Wanderlager
Als Veranstaltungen des Reisegewerbes unterliegen die Wanderlager dem Titel III GewO. Sondervorschriften für die Veranstaltung von Wanderlagern, auf die durch öffentliche Ankündigung hingewiesen wird, enthalten § 56a Abs. 1 und 2 GewO. Diese Sondervorschriften tragen der Tatsache Rechnung, dass bei den Wanderlagern die Gefahr unzulässiger Werbung besonders groß ist. Sie dienen der Bekämpfung unlauterer Wettbewerbsmethoden.
Begriff Wanderlager - festliegende Verkaufsstätten
Ein Wanderlager im Sinne des Gewerberechts wird veranstaltet, wenn im Reisegewerbe (also außerhalb einer etwaigen gewerblichen Niederlassung des Veranstalters und außerhalb des Messe- und Marktverkehrs im Sinne des Titels IV der Gewerbeordnung) zum Feilbieten von Waren (also nicht Dienstleistungen) oder zum Aufsuchen von Warenbestellungen vorübergehend eine festliegende Vertriebsstätte benutzt wird.
Abgrenzungen
Bei den an sich beweglichen Verkaufsstätten wie Kraftwagen und Schiffen stellt sich die im Einzelfall nicht immer leicht zu beantwortende Frage, wann von einer festliegenden Verkaufsstätte nicht mehr gesprochen werden kann mit der Folge, dass dann die Sonderbestimmungen des § 56a Abs. 1 und 2 GewO nicht mehr gelten und nur die sonstigen Vorschriften des Titels III Gewerbeordnung Anwendung finden. Nach der Verkehrsanschauung gehören diejenigen Fälle nicht mehr zu den Wanderlagern, die dem von jeher üblichen Feilbieten etwa mittels Ausrufens entsprechen, bei dem der Verkäufer zwangsläufig kurze Zeit an einem Ort bleiben muss, damit ihn die angesprochene Kundschaft überhaupt erreichen kann und bei dem normalerweise eine unzulässige Werbung nicht in Betracht kommt.
Vorübergehende Verkaufsveranstaltung
Auf der anderen Seite kann die Frage Schwierigkeiten bereiten, ob in einer festliegenden Verkaufsstätte nur eine vorübergehende Verkaufsveranstaltung und damit ein Reisegewerbe betrieben wird oder ob es sich um eine gewerbliche Niederlassung handelt (im letzteren Fall stehendes Gewerbe, Anwendung des Titels II und nicht des Titels III GewO). Eine Veranstaltung ist dann als vorübergehend anzusehen, wenn die Angaben des Gewerbetreibenden und ggf. die Begleitumstände nicht dessen Willen erkennen lassen, eine ständige oder in regelmäßiger Wiederkehr zu benutzende Niederlassung zu begründen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Nach dem Beschluss des BayVGH vom 07.02.1975 (GewArch. 1975, S. 121) „ist entscheidend, dass die Verkaufsstelle auf die einmalige Ausschöpfung eines bestimmten Kundenkreises angelegt ist“.
Für ein Wanderlager können sprechen:
- Abhaltung der Veranstaltung an mehreren Orten nacheinander
- Art und Einrichtung der Verkaufsstätte (ein fahrbereites Fahrzeug wird in aller Regel ein Indiz für das Reisegewerbe sein)
- kurz befristetes Verfügungsrecht über die Verkaufsstätte
- angekündigte Dauer der Veranstaltung usw.
Unregelmäßige Werbeveranstaltungen
Auf eine genau festgelegte Höchstdauer der Veranstaltung (wohl ab sechs Wochen) allein darf dagegen nicht abgestellt werden. Kein stehendes Gewerbe, sondern ein Wanderlager im Sinne des §56a GewO veranstaltet beispielsweise ein Gewerbetreibender, der in einem Kurort in dem Nebenzimmer einer bestimmten Gaststätte häufig, nämlich ein- oder zweimal im Monat an von Fall zu Fall mit dem Gastwirt vereinbarten Werktagen Werbeveranstaltungen für ein bestimmtes Erzeugnis in Verbindung mit Verkaufsgesprächen durchführt. Daran ändert auch nichts, dass das Gastzimmer mit der Bezeichnung als gewerbliche Niederlassung (Filiale) bei der Behörde angemeldet wurde (OLG Hamm, Urteil vom 17.12.1981, Az: 4 U 229/81, GewArch 1982, S. 130). Auch die sog. „Kaffeefahrten“ (siehe unten) dürften in aller Regel Wanderlager sein, soweit die Verkaufsveranstaltung im Inland stattfindet.
Öffentliche Ankündigung
Die Veranstalter von Wanderlagern wollen die Anzeigepflicht häufig dadurch umgehen, dass sie ihre werbenden Hinweise als „nicht öffentlich“ bezeichnen. Der Begriff „öffentliche Ankündigung“ ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift weit auszulegen (unbestimmte Vielzahl von Personen hingewiesen auf eine Veranstaltung ohne persönliche oder gegenseitige Verbundenheit). Auch persönlich gehaltene, aber ohne Namen und Adresse versehene Einladungskarten ändern nichts daran, dass eine solche Einladung „öffentlich“ ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 28.10.1980, Az: 2 Ss 538/80, GewArch 1980, S. 377).
Empfehlung: Wenn Sie feststellen, dass öfters derartige Veranstaltungen ohne Anmeldung stattfinden (ohne Ankündigung) und dies häufig in Gaststätten stattfindet, dann weisen Sie in einem Rundschreiben die Gaststättenbetreiber auf die gesetzlichen Verpflichtungen zum Wanderlager hin.
