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Gastbeitrag

Business Model Canvas & Co.: Die gefährlichen Verführer

(Bild: Fotolia) (Bild: Fotolia)

Ein Gastbeitrag von Eckhart Böhme

Heutzutage gibt es viele hilfreiche, moderne und visuelle Planungswerkzeuge für die Entwicklung von Geschäftsmodellen. Sie ersetzen jedoch nicht die Arbeit, die mit dem Entwickeln und Validieren einhergeht. Warum moderne Planungswerkzeuge, wie das Business Model Canvas, Value Proposition Canvas und Co. großartige Möglichkeiten bieten, oft aber falsch angewendet werden.

Wie entwickelt man ein profitables Geschäftsmodell?

Als Start-up-Gründer gilt es viele Dinge richtig zu machen: Für eine ausreichende Finanzierung sorgen, ein solides Team aufbauen, Pflichten gegenüber Behörden nachkommen, Marketingmaßnahmen durchführen, mit denen man aus der Masse heraussticht, etc.  Jede einzelne Aufgabe ist wichtig und kann über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

Einer Aufgabe, die aber zweifelsohne das Herz und Seele einer jeden Neugründung sein sollte, wird weiterhin zu wenig Beachtung geschenkt: die Entwicklung eines profitablen Geschäftsmodells, inklusive eines Nutzenversprechens (Produkt oder Dienstleistung), welches ein reales Bedürfnis erfüllt und später auch gekauft wird.

Scheitern als Normalfall

Laut eines Zeit Online-Artikels wird vermutet, dass mehr als 80 Prozent aller Start-ups innerhalb von drei Jahren scheitern. Laut Zeit Online ist auch das noch vergleichsweise gut, gemessen am Schicksal von Ideen. „Datengestützte Firmen wie Google oder Facebook testen nahezu alle Verbesserungsvorschläge …. Das Ergebnis aus Hunderttausenden solcher Tests: Rund 90 Prozent aller neuen Ideen sind schlechter als das, was schon da ist. Fiese Erkenntnis: Es ist verdammt hart, eine gute Idee zu haben. Und verdammt leicht, sich das Gegenteil einzureden.”

Drei Dinge braucht Mann/Frau

Damit eine Start-up-Idee auch funktioniert, sollte man folgende Dinge tun:

  • ein Geschäftsmodell entwickeln, welches einen Gewinn abwirft
  • ein Nutzenversprechen schaffen, welches Menschen effektiv hilft, Fortschritt im Leben zu machen
  • Aufgaben identifizieren, die Menschen erledigen wollen (sog. „Jobs to Be Done“), die sie heutzutage aber nicht oder nur unzureichend erledigen können

Diese drei Komponenten sollten unbedingt als Entwicklungsauftrag verstanden werden. Leichter gesagt als getan.

Was sollte man für die erfolgreiche Umsetzung der Geschäftsidee tun?

Einer der größten Fehler ist es, als gegeben anzunehmen, dass für seine Geschäftsidee ein (ausreichend großer) Markt existiert. Insofern ist diese Frage falsch gestellt. Denn es geht nicht um die Umsetzung einer Idee, sondern um die Weiterentwicklung oder des Verwerfens einer.

Es geht genauer gesagt um die Entwicklung eines validen Nutzenversprechens, d. h. der zu erbringenden Leistung. Das Nutzenversprechen kann auf der Ursprungsidee gründen. Es sollte idealerweise auf einer Idee basieren, die ein möglichst bislang unbefriedigtes oder unzureichend bedientes Problem löst, für das es einen ausreichend großen Markt gibt und in ein Geschäftsmodell eingebettet ist, welches profitabel ist.

Der Fluch populärer Planungswerkzeuge

Wenn Gründer ihre Planung durchführen, werden oft populäre Planungsmethoden und -werkzeuge, wie der Business Model Canvas , Value Proposition Canvas und andere Modelle herangezogen, um das eigene Geschäftsmodell zu beschreiben oder zu verfeinern. Hierbei sollte man nicht einer „Haken dran“-Mentalität verfallen, nach dem Motto „Sticker auf dem Business Model Canvas aufgeklebt“, fertig ist das Geschäftsmodell.

Denn oft wird ein wichtiger Punkt bei dem Einsatz dieser Werkzeuge übersehen. Sie sind zwar als Werkzeuge entwickelt worden, die die Planung und das Beschreiben der Geschäftsidee erleichtern sollen, sie verleiten aber auch durch ihre Einfachheit dazu, die Planung zu trivialisieren.

Nicht von schönen Modellen verführen lassen

Vielmehr sollte das Testen der Geschäftsidee und das Verändern oder Verwerfen eben dieser im Vordergrund stehen. Dieser überlebenswichtige Aspekt wird oft vernachlässigt oder gänzlich vergessen durchzuführen. Oft hat sich ein Gründer bereits in seine Geschäftsidee „verliebt“ und ist wenig offen, diese als bloße Hypothese zu begreifen; eine Hypothese, die erst noch auf Gültigkeit getestet werden muss.

Einer der Hauptanwendungen des Business Model Canvas und anderer Modelle sollte sein, alternative Geschäftsmodelle und Nutzenversprechen zu entwickeln und diese mit geeigneten Methoden zu testen und Hypothesen zu validieren. Entwickeln und Testen heißt in erster Linie lernen was funktioniert und was nicht.

