#1: Kritiker haben das Unternehmenswohl im Auge, und wenn sich diese These im ersten Blick auszuschliessen scheint
Wer sich besonders engagiert, aktiv und produktiv ist und sich reibungslos als Ja-Sager in das System Unternehmen einfügt, gilt bei vielen Chefs als guter und geschätzter Mitarbeiter. Kritiker sind dagegen unbequem und bei Chefs unbeliebt. Sie ecken an, ziehen womöglich noch die Kompetenz von Führungskräften in Zweifel, kratzen damit an deren Ego. Meist geht es diesen Kritikern gar nicht um ihren eigenen Vorteil, sondern vor allem um das Unternehmenswohl. Konstruktive Kritiker erkennen Missstände, benennen Fehlentwicklungen und raten dazu, rechtzeitig einzulenken oder neue Wege einzuschlagen. Das Feedback dieser unbequemen Mitarbeiter ist für Unternehmen unschätzbar wertvoll und setzt Veränderungen in Gang, die längst überfällig sind. Die notorischen Ja-Sager, immer noch die Lieblinge der meisten Chefs, sind dagegen in der Regel vornehmlich in eigener Sache unterwegs. Sie wollen ihr eigenes Fortkommen im Unternehmen nicht gefährden. Aus Angst, den Unmut von Unternehmenslenkern auf sich zu ziehen, schweigen sie selbst bei offensichtlichen Fehlurteilen dieser – wie die Untergebenen in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“: Hier traut sich erst ein Kind, die Wahrheit auszusprechen, dass der Kaiser in Wirklichkeit keine Kleider anhat.
#2: Kritiker sind schonungslos ehrlich, auch wenn dieser Persönlichkeitsanteil nicht unbedingt gut ankommt
Mutige Mitarbeiter, die auf Fehler aufmerksam machen und Ideen für positive Veränderungen haben, bringen Unternehmen voran – nicht die Ja-Sager. Vorgesetzte sollten daher dankbar sein, wenn die eigenen Mitarbeiter ihnen helfen, Missstände zu erkennen oder rechtzeitig die Weichen neu zu stellen. Doch in der Realität gilt oft immer noch: Bloß nicht den Chef kritisieren! Schuld daran sind eitle und kritikunfähige Führungskräfte, die konstruktivem Feedback im Wege stehen und so den Erfolg von Unternehmen gefährden. In den eigenen Leitlinien heißt es zwar oft, Vorgesetzte seien offen für Rückmeldungen und kritisches Feedback. Doch legt ein Mitarbeiter tatsächlich einmal den Finger in die Wunde, muss er befürchten, den Unmut seines Chefs auf sich zu ziehen und berufliche Konsequenzen zu erfahren, sprich Karriereknick, genannt auch Abstellgleis. Vorgesetzte sitzen bekanntlich am längeren Hebel. Die gängigen Bewertungsportale im Internet sind voll mit Kommentaren frustrierter Ex-Mitarbeiter, denen ein in seiner Eitelkeit gekränkter Chef den Garaus gemacht hat. Entsprechend hoch sind die Hemmschwellen für Mitarbeiter, als Kritiker im Unternehmen gegen den Strom zu schwimmen. Klarheit und ehrliche Worte sind im Zweifel aber für das Unternehmen wichtiger als vermeintliche Harmonie. Denn Vorgesetzte sollten nicht vergessen: In der Regel wissen ihre Mitarbeiter besser über einzelne Details in den Abteilungen Bescheid. Sie sehen eher, wo der Schuh drückt, was falsch läuft. Warum also nicht die Ideen und Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter nutzen, damit es dem Unternehmen besser geht? Chefs sollten den Mut von Kritikern schätzen, die sich selbst angreifbar machen, weil für sie das Wohl des Unternehmens an erster Stelle steht.
#3: Kritiker sind die Stützen des Unternehmens, auch wenn man vom genauen Gegenteil überzeugt ist
Gerät ein Unternehmen in die Krise, wird es für Mitarbeiter meist ungemütlich. Harte Einschnitte stehen an, so manche Karriereträume liegen erst einmal auf Eis. Jetzt schlägt die Stunde der konstruktiven Verbesserer, die eben noch als unbequeme Nörgler galten. Jetzt könnten sich genau diese mutigen Mitarbeiter als die wahren Stützen des Unternehmens erweisen. Denn Kritiker, die Fehlentwicklungen bereits aktiv angesprochen haben, sind in der Regel auch bereit, die zur Verbesserung der Situation notwendigen Herausforderungen aktiv anzugehen. Sie halten den Betrieb in schwierigen Zeiten aufrecht, sind zu Veränderungen und höheren Anstrengungen bereit und motivieren andere Mitarbeiter, eventuelle Durststrecken ebenfalls durchzuhalten. Die Ja-Sager wiederum, denen selbst bei den offensichtlichsten Missständen nie ein kritisches Wort über die Lippen kam, suchen meist schnell das Weite, wenn das Unternehmen ihrem Sicherheitsdenken nicht mehr entsprechen kann. Sie bewerben sich auf andere Jobs, um ihre Karriere weiter voranzutreiben. Die Hände machen sie sich nicht schmutzig.
#4: Kritiker leben Feedbackkultur, auch wenn sie keiner Norm entspricht
Junge Unternehmen leben im Arbeitsalltag vor, was etablierte Unternehmen meist erst noch lernen müssen: flache Hierarchien und einen offenen, regelmäßigen Austausch. Zu einer gesunden, zeitgemäßen Unternehmenskultur gehört auch eine entwickelte Feedbackkultur. Probleme, aber auch Statusmeldungen zu laufenden Projekten sind offen zu kommunizieren. Das Ziel sollte eine vertrauliche Atmosphäre sein, in der jeder Mitarbeiter seinen Beitrag leistet, Störfaktoren angesprochen und gemeinsam angegangen werden und Mitarbeiter sich und ihre Fähigkeiten voll entfalten können. Mehrere Studien belegen: Regelmäßige Rückmeldungen durch Vorgesetzte stehen in einem direkten Zusammenhang mit der Zufriedenheit der Mitarbeiter und deren Verbundenheit mit dem Unternehmen. Nur wenige Chefs holen sich jedoch gezieltes Feedback von ihren Mitarbeitern zu ihren eigenen Leistungen und ihrem Führungsverhalten ein. Es gibt vielfach überhaupt keine Feedbackkultur. In einer offenen Unternehmenskultur ist aber auch dies wichtig. Dem Chef Rückmeldung zu seinen Zielen zu geben, ihn auch auf Fehler hinzuweisen und so Prozesse und Projekte in andere, möglicherweise erfolgversprechendere Richtungen zu lenken, fördert nämlich ebenfalls maßgeblich die Zufriedenheit von Mitarbeitern. Und von der Zufriedenheit der Beschäftigten hängt bekanntermaßen zu großen Teilen auch der Erfolg von Unternehmen ab: Nur Mitarbeiter, die sich wertgeschätzt fühlen und sich voll mit ihren Potenzialen einbringen können, machen im Wettbewerb der Unternehmen den entscheidenden Unterschied und gehen die Extrameile, die das eigene Unternehmen nach vorne bringen. Es lohnt sich daher für Chefs, Kritik gezielt zuzulassen und sogar einzufordern.