Die meisten Erwerbstätigen in Deutschland sind in mittelständischen Unternehmen beschäftigt. Die deutsche Wirtschaft ist traditionell stark mittelständisch geprägt. Und der deutsche Mittelstand trägt bundesweit die Hauptlast bei der Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Im viel zitierten "war for talent" haben viele mittelständische Unternehmen allerdings einen schweren Stand.
Laut MIND-Studie haben die mittelständischen Unternehmen in Deutschland 53.000 offene Stellen mit Fach- und Führungskräften zu besetzen (1). Sehr deutlich zeigt sich der Personalengpass bei Ingenieuren. Nach Angaben des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) sind 2006 insgesamt 18.000 Ingenieursstellen vakant, 30% mehr als im Vorjahr (2).
Allein dem Maschinenbau fehlen 7.000 Fachleute. Wie der Branchenverband VDMA ermittelte, müssen schon 41% der Maschinen- und Anlagenbauer ihre Aufträge teilweise durch Fremdfirmen abwickeln lassen, weil ihnen Fachkräfte fehlen. 11% mussten schon Arbeit ins Ausland verlagern. Selbst bekannte Arbeitgeber wie Airbus können nicht alle freien Stellen besetzen und laufen Gefahr, mangels Kapazität Marktanteile zu verlieren (3).
Fach- und Führungskräftemangel – bei steigenden Anforderungen
Trotz anhaltender Massenarbeitslosigkeit ist das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften bereits ausgedünnt, und speziell der Nachwuchs wird knapp. Die demografische Entwicklung heizt den Trend noch an: Bis 2015 wird es gut ein Viertel weniger verfügbare Arbeitskräfte im Alter zwischen 30 und 45 Jahren geben als 2006. Bereits 2010 werden 58 Prozent aller Beschäftigten über 40 sein.
Für den Mittelstand kommt noch hinzu: Auf dem Arbeitsmarkt steht er in direktem Wettbewerb mit den Konzernen, die über zugkräftige Markenimages verfügen und attraktive Konditionen bieten. Das Ergebnis: Dem Mittelstand wird teilweise der Talentnachschub abgegraben. Eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens Universum Communications unter 11.600 Studenten ergab für 2006 ein ähnliches Bild wie schon in den Vorjahren: Uni-Absolventen favorisieren einen Berufseinstieg bei BMW, Siemens, Porsche oder McKinsey (4).
Gleichzeitig werden aber Know-how und Talent bei mittelständischen Unternehmen immer dringender gebraucht, denn in den meisten Branchen steigen die Anforderungen kontinuierlich. Beispielsweise reichen viele Konzerne einen Teil ihres Preisdrucks an die Zulieferer weiter oder lagern immer komplexere Teilleistungen ganz an sie aus. Im Rahmen des globalen Wettbewerbs müssen viele Mittelständler auch dem Trend zur Internationalisierung folgen. Generell müssen sie schneller, flexibler und innovativer sein als je zuvor. Das betont auch Mario Ohoven, Präsident des BVMW: "Von der künftigen Versorgung mit qualifizierten Mitarbeitern hängen Know-how, Innovationskraft und Leistungsfähigkeit der mittelständischen Unternehmen ab."
Zwar verfügen heute viele mittelständische Unternehmen über eine hohe Arbeitgeberqualität, leiden aber an einem unzureichenden Arbeitgeberimage. Deshalb trifft sie der sich zuspitzende Fach- und Führungskräftemangel hart. Ohne gutes Personal jedoch kann der Mittelstand die wachsenden Herausforderungen kaum bewältigen. "Mit einer strategisch fundierten, positiv besetzten Arbeitgebermarke", so Verbandspräsident Ohoven, "können auch Mittelständler dafür sorgen, dass aus diesen Herausforderungen keine strategische Bedrohung wird."
Nicht nur für Konzerne: Dank Employer Branding als Arbeitgeber wettbewerbsfähig sein
Konsequentes und professionell gemachtes Employer Branding hilft, personalbedingte Wettbewerbs- und Wachstumsdefizite zu beheben. Es macht ein Unternehmen zur attraktiven Arbeitgebermarke, positioniert es nach innen wie nach außen als "Employer of Choice". Dies gilt nicht nur für Konzerne. In der Tat können auch mittelständische Unternehmen zu wirtschaftlich interessanten Bedingungen ein Employer Branding auf Konzernniveau erreichen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit als Arbeitgeber deutlich steigern und festigen.
Viel mehr als Personalmarketing
Ein strategisch fundiertes Employer Branding entfaltet positive Wirkungen entlang der gesamten HR-Wertschöpfungskette, nicht nur im Personalmarketing, auf das es in Deutschland häufig reduziert wird. In fünf Hauptwirkungsbereichen, die untereinander in Wechselwirkung stehen, generiert Employer Branding Wettbewerbsvorteile auch für mittelständische Arbeitgeber: Bei der Mitarbeitergewinnung, der Mitarbeiterbindung, der Unternehmenskultur, bei Leistung und Ergebnis sowie der Unternehmensmarke.
