Interviever: Herr Reimann, wann führt man als Unternehmen überhaupt Kundenbefragungen durch?
Jörg Reimann: Wir befragen den Kunden im Rahmen der klassischen Marktforschung, um die Struktur und den Wandel der Bedürfnisse zu erkennen. So zum Beispiel in den ersten Monaten, wenn ein neues Produkt gelauncht wurde, oder bereits während des Produktentstehungsprozesses, sozusagen in der „kreativen Phase“.
Interviever: Wie sieht die Kundeneinbindung in der kreativen Phase konkret aus?
Jörg Reimann: Bei der Entwicklung von „Connected Drive“ – Online-Services fürs Auto – haben wir zum Beispiel über das Internet zuerst nach technik-affinen Nutzern gesucht. Aus den etwa 1.000 Teilnehmern haben wir so genannte „Lead User“ ausgewählt, die sich durch ein besonderes erfinderisches Potenzial auszeichneten. Diese Lead User luden wir zu einem Kreativ-Workshop ein, genauso wie die „Heavy User“, die das Produkt anschließend in der Prototyp- Phase auf seine Markttauglichkeit hin testeten.
Interviever: Was können Kunden einbringen, was Entwickler selbst nicht besitzen?
Jörg Reimann: Sicherlich sind unsere Entwicklungsspezialisten fachlich und technisch bestens ausgebildet. Doch es sind die Kunden, die über ein breites und vernetztes Know-how verfügen, was den täglichen Nutzen anbelangt. So wurde zum Beispiel erforscht, welche Anordnung der Bedienungselemente für die Einstellung von Abstandsradar, Licht und Scheibenwischer bei einer nächtlichen Fahrt im Regen optimal ist.
Interviever: Wie fragt man denn nun die Meinung der Kunden ab?
Jörg Reimann: Bei der Online-Umfrage kann man zum Beispiel bestimmte Fragen aufwerfen wie: „Wie würden Sie reagieren, wenn Sie im Regen einen Panne hätten?“ und bestimmte Antworten zur Auswahl beziehungsweise freie Felder zum Ausfüllen anbieten. Daneben kann man im Rahmen von Workshops Diskussionen führen. Oder man dokumentiert das Kundenverhalten mittels Video und diskutiert anschließend darüber.
Interviever: Welchen Stellenwert hat die Kundenmeinung bei BMW?
Jörg Reimann: Wir betrachten sie als Bereicherung. Und es ist uns sehr wichtig, den Kunden zu verstehen. Außerdem: Denken Sie nur einmal daran, dass ein Sportgerät wie etwa das Mountainbike von Enthusiasten entwickelt wurde und nicht die Idee eines Herstellers war. Natürlich gibt es Grenzen. Aber alles, was den Kunden betrifft, was er direkt erlebt und spürt, die Knöpfe, Schalter, Hebel, die Software, usw., dazu kann er seinen schöpferischen Input geben.
Interviever: Wie oft befragen Sie Ihre Kunden?
Jörg Reimann: Das hängt vom Produkt ab und ob wir mit Lead Usern oder mit Heavy Usern arbeiten. Grundsätzlich gilt: Nach jeder Produkteinführung führen wir immer eine Marktforschung durch, das ist Standard in der Automobilindustrie.
Interviever: Wie belohnt man die Kunden, die mitmachen?
Jörg Reimann: Mit Merchandising- Artikeln oder einem Gewinnspiel. Lead- und Heavy User erhalten von uns eine Aufwandsentschädigung, etwa wenn sich ein Manager zwei Tage Zeit nimmt, da gibt es bestimmte Tagessätze. Doch im Vordergrund soll die intrinsische Motivation stehen, die Begeisterung für eine Sache und damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.
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Jörg Reimann (BMW)