Franchiserecht - Eine Einführung

Unter dem Begriff "Franchiserecht" werden alle Regeln zusammengefasst, die für das Rechtsverhältnis zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer sowie für die rechtlichen Besonderheiten gelten, die sich aus den Vertrieb mittels Franchising beispielsweise in kartell- und wettbewerbsrechtlicher Hinsicht ergeben.

 

Franchising ist eine Vertriebsform für Waren, Dienstleistungen und Technologien, die sich auf eine enge und dauerhafte Zusammenarbeit zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen und voneinander unabhängigen Unternehmen gründet.

Eine normative Definition des Begriffs Franchising, aus der sich bezogen auf einen Sachverhalt eine Rechtsfolge ableiten ließe, existiert bislang nicht. Die verschiedenen Definitionen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen entwickelt wurden, beschreiben lediglich die in der Praxis vorgefundenen Bestandteile eine Franchisevertrages.

 

Die Ursprünge des modernen Franchising finden sich in den USA.

Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten sich dort Vertriebssysteme, die dem Franchising zugeordnet werden können. In Deutschland hat Franchising im Vergleich zu den meisten anderen westeuropäischen Ländern sehr spät an Bedeutung gewonnen. Die Entwicklung begann Ende der 60er Jahre, als sich die Vertriebssysteme Nordsee (Fischrestaurants), Ihr Platz (Drogeriemärkte) und OBI (Heimwerkermärkte) des Franchising für eine schnelle Expansion bedienten. Im Jahre 1997 gab es in Deutschland rund 580 Franchisegeber mit rund 28.000 Franchisenehmern, die insgesamt 30 Milliarden DM umsetzen. Die Anzahl der Neueröffnungen betrug 1994 rund 2.950 gegenüber 1.200 Betriebseinstellungen. Dies entspricht mit einer Steigerung von 11,66 % gegenüber dem Vorjahr. Auch Anfang des 21. Jahrhunderts werden in Deutschland rund 2.500 Franchiseverträge pro Jahr abgeschlossen. Franchising wird, da es den anderen Vertriebsformen weit überlegen ist, heute in allen Branchen eingesetzt.

 

Franchiserecht ist in Deutschland nicht spezialgesetzlich geregelt.

Es setzt sich zusammen aus Regelungen des Zivilrechts, namentlich des Bürgerlichen Rechts, insbesondere des Schuldrechts, sowie des Handels-, Gesellschafts-, Wettbewerbs-, Verbraucherschutz-, Patent-, Marken-, Urheber-, Arbeits- und Sozialversicherungsrechts sowie des deutschen und des europäischen Kartellrechts. Dennoch darf man von Franchiserecht als einem eigenständigen Rechtsgebiet sprechen. Weite Teile dieses Rechtsgebietes sind systematisch nicht durchdrungen. Festzustellen ist immerhin, daß der Schutz der Franchisenehmer, der zunächst kaum ausgeprägt war, durch Rechtsprechung und Literatur zunehmend verbessert wird. Diese Umstände bringen es mit sich, daß der Umfang und die Fülle der Regelungen in den meisten Franchiseverträgen beträchtlich ist. Auf europäischer Ebene ist, soweit anwendbar, das EU-Kartellverbot in Art. 81 EU-Vertrag und die dazugehörige Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Bezugsbindungen zu beachten. Das Franchiseverhältnis ist in besonderem Maße durch Treu und Glauben und durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer geprägt.

Weitgehend geklärt ist zwischenzeitlich die Rechtsnatur des Franchisevertrages, auch wenn der Bundesgerichtshof diese Frage in einer Entscheidung aus dem Jahre 2000 ausdrücklich offen gelassen hat. Nach ganz herrschender Ansicht ist der Franchisevertrag ist ein Misch- und Typenkombinationsvertrag. Er besteht aus Elementen verschiedener Vertragstypen des Besonderen Schuldrechts. Hierzu gehören etwa Kauf (§§ 433 ff. BGB), Miete (§§ 535 ff. BGB), Pacht (§§ 581 ff. BGB). Besondere Bedeutung haben Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) und Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB). Darüber hinaus enthält der Franchisevertrag in aller Regel Elemente des ebenfalls nicht spezialgesetzlich geregelten Lizenzvertrages. Die Gewichtung dieser Elemente der verschiedenen Vertragstypen ist bei jedem Franchisevertrag unterschiedlich. Daher sind allgemeine Anmerkungen darüber, welche Elemente im Allgemeinen überwiegen, kaum möglich, auch wenn dies selbst von Vertretern der herrschenden Meinung immer wieder versucht wird. Eine Mindermeinung hat den Franchisevertrag als Sonderform des Lizenzvertrages bzw. Know-how Vertrag oder als reinen Geschäftsbesorgungsvertrag angesehen. Wieder andere Autoren unterscheiden hinsichtlich der Macht- und Interessenkonstellationen der Vertragspartner zwischen verschiedenen Formen des Franchising (Subordinations- oder Partnerschaftsfranchising) und nehmen an, daß bestimmte Formen dem Recht der BGB-Gesellschaft zuzuordnen sind. Nach der herrschenden Meinung sind Franchising und Gesellschaftsrecht jedoch wesensverschieden.