Anzeigepflicht des Veranstalters für Wanderlager
Nach § 56a Abs. 1 GewO ist die Veranstaltung eines Wanderlagers zum Vertrieb (Feilhalten oder Aufsuchen von Bestellungen) von Waren oder Dienstleistungen zwei Wochen vor Beginn der für den Ort der Veranstaltung zuständigen Verwaltungsbehörde anzuzeigen, wenn auf die Veranstaltung durch öffentliche Ankündigung (z.B. Plakate, Anzeigen, Rundschreiben – nicht: bloße Produktwerbung) hingewiesen werden soll. Die Anzeigepflicht umfasst Namen und Firma, Anschrift des Gewerbetreibenden, Art der Ware oder Dienstleistung (konkrete Bezeichnung), Ort und Zeit der Veranstaltung mit dem Gesamtinhalt nach § 56a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 3 GewO. Anzeigepflichtig ist der Veranstalter.
Im Zusammenhang mit solchen Veranstaltungen dürfen unentgeltliche Zuwendungen (Waren oder Leistungen) einschließlich Preisausschreiben, Verlosungen und Ausspielungen nicht angekündigt werden.
Reicht eine Postfachadresse als Anschrift des Gewerbetreibenden aus?
Um eine Irreführung des Publikums zu vermeiden sind in der öffentlichen Ankündigung die Art der Ware, die vertrieben wird, und der Ort der Veranstaltung anzugeben.
An Ort und Stelle darf das Wanderlager nur durch den in der Anzeige genannten Veranstalter oder einen von ihm schriftlich bevollmächtigten Vertreter geleitet werden. Die nach § 56a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GewO erforderliche Anzeige bei der zuständigen Behörde ist naturgemäß für Wanderlager, die im Ausland durchgeführt werden, nicht erforderlich.
Es gelten allerdings, wenn die öffentliche Ankündigung des Wanderlagers im Inland erfolgt, die Verbraucherschutzbestimmungen der GewO, insbesondere also die sonstigen Bestimmungen des § 56a GewO (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 25.08.1999, Az: Ss 205/99 II/116, GewArch 2000, S. 67).
Ordnungswidrigkeiten, behördliches Einschreiten durch Untersagen
Ordnungswidrigkeiten: Wer dem § 56a Abs. 1 GewO zuwiderhandelt, handelt nach § 145 Abs. 3 Nr. 6 bis 8 GewO ordnungswidrig. Reicht ein Bußgeldverfahren nach den erwähnten Bestimmungen nicht aus, dann prüft die zuständige Verwaltungsbehörde die Frage der Untersagung der Veranstaltung nach § 56a Abs. 2 GewO. Die zuständigen Behörden können durch Verwaltungsakt (Ermessensentscheidung) Wanderlager untersagen, wenn die Anzeige nicht rechtzeitig, nicht wahrheitsgemäß oder nicht vollständig erstattet wurde oder unzulässige Ankündigungen (z.B. unentgeltliche Zuwendungen oder Verlosungen) enthält. Die Behörde hat eine Zweitschrift der Anzeige nach §56a Abs. 1 Satz 1 GewO unverzüglich der Industrie- und Handelskammer zuzuleiten, in deren Bezirk das Wanderlager veranstaltet werden soll. Wer einer vollziehbaren Anordnung nach § 56a Abs. 2 GewO zuwiderhandelt, begeht ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit nach §145 Abs. 3 Nr. 9 GewO.
Konkurrenten können möglicherweise einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auf privatrechtlichem Wege geltend machen.
Wanderlager untersagen: Die Rechtsgrundlage für das Verhindern der Veranstaltung eines nicht oder nicht korrekt angezeigten Wanderlagers ergibt sich aus § 56a Abs.2 GewO. Diese Vorschrift gibt insgesamt vier Gründe vor, die eine Untersagung grundsätzlich rechtfertigen können:
- Die Anzeige erfolgt nicht rechtzeitig innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des Abs.1
- Die Anzeige erfolgt nicht wahrheitsgemäß.
- Die Anzeige wird nicht vollständig erstattet.
- Die öffentlich Ankündigung entspricht nicht den Vorgaben des Abs. 1.
Also wenn die Art der Ware oder Dienstleistung, die vertrieben wird oder der Ort der Veranstaltung in der Ankündigung nicht angegeben wird.
Beachten Sie, dass diese Entscheidung nach Ermessen zu treffen ist. Da es sich bei den Untersagungsgründen um lediglich formelle Vorgaben handelt, muss hier sorgfältig nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip abgewogen werden. Es bietet sich oftmals an, dem Veranstalter mit einer schriftlichen Aufforderung die Möglichkeit einzuräumen, den Verstoß zu korrigieren bzw. die fehlenden Angaben nachzureichen.
„Kaffeefahrten“
Wanderlager werden häufig im Zusammenhang mit sog. Kaffeefahrten veranstaltet. Diese Kaffeefahrten sind zwar nicht generell wettbewerbswidrig, verstoßen aber doch häufig gegen § 1 UWG, sodass sie von Konkurrenten und auch von gewerblichen Fachverbänden im Wege der zivilrechtlichen Unterlassungs- bzw. Schadensersatzklage verfolgt werden können (unabhängig von eventuellen Maßnahmen der Verwaltungsbehörden nach § 56a GewO).
Nach dem PersBefG können mithilfe von Omnibussen durchgeführte Kaffeefahrten unzulässig sein, wenn sie nicht den Begriff der „Ausflugsfahrt“ nach § 48 PersBefG erfüllen, weil der Schwerpunkt auf der Werbeveranstaltung liegt.