Ein Gastbeitrag von Lisa Shepherd.
Das Ende eines Experiments zu einem alternativen Arbeitszeitmodell in Schweden regt an, den Status quo zu überdenken. Eine Studie in Deutschland ergibt, dass auch hierzulande großes Interesse an einem kürzeren Arbeitstag besteht.
Der schwedische Sechs-Stunden-Arbeitstag
Nicht nur beim Thema Ernährung und Kindererziehung blicken wir oft zu skandinavischen Ländern wie Schweden, auch bei modernen Arbeitszeitmodellen sind sie Vorreiter. Vor kurzem ging ein Pilotprojekt in Göteburg zu Ende, bei dem Angestellte eines Altersheimes ihren Arbeitstag auf sechs Stunden reduzierten, ohne dabei Einbußen bei ihrem Lohn zu erhalten.
Das Ergebnis: Die Teilnehmer des Experiments waren nicht nur produktiver, sondern verzeichneten auch mehr Eigenmotivation und weniger krankheitsbedingte Fehltage.
Wie stehen deutsche Arbeitnehmer dazu?
Viking nahm das Experiment in Schweden zum Anlass einer Umfrage unter 1017 deutschen Arbeitnehmern. Das Ergebnis ist eindeutig: Über 50 Prozent der Befragten würde ein solches Modell befürworten, sogar ohne Lohnausgleich. Gerade jüngere Angestellte würden den Sechs-Stunden-Arbeitstag begrüßen, wie folgendes Diagramm zeigt:
Unter den 18-24-Jährigen sprechen sich 58 Prozent für das Sechs-Stunden-Arbeitsmodell ohne Lohnausgleich aus und nur 12 Prozent dagegen. Doch selbst bei den über 55-Jährigen stehen dem verkürzten Arbeitstag noch knapp die Hälfte der Befragten positiv gegenüber; nur weniger als ein Viertel sind dagegen.
Interessant ist auch, dass besonders Frauen (55 Prozent) Befürworter dieses alternativen Arbeitsmodells wären.
Die Gründe für die Befürwortung eines kürzeren Arbeitstages sind vielfältig
Die beiden Hauptgründe sind reduzierter Stress (meistgenannte Antwort von Frauen) und mehr Zeit mit der Familie (Top-Antwort der befragten Männer).
Über ein Drittel der Befragten rechnet mit einer besseren Work-Life-Balance. Weniger als ein Viertel befürchten, das Arbeitspensum bei zwei Stunden weniger Arbeit am Tag nicht zu schaffen.
Finanziell tragbar?
So weit so gut, doch ist ein solches Arbeitsmodell ökonomisch leistbar? Durchaus, meint Clemens Zierler, Geschäftsführer des Instituts für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik an der Johannes Kepler Universität Linz: "Ein positiver Effekt könnte eine höhere Beschäftigungsquote und damit geringere Arbeitslosenzahlen sein. Positiv für Unternehmen wird aus verschiedenen Beispielen auch oft eine höhere Produktivität von Unternehmen angeführt."
Die zusätzlichen Kosten, die durch die Mehranstellung für Arbeitgeber entstehen, könnten jedoch ein finanzielles Risiko darstellen. "Ökonomisch sinnvoll ist ein solches Modell also nur dann, wenn die damit verbundenen Produktivitätsgewinne (motiviertere und leistungsfähigere Mitarbeiter, die seltener krank sind und weniger Fehler machen) die höheren Kosten der Anstellung von mehr Mitarbeitern kompensieren", so Zierler.
Auf die Branche kommt es an
Bei der Frage nach den Branchen, in denen das schwedische Modell auf Erfolg stoßen könnte, nennt Experte Zierler "vor allem [in] Branchen mit starker Belastung" und jene, "in denen hohe Konzentration gefordert ist". Zierler erwähnt in diesem Zusammenhang den Gesundheitsbereich, in welchem das Pilotprojekt in Schweden durchgeführt wurde. Diese Einschätzung deckt sich mit den Studienergebnissen, wie folgende Grafik zeigt:
Zu den Top drei Befürwortern des Sechs-Stunden-Arbeitstages gehören in absteigender Reihenfolge Arbeitnehmer aus dem Bereich IT & Kommunikation (64 Prozent), Finanzdienstleistungen (60 Prozent) sowie Gesundheitswesen & Forschung (58 Prozent).
Fazit
Ob der schwedische Sechs-Stunden-Tag das Arbeitsmodell der Zukunft ist, bleibt fraglich. In einigen Branchen wäre es durchaus denkbar, in anderen finanziell untragbar. Fakt ist, dass sich die Mehrheit der Deutschen einen kürzeren Arbeitstag wünscht und bereit wäre, hierfür sogar Lohneinbußen in Kauf zu nehmen.