Beförderungsstelle muss „freigekündigt“ werden
Ein langjähriges Betriebsratsmitglied war in einer Druckerei beschäftigt. Der Arbeitgeber beschloss, die in der Abteilung des Beschäftigten anfallenden Tätigkeiten fremd zu vergeben.
Nach Erledigung diverser Rest- und Übergabearbeiten wurde der Beschluss in die Tat umgesetzt. Das Arbeitsverhältnis des Betriebsratsmitglieds kündigte der Arbeitgeber entsprechend aus betriebsbedingten Gründen.
Der Arbeitnehmer war der Ansicht, dass der Arbeitgeber ihn auf einer Stelle in einer anderen Abteilung weiterbeschäftigen könne. Der Arbeitgeber lehnte dies ab, weil es sich um eine Beförderungsstelle handelte.
Die dort eingesetzten Mitarbeiter seien höher eingruppiert. Das Betriebsratsmitglied klagte gegen die Kündigung.
Das Gericht gab ihm recht. Ein Arbeitnehmer habe zwar grundsätzlich bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung keinen Anspruch auf eine Beförderung – also Weiterbeschäftigung auf einer höherwertigen Stelle – bei der betriebsbedingten Kündigung eines Betriebsratsmitglieds aufgrund der Schließung einer Abteilung gelte dies jedoch nicht. Hier sei entscheidend, ob das Betriebsratsmitglied wegen seiner fachlichen Qualifikation tatsächlich in der Lage ist, den Arbeitsplatz zu besetzen. Da das Betriebsratsmitglied im Streitfall diese Fähigkeiten habe, sei die Kündigung wegen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einer anderen Abteilung unwirksam.
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.11.2007, Az.: 1 Sa 914/06
Die Quadratur des Kreises
Mitglieder von Betriebsverfassungsorganen genießen einen besonderen Kündigungsschutz nach § 15 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Danach darf das Arbeitsverhältnis eines
- Mitglieds des Betriebsrats (einschließlich Ersatzmitglieder),
- Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung,
- Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung,
- Seebetriebsrats- bzw. einer Bordvertretung und
- Wahlvorstand bzw. Wahlbewerbers
ordentlich nur aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden. Das Gesetz lässt hier aber nicht jeden betriebsbedingten Grund (wie z. B. Auftragsrückgang) zu, sondern akzeptiert die Kündigung nur in 2 Fällen.
So läuft die Kündigung bei einer Betriebsstilllegung
Wird ein Betrieb vollständig stillgelegt, so ist die ordentliche Kündigung eines Mandatsträgers unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung möglich. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.
Hohe Hürden auch bei der Schließung einer Abteilung
Wird ein Mandatsträger in einer Abteilung beschäftigt, die geschlossen werden soll, muss ihn der Arbeitgeber laut Gesetz in eine andere Abteilung übernehmen. Nur wenn dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist, kommt eine Kündigung in Betracht. Bezüglich des Kündigungstermins und der Kündigungsfristen gelten die gleichen Regelungen wie bei der Betriebsstilllegung. Die Gerichte muten dem Arbeitgeber bei der Prüfung, ob die Übernahme möglich ist, viel zu, weil die Kontinuität des Betriebsratsamts soweit wie möglich beibehalten werden soll.
Checkliste: Fehlende Übernahmemöglichkeit
Ja | Nein | |
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Ist eine Weiterbeschäftigung durch Umverteilung von Arbeit möglich? | ||
Kommt eine Weiterbeschäftigung nach Änderung der Arbeitsorganisation in Betracht? | ||
Ist eine Weiterbeschäftigung nach Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich? | ||
Kann die Kündigung durch Ausübung des Direktionsrechts (z. B. Versetzungen von anderen Arbeitnehmern) vermieden werden? | ||
Ist die Weiterbeschäftigung notfalls nach „Freikündigung“ eines anderen Arbeitsplatzes möglich? | ||
Ist der Mandatsträger in der Lage, einen höherwertigen Arbeitsplatz zu besetzen? | ||
Ist der Mandatsträger bereit, auf einem geringwertigeren Arbeitsplatz weiter zu arbeiten? |
Fazit: Nur wenn Sie alle Fragen mit Nein beantworten können, dürfen Sie einem Mandatsträger wegen der Stilllegung einer Betriebsabteilung kündigen.
Rauswurf als letzter Ausweg
Liegen die gerade beschriebenen betriebsbedingten Gründe nicht vor, können Sie das Arbeitsverhältnis von Mandatsträgern nur kündigen, wenn Sie einen wichtigen Grund zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung haben. In diesem Fall wird der besondere Kündigungsschutz noch dadurch ergänzt, dass der Betriebsrat nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) vor Ausspruch der Kündigung seine Zustimmung erteilen muss. Tut er dies nicht, dürfen Sie die Kündigung nicht aussprechen, sondern müssen bei Gericht die Zustimmung ersetzen lassen.
Redaktionsbüro Schneider