Prozess schlägt Werkzeug

Die Verwendung eines guten, d. h. pragmatischen und visuellen Planungswerkzeugs, welches die Zusammenarbeit im Team ermöglicht, ist sinnvoll. Noch wichtiger ist, dass man einem Prozess, der zwischen Such und Ausführung unterscheidet, folgt, wie etwa dem Lean-Start-up-Prozess (siehe Abbildung). Ansonsten läuft man Gefahr, die Canvasse nur dazu zu benutzen, das eigene Geschäftsmodell zu manifesteren und sich damit in falscher Sicherheit zu wiegen. Eine testbare Idee ist besser als eine Gute, heißt es auch. 

Wie soll ich mein Geschäft weiterentwickeln?

Selbst wenn man anfänglich kommerziellen Erfolg mit seiner Idee hat, stellt sich irgendwann die Frage, wie es weitergehen soll. Etwa wie das Geschäft weiterwachsen kann, wie man neue Kunden ansprechen kann und wie man existierende Kunden bei der Stange hält.

Welche „Kundenerlebnisse“ soll ich meinen angestammten Kunden bieten, damit sie bei mir bleiben? Mit welchen weiteren Produkten oder Dienstleistungen kann ich weiter wachsen? Dieses sind keine trivialen Fragen. Auch gewachsene, etablierte Unternehmen kämpfen mit dieser Herausforderung. Um einen nachhaltigen Geschäftserfolg zu haben, sollte ich einem Prozess folgen, der ebendiese Fragen hilft zu beantworten.

Hunger nach Erkenntnissen

Man sollte eine Neugierde entwickeln bzw. kultivieren, die einem hilft, die Welt des (potenziellen) Kunden besser zu verstehen. Wenn man etwas beobachtet, was man sich nicht erklären kann, sollte man es halten wie Mr. Spock, der mit dem bekannten Ausspruch „Fascinating!“ ausdrückte, dass auf dem Weg zu einer Erkenntnis war.

Es gibt viele Methoden, von Verhaltensbeobachtungen bis zum Tiefen-Interview, welche angewendet werden können, um Erkenntnisse zu sammeln. Das Finden von wichtigen Erkenntnissen und Mustern entspricht dem Finden von Gold in unserer Zeit. Hierbei ist es zunächst sinnvoll herauszufinden, welche funktionalen, emotionalen oder sozialen Aufgaben Menschen in ihrem Leben erledigen wollen, unabhängig von Produkten oder der Dienstleistungen, die dies ermöglichen.

First Things First

Bevor man also nach Lösungen sucht, sollte man also das Problem finden, d. h. welchen Fortschritt ein Mensch in seinem Leben machen will, wie er/sie das heute erledigt (oder sein lässt), was ihm/ihr an der heutigen Lösung gefällt und missfällt und welche „Kräfte“ bei der Auswahl einer Lösung wirken. Diese Erkenntnisse helfen einem, nach einer Möglichkeit zu suchen, die die Aufgabe oder das Problem effektiver lösen als heutige Produkte und Dienstleistungen.

Eine Methode, die sich hier anbietet sind Interviews nach der „Jobs to Be Done“(JTBD)-Theorie. Diese Methode hilft beim Aufdecken unbefriedigter Bedürfnisse und des Erreichens des richtigen Verständnisses für das zu lösende „Problem“. Ein produktunabhängiges Verständnis und eine gänzliche Offenheit hinsichtlich der Lösung ist wichtig, denn die Lösung kann ganz anders aussehen, als ursprünglich gedacht.

Wie wird eine Wertschöpfung erzeugt?

Erst auf Basis dieser Erkenntnisse kann sichergestellt werden, dass eine Produkt- oder Dienstleistungsvision, die Problemstellung („Jobs to Be Done“) richtig adressiert. Idealerweise basiert die Idee auf sog. „High-Value Jobs“, die wichtig, greifbar, unbefriedigt und lukrativ sind. Hat man die Erkenntnisse gesammelt, für welche Aufgaben sein Produkt oder Dienstleistung „beauftragt“ werden soll, dann kann dies als „Nordstern“ dienen; nicht nur für die Funktionen und Vorteile der Lösung, sondern für die gesamte Erfahrung, die ein Kunde machen soll und für die zu lösenden Aufgaben, für die die eigene Marke stehen soll.

Alles Einstellungssache

Die richtige Einstellung und eine gehörige Portion Disziplin sind nötig, um den Prozess zu folgen und konsequent den Kurs der JTBD-basierten Kundenorientierung beizubehalten. Von seiner Bank, vom seinem Steuerberater und der IHK holt man sich als Gründer üblicherweise Rat.

Wenn man sich auch Rat von einem Geschäftsmodell-Berater oder -Trainer holen will, sollte man darauf achten, dass sich die Beratung nicht nur auf das Erlernen der Modelle bezieht, sondern und vor allem auf den Prozess der Erkenntnisgewinnung mittels Methoden, wie beispielsweise Jobs to Be Done-Interviews, Prototyping/MVPs testen, Geschäftsmodellhypothesen testen, Akzeptanz testen usw.

Autor: Eckhart Böhme

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