förderland: Hallo Herr Marten, bitte stellen Sie sich doch kurz unseren Lesern vor. Was haben Sie vor der Gründung Ihres Start-ups, der Augmentation Industries GmbH, gemacht?
Alexander Marten: Gerne. Ich habe einen etwas bunteren Lebenslauf. Zuerst habe ich in Deutschland BWL studiert und anschließend für Henkel im Produktmanagement gearbeitet. Danach habe ich ein Juris DoctorProgram in den Vereinigten Staaten abgeschlossen und für Clifford Chance, Hengeler Mueller und Dewey LeBoeuf als Anwalt im Bereich M&A und IPO gearbeitet. Dann schließlich bin ich in die Unternehmensberatung gegangen und habe dort Stephan Kaufmann, den Mitgründer von Augmentation Industries kennengelernt. Zusammen haben wir die MAD-Technologie entwickelt und uns selbständig gemacht.
"Ziel des Unternehmens ist der Aufbau und Vertrieb der Mobile AssistedDriving (MAD)-Technologie", heißt es auf Ihrer Website. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Marten: Unsere "Mobile AssistedDriving" (MAD)-Technologie ist eine Technologie, die das Auto sozusagen ins Internet bringt und eine Schnittstelle für App-Entwickler bietet, die keine „Autosprache“ sprechen. Durch einen kleinen Adapter im Auto und das MAD-Framework auf dem Smartphone ist die Technik direkt einsatzbereit und bietet vielfältige Anwendungsgebiete – z. B.: ein automatisches Fahrtenbuch; einen Helfer, der entlang der Route automatisch die beste Tankstelle findet; eine Black-Box für Unfälle, um ggf. die Unschuld zu beweisen oder durch langfristigen Einsatz den Wert des Autos beim Wiederverkauf zu erhöhen. Ermöglicht wird dies dadurch, dass die MAD-Technologie Fahrzeugdaten für Apps zur Verfügung stellt. Damit wird eine Schnittstelle geschaffen, auf der Dritt- bzw. Crowd-Entwickler vielfältige Apps für eigene Anwendungsfälle programmieren können.
Wie ist die Idee zu MAD entstanden?
Marten: Die Idee ist eine gemeinsame Entwicklung. Ich habe 2010 einen Sportwagen, den "Ariel Atom", aus England importiert. Die Zulassungsverordnung in Deutschland besagt, dass jedes Auto, das 2001 oder später gebaut wurde, über eine OBD(On-Board-Diagnose)-Schnittstelle verfügen muss. Im Büro klagte ich Stephan mein Leid von den Nachrüstkosten über 2.500 Euro... Er hatte vorher bei Daimler und Porsche in genau diesem Bereich gearbeitet und erzählte mir sofort von der Wichtigkeit der OBD-Schnittstelle, was diese alles leiste und welche Daten dort anfallen. Ich selbst war damals in einem Kundenprojekt gerade dabei, für ein großes M-DAX Unternehmen eine Kundenkarte einzuführen – und beschäftigte mich dazu ebenfalls mit der Bedeutung von Daten.
Diese beiden Welten – Kundendaten und Diagnosedaten – haben wir dann im Kopf zusammengeführt und sind auf fantastische Anwendungsmöglichkeiten gekommen. Nur durch den intensiven Austausch und die Umstände zu dieser Zeit konnte die Idee entstehen.
Wie weit ist das Produkt entwickelt? Wann planen Sie die Markteinführung? Was sind weitere Ziele und Herausforderungen?
Marten: Das Produkt befindet sich aktuell in der Prototypenphase. Wir haben nachgewiesen, dass die Technologie funktioniert. Jetzt müssen wir mit unseren Kooperationspartnern einen Weg finden, den übergroßen Prototypen in ein winziges Format umzusetzen. Gleichzeitig vereinfachen wir die Software in mehreren Zyklen immer weiter, so dass der Endkunde ein Produkt erhält, das er selber in weniger als 3 Minuten in seinem Auto in Betrieb nehmen kann. Als Ziel haben wir uns die Markteinführung im B2B-Bereich für das dritte Quartal 2013 gesetzt, der B2C-Bereich soll nach Plan ca. 6 Monate später folgen.
Gibt es vergleichbare Technologien? Oder handelt es sich um eine "echte" Innovation?
Marten: Da gebe ich die beliebteste Juristen-Antwort: "Kommt drauf an". So wie wir die Idee konzipieren, gibt es keine vergleichbaren Technologien.
Zum einen muss man aber darauf hinweisen, dass die OBD-Technologie seit über 20 Jahren existiert und es selbstverständlich viele Anwendungsmöglichkeiten gibt – seit einiger Zeit auch in Verbindung mit dem Smartphone. Diese Technologien sind aber im Gegensatz zu unserer auf Diagnoseanwendungen begrenzt und dürfen im Straßenverkehr nicht genutzt werden. Zum anderen sind die Hersteller (OEMs) natürlich auch dabei, die Werthaltigkeit von Fahrzeugdaten im Fluss zu erkennen und verbauen dementsprechend in den neuesten Oberklassefahrzeugen vergleichbare Technik (Connected Car, iDrive, etc.). Diese ist aber auf Neufahrzeuge beschränkt und darüberhinaus herstellergebunden und proprietär.
