Geraten Menschen in Panik, handeln sie nicht mehr rational. Als Sicherheitsprofi müssen Sie daher bereits im Vorfeld Bedingungen schaffen, die im Ernstfall helfen, Panik zu vermeiden. Zwei Bereiche sind zentral, damit die Gefahrsituation nicht zur tödlichen Falle wird: die notfallgerecht gestaltete Umgebung und der richtige Ansprechpartner. Zum Umfeld gehört, dass die äußeren Bedingungen stimmen, die erst im Ernstfall ihre Aufgabe erfüllen müssen: Rettungswege, Fluchtwegbeschilderung, Notausgänge, Feuerlöscher. Ein kompetenter Ansprechpartner trägt dazu bei, dass die Belegschaft auch in einer Bedrohungssituation Ruhe bewahrt. Damit eine Gefahrsituation nicht zur Katastrophe gerät, sollten Handlungsabläufe regelmäßig geübt werden.
Panik vermeiden
Mitarbeiter, die darauf geschult sind, bei Gefahr den Fluchtweg aufzusuchen, werden im Ernstfall mehr Ruhe bewahren und das Gebäude zügiger räumen als Kollegen, die erst damit beschäftigt sind, ihre Panik in den Griff zu bekommen. Panik verbreitet sich überdies weiter, sie ist „ansteckend“. Deswegen gilt umgekehrt: Je mehr Mitarbeiter bei Gefahr einen kühlen Kopf behalten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle unversehrt das Haus verlassen. Schulen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen daher häufiger für den Ernstfall. Machen Sie sie mit den Gefahren, Notsignalen und Räumungsmaßnahmen vertraut.
Rettungswege nutzen
Bei der Räumung eines Gebäudes müssen die Ströme der Flüchtenden gleichmäßig auf die Notausgänge verteilt werden. Die Notausgänge sind so beschildert, dass sie stets den kürzesten Weg ins Freie weisen. Rettungswege dürfen nicht verstellt sein und keine Stolperfallen haben. Ein Kollege, der beim schnellen Verlassen eines Gebäudes über ein Hindernis stolpert und im schlimmsten Fall stürzt, verletzt sich nicht nur selber. Er verzögert zudem die zügige Räumung. Im schlimmsten Fall löst eine solche Situation bei den anderen Panik aus. Eine derartige doppelte Gefährdung sollten Sie unbedingt vermeiden. Zu einem umfassenden Brandschutz-Konzept gehört daher auch die Überwachung der Fluchtwege. Unterrichten Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen über deren besondere Funktion.
Fluchtwege benötigen besondere Beachtung
Rettungswege müssen frei von Hindernissen sein – zu jeder Zeit! Ihre Kollegen sollten wissen, dass Fluchtwege zu jeder Zeit frei begehbar sein müssen. Ernennen Sie eine Person, die dafür verantwortlich ist, täglich die Wege zu kontrollieren, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und potenzielle Gefahren für Flüchtende zu melden. Auch Fluchttüren dürfen nicht verstellt sein: Hindernisse, die die Türen verstellen, müssen sofort weggeräumt werden. Die Arbeitsstättenverordnung legt die Mindestmaße von Fluchtwegen fest. Abhängig von der Anzahl der Personen, die im Gefahrfall in Sicherheit gebracht werden müssen (das bedeutet im Betrieb: Personal plus potenzielle Gäste), und vom Gebäude gelten baurechtliche Vorschriften für Flucht- und Rettungswege. In Fluren, die als Fluchtweg gelten, dürfen keine Gegenstände stehen. Sie könnten zu Stolperfallen werden oder eine Flucht behindern (z. B. Schränke, Regale oder Kopierer). Halten Sie die Mitarbeiter dazu an, sich für die Sicherheit der Fluchtwege mit verantwortlich zu fühlen: Jeder kann einen leeren Karton wegräumen, der den Notausgang verstellt.
