Controlling durch Einkauf
Controlling im Einkauf: Lieferantenpotentiale aufdecken
In Zeiten schwieriger Wirtschaftslage gewinnen Controlling Instrumente und -Maßnahmen eine besondere Bedeutung. Einkaufscontrolling sollte besonders in schwierigen Zeiten – neben der Abbildung von Ergebnisgrößen – stärker an der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der eigenen Lieferanten beteiligt sein.
Messung und Verbesserung der Leistung des Einkaufs
Mit einem professionellen Beschaffungsmanagement beschränken Sie sich heute nicht mehr nur auf die kostenoptimale Versorgung des Unternehmens mit Gütern und Dienstleistungen. Vielmehr sollten Sie in der Einkaufsfunktion bei der Suche nach Kostensenkungspotenzialen und Wettbewerbsvorteilen ein abwicklungsorientiertes und nach innen gerichtetes Verhalten beiseitelegen. Sie sollten sich neuen Möglichkeiten durch den direkten Fokus auf die Potenziale Ihrer Lieferanten öffnen.
Konzentrieren Sie sich auf die Lieferantenpotenziale
Um mit dem Einkauf kontinuierlich Potenziale nutzen und Leistungen verbessern zu können, müssen Sie den Einkauf und damit auch das Einkaufscontrolling zukünftig stärker auf die Nutzung der Potenziale Ihrer Lieferanten ausrichten.
Da in vielen Unternehmen die Fertigungstiefe mittlerweile unter 50 % liegt, d. h. der Anteil an zugekaufter Leistung überwiegt, ist es nicht verwunderlich, wenn ein durchgängiges Einkaufscontrolling einen enormen Effekt zum Unternehmensergebnis leisten kann.
Betrachten Sie nicht nur die eigene Umsetzungskapazität
Leider wird strategisches Einkaufscontrolling in vielen Unternehmen bisher aber immer noch nicht bzw. nicht systematisch durchgeführt. Die Möglichkeiten, Potenziale über Lieferanten zu generieren, werden meist ausschließlich auf Basis der vorhandenen Kapazität im Einkauf geplant. Verlassen Sie sich nicht nur auf die allzu groben Einkaufsziele. Betrachten Sie die Potenziale Ihrer Lieferanten mehr im Detail. Eine dezidierte Leistungs- und Ergebnisbeitragsplanung sowie -steuerung finden Sie heute nicht oder nur in sehr geringem Maße.
Ein Controlling der Lieferantenpotenziale oder der Prozess Gestaltung fehlt meist.
Potenzial-Controlling
In dem Moment, in dem Sie die Gestaltung des Einkaufscontrollings auf Lieferantenpotenziale ausrichten, setzen Sie einen entscheidenden neuen Hebel an. Sie schaffen sich die Möglichkeit, die Produktivität und der Gewinnbeitrag Ihres Unternehmens zu steigern, indem Sie Ihren Lieferanten genauer auf die Finger schauen.
Kosten-Nutzen-Verhältnis beachten
Trotz aller Möglichkeiten, die sich durch eine geänderte Art der Potenzialbetrachtung ergeben, sollten Sie gewährleisten, dass Sie auch bei der Einführung eines neuen Einkaufscontrollings in besonderem Maße auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis achten.
Entscheidende Erfolgsfaktoren
Bei der Gestaltung eines Einkaufscontrollings mit Fokus auf den Lieferantenpotenziale, haben Sie große Vorteile, wenn Sie
- zielgerichtet,
- inhaltlich einfach,
- stringent und
- strukturiert im Aufbau sind.
Ihre Messgrößen, sollten möglichst auch die Eignung zur Steuerung des Einkaufs mitbringen. Denn was nützt es Ihnen, wenn Sie schöne neue Kennzahlen oder Messgrößen haben, aber die Ergebnisse daraus nicht unmittelbar in Aktivitäten oder Maßnahmen übersetzen können?
Experten-Rat
Achten Sie besonders darauf, dass der einmalige Aufwand zu Anfang sowie der laufende so gering wie möglich gehalten wird. Dies gilt ganz besonders für den Aufwand zur Datengewinnung und -strukturierung.
