Herr Dr. Kreuz, Sie forschen auf allen fünf Kontinenten nach unkonventionellen und erfolgreichen Geschäftskonzepten und den Menschen, die dahinter stehen. Wie sind Sie auf diese außergewöhnliche Idee gekommen?
Peter Kreuz: Bis zum Jahr 2000 drehte sich unser Leben im Kreis. Anja war Managerin bei der Unternehmensberatung Accenture und ich Assistant Professor an der Wirtschaftsuniversität in Wien. Unser Denken und unser Handeln waren geprägt von der Theorie und Praxis der Normalität in großen Konzernen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes zum Thema strategische Innovation hatte ich die Chance, ungewöhnliche Menschen kennen zu lernen. Das waren echte Innovatoren und Querdenker, die es gewagt haben, Konventionen in Frage zu stellen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und damit viel erfolgreicher und glücklicher waren als alle Leute rechts und links um sie herum.
Nach und nach begannen wir beide, uns mit diesen Menschen zu umgeben, die geradezu zu sagen schienen: "Wir können die Welt verändern, unsere Spuren hinterlassen, unsere Zukunft gestalten und haben auch noch Spaß dabei." Der Funke sprang auf uns über und hat uns seitdem nicht mehr losgelassen. Und so war es nur konsequent, dass wir diese Begeisterung und Leidenschaft zu unserem Beruf gemacht haben. Heute sind wir als Managementberater, Autoren und Business-Querdenker tätig.
In Ihren Büchern rufen Sie Manager dazu auf, vertraute Konzepte und Strategien über Bord zu werfen und mehr Mut zu verrückten Ideen und außergewöhnlichen Denkweisen zu entwickeln. Wie können Manager zu Business-Querdenkern werden?
Anja Förster: Im Begriff Business-Querdenker steckt ein wichtiges Wort, nämlich "denken". Und das ist eine wesentliche Aktivität in diesem Zusammenhang. Neue Ideen zu entwickeln, funktioniert nicht nach dem Verfahren: und wo lassen Sie denken? Man kann diesen Prozess nicht an Berater outsourcen. Auch Benchmarking hilft da nicht weiter.
Sie brauchen dazu vier Dinge. Erstens einen unvoreingenommenen Blick auf bestehende Märkte und Zielgruppen. Zweitens den Mut, Branchendogmen konsequent in Frage zu stellen. Drittens das Rückrat, Neues auch umzusetzen, oftmals gegen die institutionalisierte Bedenkenträger und scheinbar unverrückbare ökonomische und gesellschaftliche Wahrheiten. Und viertens eine gehörige Portion Sturheit: Querdenker glauben an ihre Idee und setzen sie durch. Ihr Credo: Das Unmögliche ist oft auch das Unversuchte.
Wovon braucht man als Querdenker mehr: Verrücktheit oder Mut?
Förster: Sie brauchen beides. Verrücktheit, um zunächst einmal ungewöhnliche Gedanken abseits der Branchenkonvention zu denken und damit gegen bestehende Normen und Konventionen zu verstoßen - und den Mut, trotzdem an diesen festzuhalten. Nehmen Sie Ted Turner als Beispiel. Als er Anfang der achtziger Jahre mit seiner damals "verrückten" Idee für einen 24-Stunden-Nachrichtensender ankam, haben die etablierten TV-Kanäle in den USA nur den Kopf geschüttelt und ihn als Spinner abgetan. CNN wurde als "Chicken Noodle Network" abgetan. Es spricht für Turners Mut, dass er trotzdem an seiner Idee festgehalten und diese in die Tat umsetzt hat, auch wenn alle Experten das Scheitern des Experiments prophezeiten.
Ihre Definition einer lausigen Idee ist: "Sie hat keine Feinde in der Firma!" Wie überzeugt man als Querdenker seine Feinde bzw. Kritiker?
