Die Kennzahlen und Rahmenbedingungen der Projekte im Portfolio sind also keine stabilen und vorhersagbaren Größen. Dazu kommen ganz entscheidende Fragen:
- Wo tun sich neue Marktchancen auf?
- Was passiert, wenn die Energie im Projekt abfällt?
- Personelle Engpässe sind fast schon Routine, wie können sie bewältigt werden?
- Wie lassen sich Konflikte zwischen Projekten oder zwischen Projekt und Linie lösen?
Um nichts Wichtiges zu übersehen, ist es sinnvoll, sensibel in Projekten "mitzuschwingen", Wechselwirkungen in einer immer komplexeren Realität nicht nur mit Zahlen, sondern auch per Gefühl oder mit neuen Instrumenten wahrzunehmen und Erfahrungen, Kompetenzen und Intuition zu nutzen. Für Führung geht es dann zum Beispiel darum, Konstellationen zu lesen.
Am Puls der Projekte mitschwingen und Wechselwirkungen erkennen
Um Projekte und ganze Portfolios jenseits von Kennzahlen gut zu führen, brauchen Führungskräfte einen ganzheitlichen Blick über sämtliche Stakeholder und alle Projekte, eine sensible Wahrnehmung der im Projekt relevanten Interessen sowie das Geschick, diese in die Projektlandschaft einzubeziehen. Machtkonstellationen und Einflüsse vom Markt wirken sich ganz entscheidend auf Projektportfolios und Prioritäten darin aus – sie zu erkennen und klug auszutarieren ist wesentlich. In vielen Projekten noch unüblich, aber von großem Nutzen ist deshalb eine andere Art von Stakeholderanalyse, und zwar unter den Gesichtspunkten:
- Wer hat welche Funktionen im und fürs Projekt und wo sind die wirklichen Einfluss-Kräfte?
- Welche Beziehungen zwischen den Beteiligten sind relevant?
Solche Konstellationen können dann auf ein Flipchart gezeichnet oder sogar im Raum aufgestellt werden. Damit entsteht ein Bild, das Dynamik und Komplexität besser abbildet als jede Checkliste und das somit näher an der Wirklichkeit ist.
Neue Anforderungen an Projektentscheider
Wenn sich Entscheider in großen Projektportfolios nicht mehr nur auf Checklisten und Kennzahlen verlassen können, wenn also "führen nach Zahlen" nicht mehr genügt, brauchen sie neue Herangehensweisen, um in den Projekten mitschwingen zu können. Vier Aspekte sind dafür ganz entscheidend:
1. Die innere Haltung: Neugier und konstruktive Interpretationsmuster
Wer sich nicht mehr nur auf Kennzahlen verlassen kann, braucht eine gute Intuition und muss auch Unsicherheiten aushalten können. Es gilt, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen!
2. Die Umgebung und die Beziehungen zwischen Einfluss-Faktoren beobachten
Was passiert und wie nehmen das die anderen Personen wahr, wie wird es interpretiert? Wer sich regelmäßig Fragen dazu stellt, erfährt mehr und kann aus seiner Umgebung regelrecht "ablesen".
3. Erfahrung
Um intuitiv handeln und entscheiden zu können, braucht "der Bauch" bekannte Handlungsmuster und Wahrnehmungsstereotype. Nur wer die Dinge ausprobiert und neue Methoden anwendet, kann Erfahrungen machen und für weitere Entscheidungen darauf zurückgreifen.
4. Austausch und strukturierte Reflexion
Der fachliche und methodische Austausch mit Kollegen, Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden ist die Voraussetzung, um ein Gespür für die Umgebung zu entwickeln und Konstellationen lesen zu können.
Projektportfoliomanagement braucht eine neue Sichtweise. Im schnellen Wandel und immer größerer Komplexität lassen sich viele Einflussgrößen nicht exakt berechnen und müssen dennoch bedacht werden – damit Entscheidungen beherzt mit Intuition und Weitsicht getroffen werden können, die auch günstige Wirkung haben.