Employer Branding steigert die Erfolgsaussichten beim Recruiting ebenso wie die Qualität und Passgenauigkeit der Bewerbungen. Der Arbeitgeber findet somit die fachlich wie persönlich am besten geeigneten Kandidaten und minimiert das Risiko von Fehlbesetzungen. Dies führt nicht nur zu einer Senkung des Aufwands für die Personalbeschaffung, sondern hilft auch, die Fluktuation und die damit verbundenen Kosten zu reduzieren. Schließlich können die Kosten für die Besetzung einer Führungsposition oder einer Schlüsselfunktion rasch auf sechsstellige Höhe anwachsen. Das Schweizer Personalmanagement-Magazin HR Today beziffert die offenkundigen und versteckten Fluktuationskosten für den Ersatz einer Fachkraft auf zwei Jahresgehälter (5).
Dank des längeren Verbleibs der Arbeitnehmer profitiert das Unternehmen länger von den Effekten der Personalentwicklung (Return on Development). Außerdem verbessert Employer Branding die Leistungsbereitschaft und erzielt ein starkes Commitment der Arbeitnehmer mit den Zielen und der Marke des Unternehmens, was sich positiv auf das Unternehmensimage auswirkt und sogar in überdurchschnittlicher Kundenzufrieden heit und Umsatzsteigerung auszahlt, wie Studien aus Großbritannien und den USA zeigen (6).
Aufgrund dieser und anderer belegbarer Effekte amortisieren sich die Investitionen in den Aufbau einer starken Arbeitgebermarke deutlich und verbessern die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig.
Bedarfsgerechte Lösungen für den Mittelstand
Am stark fortgeschrittenen Employer Branding renommierter Konzerne wie z. B. DaimlerChrysler orientieren sich viele Mittelständler. Diese Benchmarks machen deutlich, dass Employer Branding immer eine strategische Basis braucht, auch wenn die Anforderungen von mittelständischen Unternehmen in Teilen anders aussehen als die von Konzernen.
Allerdings kann ein mittelständisches Unternehmen Employer Branding nicht so betreiben wie Konzerne. Es sind spezifische Ansätze gefragt, um die Nutzenvielfalt des Employer Brandings im konkreten Fall zu aktivieren. Darauf weist unter anderem Stefan Ullrich hin, Personalmanager bei der Sachsen LB: "Hier ist es sicherlich hilfreich und fruchtbar, wenn ein Berater auf den Mittelstand zugeschnittene Lösungen präsentieren kann."
Tatsächlich gibt es gerade unter Personalverantwortlichen im Mittelstand den Wunsch, das Thema Employer Branding fachlich weiter zu vertiefen. Nicole Slenczka von der Webasto AG – 2005 im Capital-Ranking „Deutschlands Beste Arbeitgeber“ unter die Top 50 gewählt – formuliert es ganz konkret: "Wünschenswert wären ein größeres Literaturangebot, ein Know-how-Pool, die Möglichkeit zum Praxisaustausch und qualifizierte Fortbildungsangebote zum Thema."
Die aktuellen Rankings zeigen, dass es mehr und mehr auch mittelständischen Unternehmen gelingt, sich mittels einer professionell entwickelten Arbeitgebermarke als "Employer of Choice" zu profilieren und gegen starke Konkurrenten im "hunt for talent" zu behaupten – oft mit unkonventionellen Mitteln. Sie zeigen auch: Die systematische Optimierung der Wettbewerbsfähigkeit als Arbeitgeber ist auch für mittelständische Unternehmen die große Chance, die im Employer Branding liegt.
Die 22 direkten positiven Effekte von Employer Branding in der Übersicht
Mitarbeitergewinnung
1. Arbeitgeberattraktivität wird erhöht
2. Bewerberpassung wird verbessert
3. Personalbeschaffungsaufwand und Recruitingkosten werden reduziert
Mitarbeiterbindung
1. Mitarbeiterzufriedenheit wird verbessert
2. Identifikation wird gestärkt
3. Know-how wird gebunden
4. "Return on Development" wird erhöht
5. Fluktuationskosten werden gesenkt
Unternehmenskultur
1. Werte werden erlebbar gemacht
2. Arbeitsklima wird verbessert
3. Krankenstand wird gesenkt
4. Zusammenhalt wird gestärkt
5. Interne Kommunik. wird effektiver
Leistung und Ergebnis
1. Arbeitsergebnisqualität steigt
2. Leistungsmotivation wird verbessert
3. Mitarbeiterloyalität wird erhöht
4. Commitment mit den Zielen des Unternehmens wird erhöht
5. Eigenverantwortung wird gestärkt (Organizational Citizenship Behaviour)
6. Führungsaufwand wird gesenkt
Unternehmensmarke
1. Unternehmensimage wird gestärkt
2. Marketing-Synergien werden erschlossen
3. Unternehmenswert wird gesteigert---NEUE-SEITE---Quellennachweise
(1) MIND – Mittelstand in Deutschland. Hrsg.: Impulse (2005) www.impulse.de/mind
(2) Presseerklärung des VDI v. 6.6.2006. www.vdi.de
(3) Mitgliederumfrage des VDMA, Juli 2006. www.vdma.org
(4) The 2005 Universum Graduate Survey,
(5) Andreas Meirich: Mitarbeiterbindung statt hohe Fluktuationskosten. In: HR Today 3/2005 (März)
(6a) From People to Profits. The Institute for Employment Studies (1999), www.employment-studies.co.uk
(6b) Q12 Workplace Survey (2000), The Gallup Organization, www.gallup.com