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Frauen und Karriere

Frauenquote: Top-down oder Bottom-up?

Wenn schon Frauenquote, dann muss auch mal darüber diskutiert werden, wo der Hebel am sinnvollsten anzusetzen ist. Top-down? PolitikerInnen, fidar.de oder auch juristinnenbund.de argumentieren, dass mehr Aufsichtsrätinnen für mehr weibliche Vorstandsmitglieder bzw. auch für mehr Frauen in Führungspositionen sorgen werden. Ist das realistisch? Career-women.org plädiert für Bottom-up. Läßt sich von unten nach oben mehr bewegen?

Verändern mehr Aufsichtsrätinnen die Unternehmenskultur

Für den Erfolg einer gesetzlichen Frauenquote bürgt seit einigen Jahren das Modell Norwegen. Richtig, das Gesetz von 2003 hat gewirkt. In 2009 waren 40 Prozent der Aufsichtsräte - sprich Verwaltungsräte - der börsennotierten Unternehmen weiblich. Die mit dem Gesetz verbundenen Sanktionen lassen auch keine andere Wahl zu, außer den Wechsel in eine andere Rechtsform. In der norwegischen "monistischen" Aktiengesellschaft sind Kontroll- und Leitungsfunktion im Verwaltungsrat zusammengefasst. Der Rat setzt sich aus Anteilseignern und Arbeitnehmervertretern zusammen. Das Tagesgeschäft obliegt einem Geschäftsführer, der direkt an den Verwaltungsrat berichtet. Der gesamte Prozess, angefangen von der Diskussion zur Gesetzesvorlage bis zur Realisierung, hat übrigens zehn Jahre in Anspruch genommen.

Verändern mehr Aufsichtsrätinnen die Unternehmenskultur?

Obwohl der norwegische Board of Directors nicht vergleichbar mit dem Aufsichtsrat nach deutschem Aktiengesetz ist, wird seit Jahren vehement eine Frauenquote für den Aufsichtsrat nach norwegischen Modell gefordert. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn diese Forderung nicht mit dem Ziel, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, begründet würde. Aufgabe des Aufsichtsrats nach deutschem Aktiengesetz ist, ein Unternehmen zu kontrollieren aber nicht zu führen. Deswegen sei die Frage gestellt, ob mehr Aufsichtsrätinnen automatisch auch mehr Frauen in Führungspositionen, speziell im Vorstand, bewirken werden.

Auch ohne gesetzliche Quote weht seit Jahresbeginn so etwas wie eine zaghafte frauenfreundliche Brise durch die Kontrollgremien. Anke Schäferkordt, RTL-Chefin, wurde in den Aufsichtsrat von BASF, Doris Schröder-Köpf, Gattin des Ex-Kanzlers, in den Board der Kaufhauskette Karstadt sowie Karen Heumann, Vorstandsmitglied der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt, in den Kontrollrat von Douglas berufen, VW und Münchner Rück holten sich die Schwedin Annika Falkengren, die Deutsche Bank entschied sich für die Britin Katherine Garrett-Cox und Dr. Ann-Kristin Achleitner kontrolliert nunmehr Metro und Linde AG. Und das sind noch nicht alle. Sollte die letzte Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex vom Mai 2010 Wirkung zeigen? Sie enthält nunmehr bei der Zusammensetzung des Vorstands den Zusatz, dass der Aufsichtsrat nicht mehr nur auf Diversity achten, sondern "dabei insbesondere eine angemessene Berücksichtigung von Frauen anstreben" soll. Und bei der Zusammensetzung des Kontrollboards heißt es erstmals: "Der Aufsichtsrat soll für seine Zusammensetzung konkrete Ziele benennen... Diese konkreten Ziele sollen insbesondere eine angemessene Beteiligung von Frauen vorsehen." Sanktionen bei Verstoß sind nicht vorgesehen. Ob sich damit etwas in den Führungsetagen verändert? Man wird sehen.