MAD ändert dies: Fahrzeuge und Fahrer können damit untereinander, unabhängig von Marke und Typ, Daten austauschen.
Wie sieht es mit Patentschutz aus?
Marten: Das war der erste Schritt nach einer offenen Marktrecherche. Wir haben insgesamt vier internationale Patente angemeldet. Doch wir wollen uns nicht darauf ausruhen. Unsere IP-Strategie beruht daher auf mehreren Elementen: Neben dem juristischen Schutz ist Zeit ein entscheidender Faktor. Es ist unser erklärtes Ziel, die Entwicklung von Hardware, Software und Kunden schnell und parallel nach vorne zu treiben, so dass wir zum Teil sogar mit Kunden das Endprodukt abstimmen. Der juristische Schutz hilft uns, ist aber nicht die einzige Säule.
Kürzlich konnten Sie eine erfolgreiche Finanzierungsrunde vermelden: Der Seed Fonds II für die Region Aachen GmbH & Co. KG, die KfW und weitere Co-Investoren brachten frisches Kapital im siebenstelligen Bereich. Wie läuft die Zusammenarbeit? Wie werden Sie das Kapital investieren?
Marten: Die Zusammenarbeit läuft sehr gut. Der Seed Fonds Aachen (SFA) hat den Mehrwert unserer Technologie schnell erkannt. Stephan und ich haben uns über das Engagement seitens des SFA sehr gefreut, da uns die Herren nicht nur mit Geld sondern auch mit einem interessanten Netzwerk weiterhelfen konnten. Im Tagesgeschäft sind unsere Ansprechpartner immer für uns da, wenn wir etwas abzustimmen haben und kommen auch von sich aus mit hilfreichen Dingen auf uns zu.
Das Kapital werden wir zum Großteil in die Weiterentwicklung von Hard- und Software investieren. Dabei ist einer der wichtigsten Punkte, dass wir uns personell verstärken, um die Technologie weiterzutreiben und unsere Lieferanten immer wieder zu fordern. Damit werden wir das beste Produkt für unsere Kunden entwickeln.
Wie kam die Auswahl an Risikokapitalgebern zustande? Was war Ihnen wichtig?
Marten: Wir haben mit sehr vielen Venture Capital-Gesellschaften zusammengesessen und die Idee diskutiert. Berlin, Bonn, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Heidelberg, London, München – und eben Aachen. Wir haben uns die unterschiedlichsten Beteiligungsmodelle angehört und die Offerten gegenübergestellt. Am Ende kann man es aber immer wieder auf das harte "M4" – Menschen, Money, Mitsprache und Milestones – herunterbrechen. Sicher sind die Soft Facts (z.B. Netzwerk) nicht zu verachten, aber wie bei vielen Dingen machen sie halt nur einen Teil aus. Das große Ganze muss am Ende stimmig sein.
Konkret hieß das im ersten Schritt für uns: "Mit wem können wir uns vorstellen, die nächsten Jahre auf tagtäglicher Basis zusammenzuarbeiten?" Danach kamen die anderen Faktoren, also: Wie viel Geld bekommen wir für wie viel Anteil in welcher Zeit mit welchen Auflagen? Der Seed Fonds Aachen hat sich dabei sehr positiv von einigen anderen Investoren abgehoben, da man als Gründer nicht das Gefühl hatte, Bittsteller und allenfalls Juniorpartner zu sein. Es waren immer Verhandlungen auf Augenhöhe, mit dem Ziel für alle Beteiligten einen Weg zu finden, mit dem die Gemeinschaft leben kann.
Warum wird die Augmentation Industries GmbH erfolgreich sein? Und: wie definieren Sie Erfolg?
Marten: Das möchte ich umformulieren auf "Warum glauben wir an den Erfolg von unserer Idee?"
Wir haben ein einfach zu verstehendes und anzuwendendes Produkt, das im tagtäglichen Einsatz in vielen (autobezogenen) Bereichen helfen wird. Es wird im Endpreis bei ca. 50 bis 60 Euro liegen, beschäftigt sich mit den zwei liebsten Spielzeugen vieler Menschen (Autos und Smartphones) und kann dem Endanwender viel Geld einsparen. Wir finden genau diese Kombination unwiderstehlich und sind der Meinung, dass dies ein hervorragendes Rezept für Erfolg ist.
Was Ihre Frage nach der Definition von Erfolg angeht – hier möchte ich zwischen den Bereichen persönlicher und geschäftlicher Erfolg differenzieren. Geschäftlicher Erfolg ist es für mich dann, wenn wir mit unserer Idee ein erfolgreiches Geschäftsmodell aufgebaut haben und das Produkt im Markt Bestand hat. Persönlicher Erfolg hat sich meines Erachtens dann eingestellt, wenn wir einen Teil dazu beitragen, die Welt zu verändern. Ich persönlich möchte das schaffen, indem ich meinen Traum von der eigenen Unternehmung realisiere, indem ich mit Menschen arbeite, die ich mag und indem ich mit unserem Produkt Kunden einen echten Mehrwert für ihr Alltagsleben biete. Das ist der größte Erfolg, den man meiner Meinung nach haben kann.
Vielen Dank für das Interview!