Orientierung gewährleisten
Im Notfall müssen die Mitarbeiter möglichst besonnen handeln. Wer vor Schreck flieht, wählt wahrscheinlich den Weg, den er immer geht – das kann bei einer Gefahr genau der falsche sein. Üben Sie den Fluchtweg daher mit den Mitarbeitern ein: Begehen Sie die Wege von der Abteilung aus gemeinsam. Halten Sie die Kollegen dazu an, sich den Weg beim Begehen bewusst einzuprägen. Im Idealfall gehen die Kollegen den Fluchtweg von sich aus gelegentlich ab. Wiederholen Sie die Begehung des Fluchtweges halbjährlich. Wenn neue Kollegen ins Unternehmen kommen, führen Sie die Erstunterweisung Brandschutz zeitnah durch.
Rettungswege müssen auch als solche erkennbar sein, wenn die Sicht erschwert ist – etwa wenn der Strom ausfällt oder im Brandfall Rauch die Räume vernebelt. Schulen Sie Ihre Kollegen daher gezielt darin, auf die grünen Flucht- und Rettungsweg- Markierungen zu achten. Es gilt: Sind die Kollegen den Fluchtweg schon mehrfach gegangen, finden sie ihn auch unter erschwerten Sichtbedingungen leichter wieder und bewegen sich sicherer.
Checkliste: Erstunterweisung Evakuierung
Achten Sie auf folgende Punkte, wenn Sie in der Erstunterweisung Brandschutz auf den Themenbereich der Räumung eingehen.
- Schilder erklären: Mitarbeiter sollen sich im Gefahrfall an Rettungswegsymbolen und Farbcodes orientieren.
- Fluchtwege abgehen: Sorgen Sie dafür, dass jeder Mitarbeiter (auch freie Mitarbeiter und Halbtagskräfte!) zweimal pro Jahr den Fluchtweg abgehen.
- Türen erklären: Weisen Sie auf Notausgänge hin und erklären Sie ihre wichtigsten Funktionen: Sie lassen sich leicht öffnen und schlagen nach außen auf.
- Brandschutztüren: Sollen den Brand daran hindern, sich auszubreiten. Sie müssen nach dem Passieren wieder geschlossen werden.
- Panik-Prävention: Halten Sie die Kollegen zur Besonnenheit an. Wichtigste Regeln im Gefahrfall: Kühlen Kopf bewahren, Ansprechpartner suchen, zügig das Gebäude verlassen, Gäste mitnehmen, Rücksicht auf die anderen nehmen.
Ansprechpersonen bekannt machen
Menschen geraten nicht so leicht in Panik, wenn im Ernstfall eine Person zur Verfügung steht, die Sicherheit ausstrahlt und Anweisungen gibt, was zu tun ist. Damit Menschen im Gefahrfall nicht kopflos handeln, brauchen sie Ansprechpartner, die Sicherheit vermitteln und Struktur schaffen. Benennen Sie eine Person, die im Notfall diese Rolle übernimmt. Das kann der Sicherheitsbeauftragte sein, aber auch eine andere Person der Abteilung. Sinnvoll ist, zusätzlich eine Vertretungsperson zu benennen, damit auch Abwesenheitszeiten abgedeckt sind. Die Person sollte den Betrieb gut kennen und die Fluchtwege verinnerlicht haben. Im Gefahrfall trägt sie die Verantwortung dafür, dass die wichtigsten Maßnahmen ergriffen werden:
- Personen aus Büro leiten
- Fenster schließen
- Brandschutztüren nach Benutzung schließen
- falls möglich, Brand bekämpfen
- an geeigneten Punkten sammeln und durchzählen
Kontrolle durch Helfer
Der Etagen- oder Räumungsbeauftragte behält den Überblick über die Räumungsmaßnahmen. Ihm melden die Mitarbeiter, wenn alle Personen ein Büro verlassen haben. An Sammelpunkten kontrolliert der Räumungsbeauftragte, ob alle Kollegen aus der Gefahrenzone gebracht wurden. Außerhalb des Gebäudes achtet der Räumungsbeauftragte darauf, dass die Rettungswege sowie die Zufahrten für die Rettungskräfte frei bleiben und hilft beim Einweisen von Feuerwehr und Notarzt.