Kreuz: Sie brauchen Verbündete im eigenen Unternehmen. Einzelne Querdenker, die den Status Quo in Frage stellen und mit kühnen neuen Ideen aufwarten, kann man als Individuen einfach übersehen oder zur Seite drängen. Wenn es aber mehrere sind, dann ist es sehr viel schwieriger, sie auszubooten. Es ist auch für das eigene seelische Gleichgewicht gut zu wissen, dass man Verbündete hat und nicht alleine kämpfen muss. Denn Rückschläge sind unvermeidlich. Sie werden sicherlich einige Scharmützel verlieren, bevor Sie den Sieg für Ihre Ideen davontragen. Und noch etwas - vielleicht müssen Ihre Verbündeten nicht mal Kollegen sein. Wie wäre es damit, eine kluge neue Idee mit einem Kunden oder Zulieferer auf die Beine zu stellen?
Ihr Unternehmen ist seit knapp sechs Jahren erfolgreich - aber wie Sie so schön sagen: "Man darf sich auf seinen Erfolg nicht ausruhen" - was ist demnach in Ihrem Unternehmen verbesserungswürdig?
Kreuz: Wir sind das Unternehmen. Also müsste die Frage lauten: was ist an Ihnen verbesserungswürdig. Und glauben Sie mir, da fallen mir spontan so einige Dinge ein. Ich arbeite beispielsweise intensiv an einem coolen Lifestyle - dabei gibt es aber noch Optimierungspotentzial. Um ein Beispiel zu nennen. Wir leben in Heidelberg und haben ein Haus in Frankreich. Unsere Arbeit lässt es zu, dass wir, wenn wir nicht gerade bei einem Kunden vor Ort sind, irgendwo auf der Welt arbeiten können - also auch in Frankreich. Trotzdem habe ich viel zu häufig noch die alte Denke im Kopf, dass ich nur im Büro in Heidelberg richtig arbeite, was natürlich völliger Quatsch ist. Es geht mir selbst auch so. Die größte Herausforderung ist es, sich immer wieder aufs Neue die überholten Denkmuster vor Augen zu führen und mit diesen Konventionen zu brechen.
Ihr Buch "Different Thinking" war ein Erfolg. Jetzt legen Sie mit Ihrem neuen Buch "Alles, außer gewöhnlich" nach - auf welche radikalen Ideen und neuen Konzepte dürfen wir uns dieses Mal freuen?
Förster: Wir haben sehr viele positive Reaktionen auf unser Buch " Different Thinking " erhalten. Das war uns Verpflichtung und Ansporn zugleich. Wir denken, dass wir in vielen Menschen mit der Idee und den Konzepten des Business-Querdenkens etwas aufgeweckt haben, was ihnen schon geschlummert hat. Deshalb ist es aus unserer Sicht nur folgerichtig, dass wir das Konzept des Business-Querdenkens weiter fortgeführt haben.
Allerdings geht es in unserem neuen Buch " Alles, außer gewöhnlich " weniger um Unternehmen und deren Methoden des Querdenkens, sondern um die Menschen in diesen Organisationen. Wir zeigen Antworten auf die Frage auf: was muss ich tun, als Organisation, Team, Abteilung, Führungskraft oder Mitarbeiter, um in Zeiten eines sich mit voller Wucht entfaltenden Hyperwettbewerbs auf globaler Ebene auch morgen und übermorgen noch einen Job zu haben. Die Antwort: ich muss jeden Tag daran arbeiten, ein Querdenker, ein Innovator zu sein, um mit guten und ungewöhnlichen neuen Ideen einen echten Wertbeitrag für die Zukunft meiner Organisation zu leisten. Das ist unserer festen Überzeugung die einzige Überlebenschance. Business-Querdenken ist weit mehr als eine kreative Übung - es ist das Ticket in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft.
Frau Förster, Herr Dr. Kreuz, vielen Dank für das Gespräch.