Vorab sei bemerkt, dass natürlich nicht alle Chinesen, Deutsche oder Engländer gleich sind
Aber es gibt Verhaltensmuster, die sich in den einzelnen Kulturen über die Jahrhunderte und Jahrtausende herausgebildet haben. Die historische Entwicklung der nationalen Eigenheiten zu verfolgen, ist eine sehr spannende Sache.
In diesem Beitrag geht es darum herauszufinden, warum wir Deutsche im Ausland mal als zu direkt, mal gar als unhöflich bezeichnet werden – ohne dass wir selbst das so empfinden würden. Das zeigt sich in ganz bestimmten typischen Situationen, die im Folgenden dargestellt werden. Außerdem gibt es ein paar Tipps, wie wir unsere eingefahrenen Verhaltensmuster vielleicht ein wenig aufbrechen können.
Beispiel deutscher und chinesischer Kulturkreis
In Interviews mit deutschen und chinesischen Managern kommt es immer wieder zu Einschätzungen folgender Art: Die Chinesen seien "konfliktunfähig", "in ihren Aussagen zu vage und unklar", sie seien "unehrlich", es "fehle ihnen an Offenheit", sie "neigten zur Beschönigung", sie "könnten keine Fehler zugeben". Deutsche hingegen seien "ungeduldig", "unbeherrscht", "forsch und unhöflich", sie seien "starr und unflexibel", sie "verstünden nichts vom chinesischen Gesichtskonzept", sie "würden die Art der chinesischen Gesprächsführung nicht kennen", seien "zu wenig rücksichtsvoll" oder neigten zur "Unbescheidenheit".
Solche kulturellen Gegensätze können zu richtigen Konflikten führen. Auch die Körpersprache verrät einiges über die kulturelle Prägung: Wird nach dem westlichen Empfinden ein längerer, intensiver Blickkontakt als ganz normal betrachtet, kann er auf einen Chinesen bedrohlich, aggressiv und unhöflich wirken.
Beispiel deutscher und britischer Kulturkreis
Ähnlich wie die Deutschen sind auch die Briten konsens- und kompromissorientiert. "Common sense" gilt als Leitfaden. Fachliche Kompetenz, Fakten und Logik sind ausschlaggebend für das Ergebnis.
Allerdings unterscheiden sich die Wege, die zu einem Ergebnis führen, beträchtlich innerhalb beider Nationen. Sind die Deutschen eher an schnellen Resultaten interessiert, so brauchen die Briten Zeit, das Für und Wider einzelner gemeinsamer Aktionen oder finaler Abschlüsse abzuwägen.
Bringen Sie also Zeit mit, wenn Sie in ein britisches Meeting gehen. Selten werden Sie von einem Briten ein klares "no" hören. Schon eher erzählt er Ihnen eine Anekdote oder gibt solch nebulöse Antworten wie: "Das könnte eventuell ein bisschen schwierig sein!".
Seit Jahrhunderten stehen die Briten in regem Kontakt mit vielen unterschiedlichsten Nationalitäten. Sie mussten sich als Kolonialmacht sowohl mit den indischen Verhältnissen vertraut machen als auch mit afrikanischen oder asiatischen Gepflogenheiten zurecht kommen. Wer bereits Kontakt mit orientalischen Kulturen hatte, weiß, dass ein direktes "nein" oder ein zu klares ablehnendes Verhalten als absolut unhöflich empfunden wird. Um sich also vor zu konkretem Verhalten zu drücken, setzen die Briten ihren Humor ein.
Wie geht man jetzt als Deutscher mit dieser Verhaltensweise um? Primär ist bereits die Einstellung wichtig, mit der Sie in die Verhandlungen mit Briten gehen: Selbst wenn Sie unter Zeitdruck stehen, sollten Sie es sich nicht anmerken lassen.
Tipp: Versuchen Sie, mit ähnlichem Verhalten zu reagieren. Reagieren Sie auf ein besonnenes britisches: "Let's wait and see." mit einem ebenso besonnenen deutschen: "All right, until when shall we wait and what do we see then?". Sie werden daraufhin zwar keine Antwort bekommen, sondern nur ein anerkennendes Lächeln, dass Sie die britische Verhandlungstaktik verstanden haben. Diese Zusammenarbeit ist Ihnen so gut wie sicher.
Vielleicht legen Sie sich selber einige Anekdoten zurecht, die Sie bei gegebenem Anlass erzählen. Das schafft Nähe und Vertrauen. Bleiben Sie bei Verhandlungen genauso "cool" und entgegenkommend, aber nicht minder zäh, wie Ihr britisches Gegenüber. Sie werden sehen, dass Sie Ergebnisse erzielen, die für beide zufrieden stellend sind und langfristige Geschäftsbeziehungen ermöglichen.
Beispiel deutscher und spanischer Kulturkreis
Ganz wichtig zu wissen: Essen ist wichtig für Spanier. Nutzen Sie Einladungen zum Mittag- oder Abendessen, um die Geschäftsbeziehung zu intensivieren, und sprechen Sie über neutrale Themen. Ausschließlich über geschäftliche Angelegenheiten zu reden, gilt als unhöflich.