Behinderte besonders schützen
Flucht- und Rettungswege sind so ausgelegt, dass möglichst viele Menschen sie in kurzer Zeit passieren können. Im Gefahrfall muss jedoch gewährleistet sein, dass auch jene in Sicherheit gebracht werden, die sich nicht selbst retten können. Verfügt das Unternehmen beispielsweise über Fluchtleitern, die außen am Gebäude angebracht sind, können gehbehinderte sie nicht benutzen. Blinde sind unter Umständen nicht in der Lage, sich schnell zum Fluchtweg hin zu orientieren; auch sie brauchen Hilfe. Vergegenwärtigen Sie sich für Ihr Unternehmen, wer sich im Gefahrfall nicht selbst helfen kann und benennen Sie – in Absprache mit den betroffenen Kollegen – Paten für diese Personen. Sie sorgen im Ernstfall dafür, dass eine Person mit Handicap bei der Räumung des Gebäudes die Unterstützung erhält, die sie braucht.
Welche Maßnahmen sinnvoll sind, klären Sie in Absprache mit den Betroffenen: Einer blinden Person ist bereits geholfen, wenn der Pate sie sicher durchs Gebäude nach draußen begleitet. Für gehbehinderte existieren Notsitze, mit denen Personen zügig über eine Treppe abgelassen werden können. Bedenken Sie, dass der Pate gegebenenfalls kräftig genug sein muss, um die gehbehinderte Person in den Sitz und wieder heraus zu heben.
Hinweis
Rettungswegbeschilderung
Rettungswege sind in der Regel mit denselben Symbolen markiert. Verdeutlichen Sie Ihren Kollegen, dass sie sich auf diese Symbole verlassen können und im Notfall gezielt danach suchen sollen.
Fluchtweg: Fluchtwege sind mit weißen Pfeilen auf grünem Grund markiert. Die Zeichen sind rechteckig, die Pfeile zeigen in Fluchtrichtung. Bei schlechten Sichtverhältnissen sind die Schilder von hinten durchleuchtet.
Notausgangstüren: Notausgangssymbole sind über der Fluchttür angebracht. Sie sind ebenfalls weiß auf grünem Grund. Auch sie sind von hinten erleuchtet, wenn die Lichtsituation das nötig macht. Fluchtwegsymbole dürfen höchstens zwei Meter von der Fluchtwegtür entfernt sein. Flucht- und Notausgangtüren gehen immer nach außen auf.
Notbeleuchtung: Gegebenenfalls weisen auf dem Boden oder an Wänden angebrachte Leuchtmarkierungen zusätzlich den Weg zum Notausgang.
Feuerlöscher: Das Schild mit dem Hinweis auf Feuerlöscher ist in unmittelbarer Nähe des Geräts angebracht. Es zeigt einen weißen Feuerlöscher auf rotem Grund. Ist ein Feuerlöscher nicht auf den ersten Blick sichtbar, kann er auch in Schränken oder hinter Türen verstaut sein. Das Feuerlöscher-Symbol weist auf seinen Standort hin.
Regelmäßige Wiederholung ist wichtig
Neue Verhaltensweisen prägen sich erst ein, wenn man sie mehrfach wiederholt. Integrieren Sie daher die Räumungsübungen als festen Bestandteil in die Erstunterweisung Brandschutz und sorgen Sie darüber hinaus dafür, dass jede Person im Unternehmen ein- bis zweimal pro Jahr an entsprechenden Übungen teilnimmt.
Dipl.-Ing. Susanne C. Steiger M.A.
Herausgeberin und Autorin von Büchern zu Arbeits- und Gesundheitsschutz, freiberufliche Journalistin.