Den Erfolg von Beginn an planen
Ein erfolgreiches Controlling der Lieferantenpotenziale generieren Sie im Wesentlichen aus dem Zusammenspiel Ihrer Einkaufsstrategie und den Erfolgsfaktoren Ihrer Lieferanten.
Den Erfolg bei der Nutzung Ihrer Lieferantenpotenziale können Sie deshalb vor allem mit folgenden Messgrößen in Ihrer Controlling- Tätigkeit überwachen und begleiten:
- Senkung der Materialkosten und Nebenkosten durch:
- Bündelungen auf wenige zuverlässige Lieferanten
- Auswahl der richtigen Sourcing Strategien
- Verhandlung von Preisen und Konditionen
- Senkung der Materialbestände innerhalb der gesamten Supply-Chain und der Kapitalbindung
- Vermeidung von Fehlteilen durch verspätete, qualitativ unzureichende oder nicht erfolgte Lieferungen
- Senkung der Wiederbeschaffungszeiten für Materialien
- Optimierung der Beschaffungsprozesse bezogen auf Größen wie Kosten, Zeit und Qualität • Reduzierung der Varianten zur Erreichung niedriger Beschaffungs-, Produktions- und Prozesskosten
- frühzeitige Einbindung der Lieferanten in die Technologie- und Produktentwicklung zur erfolgreichen Realisierung langfristiger Total-Cost-of-Ownership- Effekte
Durch Struktur zu mehr Transparenz
Mit der Konzentration auf die Lieferantenpotenziale können Sie über ein geschicktes Einkaufscontrolling eine ausgezeichnete Strukturierung vornehmen, um die Themenschwerpunkte zu unterstützen, zu beobachten und, wenn notwendig, darauf zu reagieren.
Es ergeben sich aus der Betrachtung der Lieferantenpotenziale im Wesentlichen vier Themenschwerpunkte für ein Einkaufscontrolling. Über diese vier Themenschwerpunkte lassen sich die Lieferantenpotenziale im Einkaufscontrolling fast vollständig darstellen.
Potenziale im Bereich Material
Da sich die Leistungen des Einkaufs überwiegend mit der erzielten Reduktion der Materialpreise, d. h. der direkten Materialien und der gekauften Sach- und Dienstleistungen beschäftigen, liegt in diesem Thema wahrscheinlich auch die größte Bedeutung. Ihre Fragestellung sollte sich deshalb auf die Klärung möglicher Potenziale zu den Materialkosten Ihres Lieferanten beziehen.
Potenziale im Bereich Bestandsoptimierung
Ziel der Bestandsoptimierung ist es, die durch den Einkauf bzw. die Beschaffung verantworteten Bestände so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig Fehlmengenkosten zu vermeiden. Ihre Fragestellung zu Potenzialen Ihrer Lieferanten in diesem Zusammenhang sollte sich deshalb mit der Vermeidung von Beständen und kurzer Reaktionszeit in der gesamten Supply- Chain beschäftigen.
Potenziale im Bereich der Prozesse
Ein wesentliches Thema kluger Einkaufsorganisationen ist sicherlich die Erreichung einer möglichst hohen Produktivität der durchzuführenden Tätigkeiten. Ein Controlling sollte sich einerseits mit den Prozesskosten der eigenen Prozessschritte beschäftigen, aber ebenso sollten Sie sich auch mit dem Potenzial der gesamten Prozesskette auseinandersetzen.
Konditionenmanagement
Das Ziel des Konditionenmanagements besteht zum einen darin, die Möglichkeiten, die sich aus einer passenden Zahlungszielgestaltung ergeben, möglichst optimal auszuschöpfen. Aber auch hier gilt, nicht nur die eigenen Zahlungs- und Lieferkonditionen im Blick zu haben, sondern sich auch mit den Konditionen der Lieferanten und den sich daraus ergebenden Potenzialen zu beschäftigen.
