Ihre Wut wächst möglicherweise noch, wenn Sie erfahren, dass Ihr Mitarbeiter gezielt von einem anderen Unternehmen abgeworben wurde.
Oder haben Sie etwa selbst auf die erfolgreiche Führungskraft im Vertrieb Ihres Mitbewerbers „ein Auge geworfen“?
Du sollst nicht begehren Deines Konkurrenten Führungskraft. Oder doch?
Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer unter Einhaltung der Kündigungsfristen den Arbeitsplatz nach Belieben wechseln. Ebenso wenig besteht dem Grundsatz nach ein Verbot aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um einen bestimmten Mitarbeiter für das eigene Unternehmen zu gewinnen.
Die Abwerbung eines Arbeitnehmers kann aber unter Umständen gegen geltendes Recht verstoßen und damit zum Schadensersatz verpflichten. Das kann teuer werden.
In einem solchen Fall entsteht gleichzeitig ein Anspruch des Arbeitgebers, der den Mitarbeiter verloren hat gegen den Abwerbenden auf Unterlassung der Beschäftigung des Arbeitnehmers, solange dieser dem geschädigten Arbeitgeber noch zur Arbeitsleistung verpflichtet ist.
Was aber genau ist überhaupt „Abwerbung“?
Zum Wesen der Abwerbung gehört, dass auf Arbeitnehmer mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Beharrlichkeit eingewirkt wird, ihr Arbeitsverhältnis zu beenden und bei dem abwerbenden Unternehmen ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen.
Aber wo ist die Grenze zwischen allgemeines Umwerben von Arbeitnehmern und rechtswidriger Abwerbung?
Ein Gesetzesverstoß setzt zunächst ein Handeln im Geschäftsverkehr zu Zwecken des Wettbewerbs voraus (§ 1 UWG). Das ist bei der Abwerbung von Arbeitskräften regelmäßig auch dann gegeben, wenn Unternehmer verschiedener Wirtschaftszweige abwerben, weil sie am Markt Wettbewerber sind.
Außerdem muss der Abwerbende durch sein Verhalten in irgendeiner Form gegen „die guten Sitten“ verstoßen. Dies hat nichts mit besonders rüden Methoden zu tun. Vielmehr handelt es sich um einen juristischen definierten Begriff. Danach verstößt gegen „die guten Sitten“, wer dem Anstandsgefühl des verständigen und anständigen Durchschnittsgewerbetreibenden zuwiderläuft.
Was bedeutet dies in der Praxis?
Abwerbung liegt nach der Rechtsprechung zum Beispiel in der bewussten Verleitung eines Arbeitnehmers zu einer Handlung, die den Arbeitgeber zur sofortigen Kündigung veranlassen soll. Insbesondere gilt dies, verspricht der abwerbende Unternehmer die Übernahme einer evtl. zu zahlenden Strafe wegen des Vertragsbruchs.
Hingegen ist es zulässig, einen Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Vertragslösung zu veranlassen, wenn die Abwerbung im Übrigen mit erlaubten Mitteln zu erlaubten Zwecken erfolgt. Dazu zählen insbesondere die Vereinbarung eines höheren Entgeltes oder günstigerer Arbeitsbedingungen.
Unter das Verbot der Abwerbung fallen aber auch irreführende Mitteilungen oder herabsetzende Äußerungen über den bisherigen Arbeitgeber.
Unzulässig ist ein planmäßiges Abwerben auch dann, wenn der Abwerbende bewusst in Kauf nimmt oder gar bezweckt, dass dadurch die wettbewerbliche Betätigung des Mitbewerbers ernstlich beeinträchtigt oder dessen Leistung zu eigenem Nutzen ausgebeutet wird.
Eine Abwerbung gilt auch dann als unrechtmäßig, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer in einem anderen Unternehmen dazu überredet oder in anderer Weise veranlasst, zwar nicht selbst das Unternehmen zu wechseln, jedoch unter Verletzung seiner Treuepflicht seine Kollegen zum Arbeitsplatzwechsel zu überreden.
Auch Abwerbung mit dem Ziel, das Unternehmen des Konkurrenten zu ruinieren oder in seinen wirtschaftlichen Grundlagen zu treffen oder an Geschäftsgeheimnisse des Konkurrenten heranzukommen, um so einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, ist rechtlich unzulässig.
Das gleiche gilt für die Abwerbung unter Missbrauch eines Vertrauensverhältnisses zwischen zwei Arbeitgebern, das sich zum Beispiel bei Verhandlungen über eine engere Zusammenarbeit oder Fusion ergeben hat.
Uneinheitlich urteilen die Gerichte in den Fällen, in denen Mitarbeiter gezielt durch Headhunter zwecks Abwerbung angerufen werden.
Im Ergebnis festzuhalten bleibt: Die gezielte Ansprache von Mitarbeitern zwecks Abwerbung ist ein heißes Eisen. Dies gilt ganz gleich, ob Sie die Ansprache persönlich vornehmen, eine(r) Ihrer MitarbeiterInnen dies tut oder ein von Ihnen beauftragter professioneller Headhunter. Machen Sie sich dies bewusst, aber auch Ihren Mitarbeitern. Auch eine gut gemeinte Ansprache durch einen Ihrer Mitarbeiter kann Sie letztlich teuer zu stehen kommen, wenn Ihnen das Verhalten zuzurechnen ist und Sie davon wussten oder hätten wissen können.
Dr. Susanna Lange ist Rechtsanwältin mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Arbeitsrecht und seit über 10 Jahren in verschiedenen Funktionen im Personalwesen tätig