöhnlichen Ausnahmefällen mag so etwas sicherlich auch schon funktioniert haben. In der Realität verpuffen amateurhafte PR und SocialMedia-Aktivitäten ohne nennenswerten Effekt am Markt.

Tatsächlich ist die Gewinnung von Neukunden harte Vertriebsarbeit und kostet Geld – in der Regel viel Geld. Und mit solider Recherche und geeigneten Markttests lassen sich die zu erwartenden Kosten auch hinreichend gut abschätzen.

Das waren allesamt Negativbeispiele, die in vergleichbarer Form leider regelmäßig wiederkehrend auftreten. Was man dagegen gut und besser machen kann, zeigen die folgenden Do´s:

Do #1: Marktabschätzung Bottom-up

Eine plausible und nachvollziehbare Marktabschätzung geht von konkreten Gegebenheiten aus und fußt auf belastbaren Erkenntnissen, im besten Fall auf Basis nachweisbarer Markttests.

Das könnte dann z.B. so klingen: „Im Beta-Test konnten wir mit einem Testbudget von X EUR die Zahl von Y Visits/Downloads und eine Conversion rate von Z% erzielen. Das ergibt rechnerische Customer Acquisition Costs (CAC) von N EUR.“ Auf Basis einer solchen Berechnung lässt sich das geplante Kundenwachstum im Verhältnis zum Marketingbudget kinderleicht von jedem Investor plausibilisieren.

Do #2: Valuable IP

Die meisten Gründungsvorhaben leiten die für die Zukunft unterstellte Daseinsberechtigung daraus ab, dass sie mit der Gründungsidee First Mover sind und ihnen dieser eine Schritt voraus einen ausreichenden Wettbewerbsvorteil verschafft, um eine ausreichende Kundenbasis aufzubauen und belastbare Unternehmensstrukturen aufzubauen. Dieser Vorsprung wird dabei vor allem von den Gründern selbst häufig erheblich überschätzt – insbesondere dann, wenn der potentielle Wettbewerb aus etablierten Unternehmen besteht, die die Idee aufnehmen und das Konkurrenzprodukt mit erheblich größeren Budgets deutlich schneller „nachbauen“ und an den Markt bringen können.

Valuable intellectual property in Form von durchsetzbarem (!) Patentschutz, einem außergewöhnlichen Skillset der handelnden Akteure (wird leider häufig überschätzt) oder einem für den Markt nicht ohne weiteres kopierbaren Know-how (z.B. dem vielbeschworenen „Algorithmus“) verspricht hier tatsächlich eine Untermauerung oder Verlängerung des First Mover-Vorsprungs.

Do #3: Dreiklang: Problem – Lösung – Geschäftsmodell

Es gibt kein Gründer-Handbuch, dass ohne den dringlichen Apell auskommt, bei der Investorenansprache gleich zu Beginn und in wenigen Worten den Dreiklang „Problem – Lösung – Geschäftsmodell“ abzuhandeln, also auf die folgenden Fragen antworten zu liefern:

  1. Welches Problem wird gelöst und warum ist es ein Problem? Wie viele Leute haben dieses Problem und wie ernst ist es ihnen?
  2. Wie sieht die Problemlösung aus? Wie materialisiert sich die Lösung in Form eines Produkts oder einer Dienstleistung?
  3. Wie wird damit Geld verdient?

Eine schlüssige Beantwortung dieser Fragen zeigt die Relevanz des Gründungsvorhabens und weckt das notwendige Investoreninteresse, um sich mit allen weitergehenden Fragen, z.B. zu Wettbewerb, Vermarktung, Team oder der Operationalisierung zu beschäftigen.

Do #4: Team, Team, Team

Das ist zugegebener Maßen ein Fall für das Phrasenschwein, denn in nahezu jedem Existengründer-Ratgeber findet sich der Hinweis, dass Investoren zuallererst auf das Team schauen. Der Grund dafür ist, dass es unheimlich beruhigt, wenn man im Gründerteam starke Partner hat. Und es gilt: Mehrere Schulterpaare tragen mehr Last als nur eines. Ein Team mit komplementärem Skillset deckt mehr Themenbereiche ab als die drei Gründer aus dem gleichen Studiengang. Und nur ein robustes, stressresistentes und bewegliches Team wird es schaffen, die vielen Praxisschocks und zu erwartenden Rückschläge zu verarbeiten und immer wieder neue Wege zu finden, das Gründungsvorhaben auch auf Umwegen in ein erfolgreiches Unternehmen zu verwandeln.

Darum lautet die Schwesterphrase auch: „Egal, wie gut die Idee ist, mit einem mittelmäßigen Team wird noch die beste Geschäftsidee nur schwer erfolgreich sein. Aber ein gutes Team kann eine mittelmäßige Idee durchaus mit Erfolg krönen."

Do #5: Proof that someone is gonna buy the product

Das mit Abstand überzeugendste Argument für Investoren ist schließlich der Beweis, dass jemand das Produkt kauft. Jegliche Form von Annahmen zu Absatzzahlen und Marktpreisen können bezweifelt und hinterfragt werden. Realisierte Umsätze und Zahlungseingänge sind ein Tatbestand und zeigen, dass das entwickelte Geschäftsmodell funktioniert. Und je mehr Kunden kaufen, desto überzeugender.

Über den Autor:

Arne Paul Oltmann ist Gründer und Geschäftsführer der seedfeed GmbH.Er ist Business Angel und beteiligt sich bevorzugt in der Early seed-Phase an Startups aus unterschiedlichsten Branchen. Arne ist Teil des erweiterten Vorstands der Business Angels Agentur Ruhr e.V. und Gründungsvorstand von AngelEngine e.V. Düsseldorf.

www.seedfeed.de

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