Schaffen Sie sich sinnvolle Messgrößen
Bei der Konzeption einer Abschöpfung von Lieferantenpotenzialen mithilfe des Einkaufscontrollings sollten Sie darauf achten, zu den verschiedenen Themenschwerpunkten auch eigenständige Messgrößen zu definieren. Nur mit deren Hilfe werden Sie die Erarbeitung der Lieferantenpotenziale auch planen, steuern und abarbeiten können. Einige Beispiele für Messgrößen zu den einzelnen Schwerpunkten sind die folgenden:
Messgrößen zu Potenzialen im Bereich Material
- allgemeine Veränderungen der Marktpreise für Rohmaterialien
- Verhandlungsergebnisse der Lieferanten mit den Vorlieferanten
- Bedarfsbündelungen schon auf Lieferantenebene
- Lieferantenwechsel beim Vormaterial
- Materialsubstitution durch Wertanalyse des Lieferanten
- Rationalisierungserfolge und KVP-Aktivitäten beim Lieferanten
- Vorschläge zur Materialstandardisierung von Lieferantenseite
- Transportkostenreduzierung durch den Lieferanten
Weil der Ergebnisbeitrag bei Materialpreisveränderungen hauptsächlich darauf basiert, inwieweit es gelingt, die Güter, Materialien und Dienstleistungen zu geringeren Preisen und besseren Konditionen zu beziehen, lohnt es sich, hierzu auch die Lieferanten genauer zu betrachten.
Ihre Materialpreisveränderungen sollten Sie durch Vergleich der Materialpreise zwischen zwei aufeinanderfolgenden Berichtsperioden auf der Basis der jeweiligen Materialnummer der Güter, Materialien und Dienstleistungen ermitteln. Verlangen Sie – wenn möglich – auch von Ihren Lieferanten hierzu entsprechende Informationen. Sie werden nicht immer eine Antwort erhalten, aber der Versuch und damit die Möglichkeit Potenzial zu erkennen, ist nicht „strafbar“.
Messgrößen im Bereich der Prozesse
Den gesamten Einkaufsprozess können Sie ohne Schwierigkeiten in einzelne Teilprozesse unterteilen. Interessant bei der Betrachtung der Lieferantenpotenziale sind hierzu allerdings die Schnittstellen zwischen dem eigenen Unternehmen und den Prozessen Ihrer Lieferanten.
Bei der Definition der erforderlichen Messgrößen sollten Sie stets darauf achten, dass Sie nicht nur eine Dimension (z. B. die Produktivität) messen, sondern darüber hinaus auch Leistungsfaktoren wie Zeit und Qualität berücksichtigen.
Beispielhaft für die Messung von Potenzialen an Schnittstellen können Sie nachfolgende Kennzahlen entsprechend einsetzen und überprüfen:
- durchschnittliche Wiederbeschaffungszeit bei Ihren Lieferanten
- Lieferzeit und interne Bearbeitungszeit zur Beschaffung eines Materials bei den einzelnen Lieferanten
- aktuelle Fehlteilequote mit Ihren Lieferanten (benötigte, aber nicht einsetzbare Materialien im Verhältnis zur Gesamtheit aller Materialien)
- Rücklieferungsquote Ihrer Lieferanten (Anteil der Materialien, die zurückgeliefert werden müssen, am gesamten Bedarf )
- Beanstandungsquote bei Ihren Lieferanten (Anteil der Materialien, bei denen qualitative Beanstandungen festgestellt wurden)
- Anzahl der Bestellungen pro Lieferant
- Anzahl der Lieferscheine pro Lieferant
- Anzahl der Rechnungen pro Lieferant
- Zeitaufwand pro Bestellung/Lieferschein/ Rechnung bei den einzelnen Lieferanten
Optimierung von Lieferantenbasis und -beziehungen
Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass führende Unternehmen im Lieferantenmanagement einen Prozess sehen, der neben Planungs- und Umsetzungsschritten auch Controlling Aktivitäten umfasst. Mit solchen Schritten erhalten Sie die Chance, die Hauptaktivitäten der Lieferanten so zu gestalten, dass Sie Lieferantenpotenziale bestmöglich ausnutzen.
Ziel all dieser Prozesse ist es, am Ende eine Lieferantenbasis zu erhalten, die langfristig den eigenen Anforderungen gerecht werden und dabei Potenziale nicht unbeachtet bleiben.
Markus Lemme