Führen ohne disziplinarische Macht?
Führungsstil A: autoritär
Bei diesem Führungsstil konzentriert sich die gesamte Kompetenz für Entscheidungen und Kontrollen auf die Person des Projektleiters bzw. die Führungsinstanz. Art und Umfang der durchzuführenden Aktionen werden vom Projektleiter vorgegeben und zur Realisierung an die Teammitglieder delegiert und angeordnet.
Vorteile: Der Hauptvorteil dieses Stils ist die Tatsache, dass die Führungsperson den kompletten Überblick sowie die Kontrolle über die Arbeitsprozesse und -resultate besitzt. Das gesamte Projekt befindet sich also fest in der Hand des Projektleiters und er trägt auch jede Art von Verantwortung völlig alleine.
Nachteile: Der Aufwand für Kontrolle und Überwachung seitens der leitenden Person ist hier extrem hoch. Die Teammitglieder werden zu reinen "Abwicklern" bzw. "Arbeitstieren" degradiert und sie führen die ihnen vorgegebenen Aufgaben "mechanisch" bzw. ohne größeres Nachdenken durch. Gute Fachleute werden sich hier früher oder später vom Team verabschieden und eine Aufgabe suchen, welche ihnen bessere Entwicklungsmöglichkeiten bietet.
Eignung für Projekte: Es dürften nur wenige Ausnahmeprojekte für diesen Stil infrage kommen. Projekte haben nun einmal das Attribut "Neuartigkeit" an sich, wodurch fast immer kreative und nutzbringende Mitarbeit verbunden mit eigenständigen Denkprozessen notwendig wird. Beim autoritären Stil identifizieren sich die Mitarbeiter kaum mit der Problematik und den Zielen des Projekts: Sie bekommen ihre Aufgaben quasi befohlen oder diktiert zugewiesen, ohne dass sie irgendwelchen Einfluss auf Abläufe oder Zwischenergebnisse nehmen können.
Führungsstil B: patriarchalisch
Auch hierbei dominiert die Führungskraft über die Zuteilung der Aufgaben, die Beteiligten haben ebenfalls keinen Einfluss auf gegebene Entscheidungen. Der wesentliche Unterschied zum autoritären Stil ist der, dass die Führungsperson teilweise ihre eigenen Entscheidungen begründet oder dies wenigstens versucht. Der Sinn von Entscheidungen wird mindestens den Gruppenleitern nahe gebracht, womit man bestenfalls eine Steigerung der Akzeptanz erreichen kann. Die "Untergebenen" werden hierbei ebenfalls nicht umfassend involviert, womit Kreativität und Fachkompetenz der Mitarbeiter weiterhin nur in minimalem Maß oder auch gar nicht zum Tragen kommen.
Vorteile: Der Überblick über den Projektverlauf sowie die Kontrolle über Ergebnisse sind wie bei Stil A in der Zuständigkeit der Führungsperson vereint. Die Mitarbeiter sind hier allerdings eher bereit, bestimmte Anordnungen besser zu akzeptieren.
Nachteile: Die Fähigkeiten der Mitarbeiter sowie deren Einsatzfreude bleiben auch hier auf der Strecke. Man sieht manche Entscheidungen eher ein, aber das konstruktive Mitdenken bei der Problemlösungsfindung wird weiterhin gebremst.
Eignung für Projekte: Dieser Stil eignet sich nur für Projekte, bei denen die Führungsperson alleine die notwendigen Fachvoraussetzungen mitbringt. Da im Projekt üblicherweise Personal mit Fachwissen tätig ist, werden dessen Fähigkeiten nicht genügend und zweckorientiert genutzt werden können.
Führungsstil C: beratend
Bei dieser Variante trifft die Führungsperson wichtige Entscheidungen nach wie vor selbst. Der Hauptunterschied zu Stil B liegt darin, dass der Vorgesetzte in stärkerem Maß bereit ist, Ansichten und Meinungen von Teammitgliedern anzuhören. Er begründet seine Entscheidungen auch mehr und gibt den Untergebenen Gelegenheit, Kritik und Einwände vorzubringen. Entscheidungen sind zu dem Zeitpunkt jedoch meist schon getroffen und können selten revidiert werden. Diskussionen führen oft dazu, dass sich solche "beratenden" Kritiken erst auf künftige Aktionen beziehen.
Vorteile: Die Akzeptanz und das Interesse der Mitarbeiter am Arbeitsfortschritt werden hier wieder um etliche Grade erhöht und das Einbringen eigener und kreativer Ideen wird erleichtert. Der Projektleiter ist in Teilbereichen bereit, Aufgaben zu delegieren.
