Wenige Tage alte Baby beginnen zu weinen, wenn sie andere Babys weinen hören. Von hellem Kinderlachen fühlen wir uns wie magisch angezogen – und lachen gerne mit. Wir verziehen unser Gesicht, wenn wir sehen, wie sich ein anderer (beinahe) verletzt. Dieses Mitfühlen ist uns angeboren. Menschen übernehmen automatisch Gefühle voneinander, die Emotionen gleichen sich an.
Und, welch gute Nachricht, die positiven Gefühle breiten sich dabei leichter aus! "Gute Laune ist ansteckend", sagt wissend der Volksmund. Immer dann, wenn wir Kontakt mit anderen Menschen haben, schalten sich unsere Hirne zusammen. Der gesunde Menschenverstand weiß dies schon lange und spricht von gleicher Wellenlänge.
Das Geheimnis der Spiegelneuronen
Erst seit ein paar Jahren wissen wir, was dabei im Hirn passiert: Spiegelneurone werden aktiv. Im Jahr 1992 entdeckte ein Forschungsteam der Universität Parma unter Giacomo Rizzolatti bei Versuchen mit Affen eher zufällig dieses Phänomen. Später wurden Spiegelneurone in immer größerer Zahl auch bei Menschen entdeckt, sogar in unseren Schmerzzentren. Und so spüren wir den Schmerz der Anderen in uns selbst. Wir leiden mit - und wollen helfen.
Spiegelneurone, so der Psychoneuroimmunologe Joachim Bauer, sind "Nervenzellen, die im eigenen Körper ein bestimmtes Programm realisieren können, die aber auch dann aktiv werden, wenn man beobachtet oder auf andere Weise miterlebt, wie ein anderes Individuum dieses Programm in die Tat umsetzt." Das heißt, wir erleben, was andere fühlen, in einer inneren Simulation. Wir sind so verdrahtet, dass wir mit denen mitschwingen, die um uns herum sind. Dies führt oft zu emotionaler Ansteckung, zu spontaner Imitation, zum Gleichschritt und zur Kopie von Duktus und Habitus.
Solch eine Reaktion hat einen enormen Überlebenswert. Wenn andere Angst zeigen, kann es gute Gründe geben, selbst ebenfalls auf der Hut zu sein. So entwickeln wir, wenn wir ein ängstliches Gesicht sehen, in uns die gleiche Erregung, wenn auch weniger intensiv. Auf diese Weise entsteht übrigens Massenpanik. Die Gehirne schalten auf Frequenz und beginnen, im gleichen Takt zu ticken. Auch bei Verliebten und langjährigen Freunden und sogar bei Hund und Herrchen oder Frauchen ist das gut zu beobachten.
Spiegelneuronen ermöglichen Empathie
Spiegelphänomene machen alle erdenklichen Situationen vorhersehbar. Sie befördern uns innerlich in einen dem beobachteten sehr ähnlichen Zustand und wir ahnen, was passiert. Das Ergebnis nennen wir emphatische Intuition. Sie kann uns Auskunft darüber geben, wie sich eine andere Person wahrscheinlich gerade fühlt und was sie als nächstes tun wird. Sie schützt uns nicht vor Irrtümern, kommt aber der Realität oft sehr nahe. Spiegelzellen zu haben, die tatsächlich spiegeln, ist sowohl im Mitarbeiter- als auch im Kundenkontakt äußerst hilfreich. Fehlendes Einfühlungsvermögen hingegen ist eine bedeutende Ursache für inkompetentes Führungsverhalten und schlechte Verkaufsergebnisse.
Von unseren Mitmenschen verstanden zu werden ist letztlich nichts anderes als das Ergebnis gut trainierter Spiegelneurone. Die Gefühle anderer nachempfinden und angemessen darauf reagieren zu können, scheint eine Schlüsseleigenschaft beim Aufbau von Sympathie und Vertrauen zu sein. Wir empfinden ein Gespräch als gelungen, wenn unsere Gedanken in Einklang sind und im Gleichschritt tanzen.
Selbst ein kontroverser Dialog wird als befriedigend erlebt, wenn er achtsam und respektvoll geführt wurde. Wer allerdings immer nur mit sich selbst und dem beschäftigt ist was er sagen will, kann nicht auf andere eingehen und hinterlässt ein ungutes Gefühl. Für geglückte Spiegelungen hingegen werden wir von unserem eigenen Körper – und schließlich auch von unseren Mitmenschen – belohnt.
Über Vormacher und Nachmacher
Nachdem also jede Art von Gefühlen ansteckend ist, sollten wir uns gut überlegen, von wem wir uns anstecken lassen. Dies betrifft den privaten Bereich genauso wie das Arbeitsumfeld. Spiegelneurone erklären wohl auch das Entstehen von Gruppenzwängen innerhalb einer Unternehmenskultur, in der bald alle - wie geklont - auf eine mehr oder weniger ähnliche Weise agieren. Die wenigsten unter uns sind nämlich Vormacher, die meisten sind Nachmacher.
So schlägt sich die Stimmung des Chefs unmittelbar auf die Performance der Mitarbeiter nieder. Und die Vorbildfunktion der Oberen erscheint nun in einem ganz neuen Licht. Deren Tun färbt maßgeblich auf alle im Unternehmen ab. "Es dauert keine 14 Tage", hat der gute alte Sam Walton, Gründer von Wal-Mart, einmal gesagt, "dann behandeln die Mitarbeiter ihre Kunden genauso, wie sie selbst von ihrem Chef behandelt wurden."
Und auch beim Verkaufen gilt: Zwischenmenschliche Beziehungen lenken sehr stark, was wir für gut oder schlecht befinden. Manches erscheint uns nur deshalb begehrenswert, weil andere es haben – oder wollen. Dabei rücken zunehmend solche Kunden in den Fokus, die als Meinungsmacher und Referenzgeber fungieren. Ihr Urteil beeinflusst das Konsumverhalten ganzer Gruppen. Denn viele hören erst mal, was "Influencer" und "Opinion-Leader" zu sagen haben. Ein Hinweis, der insbesondere im Empfehlungsmarketing sehr nützlich ist.