 

In einem typischen Franchisevertrag übernehmen beide Vertragspartner eine Vielzahl von wechselseitigen Haupt- und Nebenpflichten, die den einzelnen Vertragstypen des Schuldrechts zuzuordnen sind.

Der Franchisegeber verpflichtet sich regelmäßig zu der Erteilung einer Lizenz an der Marke, zu dem Transfer des notwendigen Know-how auf den Franchisenehmer (durch Übergabe eines Handbuchs und durch Schulungen), zu der Bereitstellung eines Marketingkonzepts, zur Durchführung von überregionalen Werbemaßnahmen, zur Beratung und Unterstützung des Franchisenehmers, zu der treuhänderischen Verwaltung der gemeinsamen Werbemittel, zur Aushandlung von günstigen Einkaufskonditionen für die Franchisenehmer, zur Markt- und Wettbewerbsbeobachtung und zur Weiterentwicklung des Franchisesystems und der vertriebenen Produkte. Beim Warenfranchising kommt, je nachdem ob eine Bezugsbindung vorgesehen ist oder nicht, eine Belieferungspflicht hinzu. Der Franchisenehmer verpflichtet sich in der Regel zur wirtschaftlichen Ausnutzung der Franchise, zur Führung seines Franchisebetriebes, zur Absatzförderung der systemgegenständlichen Produkte und Dienstleistungen, zur Teilnahme an Schulungen und sonstigen Veranstaltungen, zur Durchführung von regionaler Werbung, zur Duldung von Kontrollen, zur Einhaltung von Richtlinien des Franchisegebers und zur Zahlung von Gebühren an den Franchisegeber. In den meisten Franchisesystemen ist eine anfängliche Einmalzahlung ("Eintrittsgebühr") und laufende, umsatzabhängige Entgelte ("Franchisegebühren") vorgesehen. Hinzu können Werbegebühren kommen, die von dem Franchisegeber zum Zwecke der überregionalen Werbung verwaltet und eingesetzt werden. Die meisten wechselseitigen Pflichten lassen sich dem Dienstvertrags-, Geschäftsbesorgungs- und Pachtvertragsrecht zuordnen. Franchiseverträge enthalten häufig weitere Verpflichtungen, beispielsweise einen Kaufvertrag über eine Erstausstattung oder eine Geschäftseinrichtung, Abnahmeverpflichtungen (Bezugsbindungen) hinsichtlich der Vertragswaren, Regelungen zur Vermietung von bestimmten Gegenständen oder einen Softwarelizenzvertrag. Die meisten Franchiseverträge sehen relativ weitreichende Kontrollrechte des Franchisegebers vor, der die Einhaltung der Richtlinien und Einheitlichkeit der Betriebe überprüfen können muß. Zu weitreichende und sachlich nicht gerechtfertigte Kontrollrechte können allerdings rechtliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Einschränkungen hinsichtlich der Gestaltung einer Bezugsbindung sowie Preisbindungs- und Zweitkonditionenverbote ergeben sich aus dem Kartellrecht.

 

Diskutiert werden, unabhängig von den vertraglichen Regelungen, zur Zeit folgende ungeklärte Rechtsfragen: Die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Prospekthaftung auf die Prospekte des Franchisegebers, die Gewährleistungsrechte des Franchisenehmers bei Nicht- oder Schlechterfüllung durch den Franchisegeber (Minderungsrecht des Franchisenehmers), das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs analog Handelsvertreterrecht, das Bestehen eines Investitions- und Kündigungsschutzes zugunsten der Franchisenehmer, das Rechtsverhältnis zwischen Franchise- und Mietvertrag (für den häufigen Fall, daß der Franchisegeber auch als Vermieter des Franchisenehmer auftritt) und die Regeln im Rahmen der nachvertraglichen Abwicklung. In der Praxis treten außerdem immer wieder Probleme mit der Ermittlung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung auf. Festzustellen ist auch, daß manche Franchisegeber sogenannte "verdeckte Franchisegebühren" durch Preisaufschläge auf die Vertragswaren erheben, ohne daß dies vertraglich vereinbart ist. Eine solche Handhabung kann im Hinblick auf das Schriftformerfordernis in § 4 VerbrKrG (nach der Schuldrechtsreform, ab dem 01.01.2002: § 505 Abs. 2 BGB) weitreichende Konsequenzen für die Formwirksamkeit des Franchisevertrages haben.

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