Beispiel deutscher und amerikanischer Kulturkreis
Vielleicht haben Sie schon selbst ähnliche Erfahrungen wie in einer der folgenden kritischen Situationen gemacht:
Frau Schmidt stellt in einer Besprechung mit den amerikanischen Chemikerkollegen ihre Idee vor, wie sie zusammen einen neuen Lack für S-Bahn-Züge entwickeln können, der Graffiti-Spray abweist. Hierfür sind sowohl im deutschen als auch im amerikanischen Labor Versuche nötig. Bei ihrem nächsten Treffen bringt sie die Versuchsergebnisse ihres Teams in Deutschland mit, von amerikanischer Seite liegen aber keine Ergebnisse vor.
Herr Johann hat sich gut auf seine Präsentation vor seinen amerikanischen Geldgebern vorbereitet. Nachdem er einleitend die hohe Qualität und die Entwicklung des Produkts vorgestellt hat und ausführlich auf den bisherigen Umsatz eingegangen ist, leitet er auf die Schwächen bisheriger Marketingstrategien über. Während er gerade den Bedarf einer neuen Marketingstrategie ausführt, merkt er, dass seine Zuhörer unruhig werden, in ihren Unterlagen blättern und ihm nicht mehr richtig zuhören.
Als Mister Jones von seiner Geschäftsreise nach Frankfurt zurückkehrt, erzählt er seinen amerikanischen Kollegen, dass er sich doch sehr darüber wundere, wie unhöflich zum Teil die deutschen Geschäftspartner sind.
In keinem der oben beschriebenen Fälle treten die angestrebten Ergebnisse ein; die Zusammenarbeit läuft nicht so wie erwartet. Was ist passiert?
Direkte trifft indirekte Sprache
In der deutsch-amerikanischen Kommunikation zeigt sich das typische Problem, wenn ein direkter auf einen indirekten Kommunikationsstil trifft. Der amerikanische Konversationsstil ist symmetrisch, mit einer geringeren Toleranz für Pausen. Man unterbricht sich nicht gegenseitig und ist persönlich weniger involviert. Deutsche hingegen sind wesentlich direkter, wenn sie ihre Meinung und Kritik äußern.
Hamburger Style of Management
Bei Diskussionen und Verhandlungen sollten die deutschen Geschäftspartner auf den amerikanischen „Hamburger Style of Management“ achten: Während Amerikaner ihre Kritik, das „Fleisch“, in weiches Brot packen, servieren die Deutschen nur das Fleisch.
US-Amerikaner tendieren zum so genannten „Padding“, nämlich ihre Aussagen in Watte zu packen und ihr Gegenüber zuerst positiv zu bestätigen.
Es ist gut möglich, dass Frau Schmidt sehr erfreut war über die positive Reaktion, dass ihre Idee sehr gut wäre, und die Bedeutung des "but", das danach folgte, nicht so ernst genommen hat. Die Amerikaner werden jedoch in diesem Nachsatz ihren Einwand eingeführt und erklärt haben, warum sie die Durchführung der Versuche als problematisch sehen und sie deshalb auch nicht durchgeführt haben. Frau Schmidt wird aber nach der positiven Bestätigung zu Beginn von einer Zustimmung seitens ihrer amerikanischen Kollegen ausgegangen sein.
Die Kunst des Small Talks
US-Amerikaner versuchen bei einem Treffen erst einmal, eine positive Beziehung zu den Geschäftspartnern herzustellen. Deshalb ist es in den USA üblich, zu Beginn einer Begegnung „Small Talk“ zu pflegen. Deutsche Kollegen hingegen leiten eine Begrüßung nicht unbedingt mit der Frage ein, wie es jemandem geht, und kommen sehr schnell zur Sache. Dies wirkt auf Amerikaner sehr unhöflich.
Der direkte Einstieg in die Sache von Seiten deutscher Kollegen wird deshalb häufig als starke Zurückweisung empfunden und stellt einen ungünstigen Start für ein Gespräch mit US-Amerikanern dar. Derartige Kommunikationsregeln hängen auch eng mit einem stärkeren Bedürfnis der US-Amerikaner nach sozialer Anerkennung zusammen.
Typisch deutsch: hart in der Sache
Da in Deutschland durch klarere hierarchische Strukturen die Stellung innerhalb der Gruppe stabiler ist, wird weniger Wert auf Harmonie gelegt. Durch harten Schlagabtausch und Diskussion um die Sache geht es darum, die Position zu wahren und glaubwürdig zu wirken („need to be credible“). Wenn amerikanische Manager nicht an das deutsche Diskussionsverhalten und die Formalitäten gewöhnt sind, kann es schnell passieren, dass sie sich angegriffen oder frustriert fühlen und sich aus der Diskussion zurückziehen.
Es sind oft die kleinen Gesten und unbewussten Angewohnheiten, die irritieren und missverstanden werden. Nutzen Sie Ihr kulturelles Wissen über Ihre eigene Kultur und die der anderen. Versuchen Sie zu verstehen, warum Ihr Gegenüber anders vorgeht, als Sie es gewohnt sind.
Das Mittagessen, das Wetter oder die letzte WM als Gesprächseinstieg kann den Boden bereiten für mehr Verständnis und Sympathie, vielleicht aber auch für einen guten Vertragsabschluss, mit dem beide Seiten vollauf zufrieden sind.