Nachteile: Die Führungsperson trägt nach wie vor die Hauptverantwortung über die Projekt- oder Arbeitsergebnisse. Das Fachwissen von Untergebenen fließt aber weiterhin nur spärlich in das Projekt ein. Einwände, welche sich erst auf spätere Projektphasen oder auch Folgeprojekte auswirken, fördern noch nicht in ausreichendem Maß den Teamgedanken und die gemeinsame Lösungserarbeitung von Projektzielen.
Eignung für Projekte: Dieser Stil kann in Teilprojekten eingesetzt werden, bei denen das Fachwissen der Führungskraft im Vergleich zu dem der Teammitglieder deutlich überwiegt. Wer ein Team mittel- bis langfristig und für Folgeprojekte halten will, kann diese Form übergangsweise einsetzen. Der Teamleiter muss sich klarmachen, dass er langfristig bessere Resultate erzielen kann, wenn die Teammitarbeiter intensiver involviert werden.
Führungsstil D: kooperativ
Dieser Stil unterstützt, wie schon die Bezeichnung erahnen lässt, die engere Zusammenarbeit innerhalb des Teams. Die Ansichten und Einwände oder auch begründete Fragestellungen der Mitarbeiter werden von der Führungskraft in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen. Dabei werden die Entscheidungen nach wie vor seitens der Projektleitung gefällt, jedoch unter Beachtung und Ausnutzung des Fachwissens der Teammitarbeiter.
Vorteile: Wichtige Informationen und das spezifische Fachwissen aus der Teamgruppe fließen hierbei in die Lösungsfindungen und Entscheidungen fallweise ein. Dies fördert auch den Teamgedanken und die produktive Zusammenarbeit. Mitarbeiter sind besser motiviert, um sich selbst auch um bessere Resultate zu bemühen. Zudem kann der Teamleiter deutlich entlastet werden, da Fehlentscheidungen aufgrund einseitiger Aktionen durchaus reduziert werden können.
Nachteile: Negative Auswirkungen können hierbei dann auftreten, wenn die Gefahr endloser Diskussionen besteht. Die Neigung im Team, bestimmte Dinge im Vorfeld perfektionieren zu wollen, kann sich auf die zumeist engen Termine auswirken. Die Teamleitung ist jedenfalls gut beraten, diese Faktoren nicht aus dem Gesichtsfeld zu verlieren.
Eignung für Projekte: Diese Führungsvariante ist für die meisten Projekte sehr gut geeignet, da hier das erfolgversprechende Zusammenwirken zwischen der Leitungsfunktion und den Mitwirkenden klar gefördert wird. Jeder Mitarbeiter erhält eine erhöhtes Verantwortungsbewusstsein und positive Leistungen des gesamten Teams sind im Allgemeinen das Ergebnis einer funktionierenden Kooperation.
Führungsstil F: demokratisch
Bei dieser Form gibt der Projektleiter seine Entscheidungsbefugnis ganz oder fast ganz in die Zuständigkeit der beteiligten Projektmitglieder. Aufgabenstellungen und Probleme werden den Teams vorgestellt und die Lösungsfindung wird den einzelnen Personen oder Teamgruppen vollständig selbst überlassen. Sie können also auch abstimmen, inwieweit bestimmte Aktionen realisiert werden oder auch nicht.
Diese Methode kann in aller Regel nur vernünftige Ergebnisse zeitigen, wenn man sich auf die fachliche und menschliche Kompetenz aller Mitglieder voll und ganz verlassen kann. In überschaubaren Teams und mit bewährter Mannschaft kann dies durchaus funktionieren, die "Führungsperson" sollte aber dennoch die Fäden in der Hand behalten und zum Beispiel die Kommunikation von und nach "außerhalb" des Projekts "leiten".
Vorteile: Die Teammitglieder übernehmen eigenverantwortlich die Durchführung der Projektaufgaben. Der Teamleiter wird dadurch entlastet und kann sich überwiegend mit "Moderationsaufgaben" befassen.
Nachteile: Ohne jede Kontrolle besteht bei solchen Projekten aber immer die Gefahr des "Aus-dem-Ruder-Laufens". Außer reinen Verwaltungsaufgaben kann die Führungsperson hierbei unter Umständen auch keine in Notfällen auftauchenden Gegenmaßnahmen einleiten.
Eignung für Projekte: Gut geeignet ist dieser Stil bei Teilprojekten innerhalb von großen Projektvorhaben, womöglich auf internationaler Ebene. Doch hier wird man üblicherweise TPL (Teilprojektleiter) einsetzen, welche ihrerseits innerhalb ihres Aufgabenbereichs durchaus einen anderen Stil ergreifen können.
