In der ersten Kolumne habe ich beschrieben, dass das Team für den Erfolg eines Start-ups essentiell ist. Denn eine Idee ist nur so gut wie die Köpfe, die dahinter stecken. Darum sollte ein Gründer viel Wert darauf legen, die Passenden an sich zu binden. Doch wie essentiell ist der Vertrieb? Ich versuche mich auf ein paar Hauptpunkte zu fokussieren.
Frühzeitig an Vertrieb denken
Die Frage ist nicht, was im Bereich Vertrieb bei einem Start-up wichtig ist. Es ist vielmehr die Aussage: Vertrieb ist bei einem Start-up absolut entscheidend. Leider wird diese Tatsache oft übersehen oder gar missachtet. Insbesondere bei Technologie-Start-ups wird gerne zu spät und nicht intensiv genug an das Thema Vertrieb und Marketing gedacht. Ich bin der festen Überzeugung, dass in Deutschland viele gute und innovative Tech-Start-ups scheiterten, weil der Vertrieb und das Marketing zu kurz kamen. Es gab und gibt Start-ups, die over-enginieering betreiben und dabei vergessen, die Produkte zu vermarkten. Sie sterben mit schönen Entwicklungen. Das unterscheidet insbesondere US-amerikanische von deutschen Tech-Gründungen. Start-ups in den USA bevorzugen das Pareto-Prinzip und starten mit der Vermarktung der Produkte zum Teil früher als deutsche Start-ups.
Das Vertriebsteam
Die ersten Verkäufer sollten die Gründer selbst sein. Niemand kann besser das Start-up, die Vision, die Technologie und die ersten Produkte vermarkten als der Gründer. Zumindest einer der Jungunternehmer sollte ganz eng bei und mit den Kunden arbeiten und von ihnen Feedback erhalten. So kann er schnell reagieren und die Rückmeldung in die Entwicklung einfließen lassen. Nur wer als Gründer die Kunden versteht und das Vorgehen im Verkaufsprozess beherrscht, wird später die richtige Vertriebs-DNA einstellen.
Das Einstellen der ersten Vertriebsmitarbeiter ist eine wichtige und schwierige Aufgabe, die viele Stolpersteine birgt. Als Gründer und CEO sollte man stets daran denken: Ein Start-up braucht Kunden und Umsatz – keine Vertriebsmannschaft. Das Vertriebsteam ist ein Mittel zum Zweck. Also nicht massenhaft Verkäufer einstellen, sondern Schritt für Schritt die Vertriebsmannschaft erweitern. Wenn ein Verkäufer nicht passt, schnell reagieren. Denn er ist die "last mile" zum Kunden.
Vorsicht bei Vertriebsmitarbeitern und Vertriebsmanagern, die von großen Unternehmen kommen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Verkäufer, die bei Konzernen waren, eher Verteiler sind. Sie sind es gewohnt, dass sie einfach zu Terminen kommen, da ein großer bekannter Firmenname ihre Visitenkarte schmückt. Als Verkäufer bei einem Start-up lebt man ausschließlich von der eigenen Energie, Motivation und Überzeugungskraft. Die Kunden kennen das Start-up nicht, die Technologie ist neu und die Produkte sind ebenfalls unbekannt. "Corporate Guys" verzweifeln oft daran. Das Start-up muss sein Vertriebsteam vorsichtig und behutsam formen. Es sollte hart am Markt kämpfen und Erfolge gebührend feiern können.
Vertriebsprozess und -kennzahlen
Verkaufen ist ein Prozess, den der Gründer definiert und modelliert. Dabei sind viele, jeweils vom Markt, Produkt, Service und Kunden abhängige Parameter zu beachten. Um nur einige zu nennen:
- Transaktionsvolumen,
- Sales Cycle,
- Kundenbindungsrate,
- Anzahl der Top-Kaufinteressenten, die ein Verkäufer bearbeiten kann,
- Einmal- oder Mehrfachverkauf.
Es ist eine wichtige und laufende Aufgabe, die Vertriebskennzahlen und den Vertriebsprozess zu definieren und fortzuschreiben. Anhand dieser Modelle stellt das Start-up unter anderem das Vertriebsteam zusammen und organisiert es.
Fighting Guide
Ich bin ein Verfechter des Fighting Guides. Es ist ein Dokument, welches darstellt, wie vermarktet wird, an wen, mit welchen Argumenten, wie man auf Einwände und auf bestimmte Wettbewerber reagiert. Meiner Meinung nach ist der Fighting Guide ein relevantes Werkzeug. Der Fighting Guide passt sich laufend an. Je mehr Feedback das Team von Kunden und über den Wettbewerb erhält, desto besser und effektiver wird das Dokument. Er avanciert zum Handbuch für das Vertriebsteam eines Start-ups.
Definition von Zielgruppe und Buying Center
Als junges Unternehmen kann man nicht zeitgleich den gesamten Markt attackieren. Daher ist es wichtig, Zielgruppen zu definieren, die das Start-up als erstes adressiert. Die Abgrenzung dieser Zielgruppen kann anhand von verschiedenen Parametern (Budget, Wettbewerbssituation, vertikale Lösungen, potentielle Multiplikatoren, etc.) geschehen.
Die nächste Frage ist die nach dem internen Buying Center (Einkaufsgremium). Wer sind die internen Entscheider und Beeinflusser beim Kunden? Wer ist involviert? Wer besitzt das Budget? Wer könnte etwas gegen das neue Produkt haben? Wer ist der Promoter?
Sales-Pipe Management
Die Liste der potentiellen Verkaufstransaktionen (Sales-Pipe) sollte vom Vertriebsteam laufend neu bewertet und bereinigt werden. Hilfreich ist hierfür frühzeitig ein Kundenmanagementsystem (CRM), wie etwa salesforce.com, einzuführen. Der Vertrieb konzentriert sich auf qualifizierte und realisierbare Verkaufsmöglichkeiten. Das Marketing kümmert sich um den Rest.
Erfolge kommunizieren und feiern
Kommuniziert und feiert als Start-up jeden neuen Auftrag und Kunden. Das gesamte Team (Entwicklung, Backoffice und Vertrieb) muss teilhaben. Hängt also eine Glocke auf oder besorgt Euch eine Fanfare. Bei jedem Auftrag, bei jedem neuen Kunden oder beim Erreichen bestimmter Ziele ertönt diese Glocke oder Fanfare.
In der folgenden Kolumne schaffe ich einen Überblick über die Herausforderungen eines Start-ups, wenn es darum geht, den Markt zu erschließen.
Zur Person:
Olaf Jacobi ist Partner bei Target Partners in München und investierte in der Vergangenheit als Business Angel in junge Unternehmen im IT- und Internet-Bereich. 2005 gründete er Collax Inc. (Boston und München), die Linux-Serversysteme für den Mittelstand anbietet und leitete das Unternehmen bis Ende 2006 als CEO. Zuvor war Olaf Jacobi Investor und Vertriebsvorstand der Cobion AG (IT-Security Software), die 2004 erfolgreich an ISS Internet Security Systems Inc. (Atlanta) verkauft wurde.
Von 1999 bis 2002 gehörte er zum Vorstand der ACG AG (NEMAX 50). Von 1992 bis 1999 war Olaf Jacobi in verschiedenen Managementpositionen im IT-Sektor tätig, unter anderem als Senior VP Marketing und Mitglied der Geschäftsführung der Minolta GmbH.