Welcher Stil ist nun für welche Projektsituation geeignet? Diese Frage soll im Folgenden anhand der verschiedenen Situationen beantwortet werden.
Projekte lassen sich nach verschiedenen Projektsituationen wie folgt kategorisieren:
1. Vorgegebene Rahmenbedingungen und Ziele
Die Rahmenbedingungen sind von außen vorgegeben. Das sind z.B. gesetzliche Hintergründe oder Direktiven seitens des Topmanagements. Es gibt auch Projekte, die aufgrund staatlicher Anordnungen durchgeführt werden müssen (Basel II, ARGE 4 etc.). Hier gibt es zeitlich festgelegte Termine. Demzufolge hat der Projektmanager wenig Auswahlmöglichkeiten für die Abwicklung des Projekts, was den Führungsstil betrifft.
Die Zielsetzungen sind von außen vorgegeben, meist auch inhaltlich. Entscheidungen sind also weitgehend festgelegt. Hierbei werden Führungsstile der Kategorien "beratend", "kooperativ" und "partizipativ" angebracht sein. Dasselbe gilt für wichtige Vorgaben seitens der Geschäftsführung.
2. Größe des Projekts
Art und Typus des Projekts, dessen Platzierung im Unternehmen und teilweise auch Umfang, Zeitdauer und Personalaufwand: Bei kleineren Projekten mit begrenztem Personal, Budget und Zeitrahmen ist der Spielraum für die Übertragung von Entscheidungszuständigkeiten auf einzelne Teammitglieder meist niedrig.
In größeren Projekten bestehen in aller Regel weit eher die Möglichkeiten für die Übertragung von Kompetenzen zumindest in klar umrissenen Teilbereichen.
3. Fachliche Qualifikation der Projektmitarbeiter
Fachliche Qualifikationen, Kompetenzen und Einsatzwille des vorhandenen Projektpersonals spielen eine wichtige Rolle. Generell gilt: Je besser die beteiligten Teampersonen für die konkreten Projektaufgaben geeignet sind und ein fundiertes Fachwissen sowie einschlägige Projekterfahrung mitbringen, desto eher können Projektstile der Gruppen C, D oder E zur Anwendung gelangen.
Wenn sich ein Projektmanager auf seine "Truppe" verlassen kann und wenigstens über eine ihm gut bekannte Kernmannschaft verfügt, können Verantwortungsbereiche mit Entscheidungsbefugnissen delegiert werden. Die Führungsperson hat dadurch mehr Zeit, sich mit administrativen und strategischen Aufgaben zu befassen.
4. Persönlichkeit der Projektleiterin / des Projektleiters
Persönlichkeitsmerkmale und Erfahrungsstand sowie bevorzugte Führungsmethoden der Projektführungsperson: Ein Projektleiter mit langjähriger Praxis wird eher geneigt sein, bestimmte Teilbereiche bzw. Aufgabengruppen an fähige Mitarbeiter zu delegieren.
Eine andere Führungsperson, welche z.B. in einem KMU-Betrieb mit "patriarchalischer" Geschäftsführung tätig war, wird dagegen nicht ohne weiteres auf "partizipativen" oder "demokratisch orientierten" Führungsstil umschwenken können. Hier kann der Ratschlag gelten, dass der Projektleiter zunächst einmal z.B. einen Spezialisten mit Personalerfahrung mit der Rekrutierungsaufgabe für anzuwerbende Teammitglieder beauftragt.
5. Status des Projekts
Wichtig ist auch der Status des Projekts in Bezug auf Planeinhaltung, Störungen sowie Ablaufprobleme verschiedener Art. Solche Dinge sind in Projekten aller Art fast als alltäglich einzustufen. Also kann durch vernünftige Planung und sinnvolle Fortschrittskontrollen selbst im "demokratisch" orientierten Projekt sehr wohl der Überblick behalten werden.
Fällt im Softwareprojekt für einige Zeit das Firmennetz aus, so müssen Alternativen vorgesehen werden oder es muss auch eine Terminverschiebung beschlossen werden.
6. Notfall- oder Krisensituationen
Wenn ein Projekt zu scheitern droht, sind sicherlich wenigstens kurzzeitige "autoritäre" Aktionen angebracht. Zeitraubende Diskussionen im Team helfen da auf die Schnelle kaum weiter.
Es müssen dann wohl auch einmal unpopuläre oder unangenehme Entscheidungen gefällt werden, damit das Unternehmen "Projekt" noch gerettet werden kann.