Schauen wir noch einmal nach Norwegen. Hat die erreichte Quote von 40 Prozent im Verwaltungsrat auf die Führungsebene abgefärbt? In einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zum "norwegischen Experiment" (Juli 2010) ist nachzulesen, dass nur zwei Prozent der Geschäftsführerposten der börsennotierten Unternehmen in Frauenhand sind. Laut einer Studie des Karlsruher Institute of Technology (KIT, siehe Download) lag Ende 2008 der Anteil Frauen in deutschen Aufsichträten (aller AGs) bei 8,2 Prozent - bei leichtem Trend nach oben. Zwei Drittel der Chefcontrollerinnen waren Vertreterinnen der Arbeitnehmerseite. Trotzdem ist der Trend der Frauenbeteiligung in den Vorstandsetagen seit 2005 laut KIT leicht rückgängig. Konnten sich die Frauen so wie in Norwegen ebenfalls nicht durchsetzen? Warum soll dann eine gesetzliche Top-down-Quote daran etwas ändern?

Mangel an Frauen und Vakanzen?

Wenn sich unsere Regierung zu einer gesetzlichen Quote nach dem Top-down-Prinzip durchringen sollte, bleibt die Frage, ob sie in dem gesetzten Zeitrahmen praktisch umsetzbar ist. Beispiel: Legen wir die von Arbeitsministerin von der Leyen geforderten 30 Prozent bis Ende 2013 zugrunde, dann müßten in zwei Jahren über 1.100 Aufsichtsrätinnen auf der Basis aller AGs oder über 400 auf der Basis börsennotierter Unternehmen gefunden werden. Dazu reicht weder die Zahl der Unternehmerinnen, die für einen Aufsichtsratposten ausreichend qualifiziert sind, und schon gar nicht die der bisher verfügbaren Vorstandsfrauen aus Aktiengesellschaften. Selbst die Verbandsfrauen in Vorstand oder Präsidium bzw. eine Ausweitung auf Mehrfachmandate können die Lücke wahrscheinlich nicht füllen. Das norwegische Modell mit 70 Frauen, ironisch Goldröcke genannt, in 300 Aufsichtsräten erfüllt eigentlich die Forderung nach mehr Frauen in Führungspositionen nur bedingt.

Ganz abgesehen davon, müssten in dem vorgegebenen Zeitrahmen entsprechend viele Aufsichtsratposten neu zu besetzen sein. Zahlen über die Entwicklung von Vakanzen in den kommenden Jahren sind bisher nicht verfügbar und aufgrund der zahlreichen Unwägbarkeiten auch schwer abzuschätzen. Unterm Strich ein sehr wackliger Ansatz, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen.

Druck von unten ändert die Unternehmenskultur

Für die Frauenquote auf Basis des Bottom-up-Ansatzes spricht, dass es in den nächsten Jahren noch mehr junge Frauen mit hervorragender Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt geben wird. Hinzu kommt, dass der viel zitierte Fach- und Führungskräftemangel in erster Linie das untere und mittlere Managment betrifft. Die Frage, die Unternehmen sich stellen müssen, lautet daher nicht, sind geeignete Frauen überhaupt verfügbar, sondern wie bekomme ich die besten Hochschulabgängerinnen und wie kann ich sie im Unternehmen halten. Und diese Frage werden sich nicht nur börsennotierte Unternehmen stellen müssen. Ab einer gewissen Größenordnung sollten deswegen alle GmbHs, KGs, etc mit ins Quotenprogramm genommen werden.

Durch den Druck der gesetzlichen Quote beginnend auf der untersten Führungsebene wird sich die Unternehmenskultur zwangsläufig verändern. Die Verantwortlichen  werden gezwungen, entsprechende Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Karriere/Beruf und Familie zu schaffen und sie werden darüber nachdenken müssen, welche Instrumente in der Personalpolitik anzusetzen sind, um das Quotenziel zu erreichen. Dabei wird sich ein Prozess entwickeln, der nicht mehr zurückgeschraubt werden kann und der bis in den Vorstand oder die Geschäftsführung nachhaltig wirkt. Ein gesunder Anhaltspunkt für die Festlegung der Frauenquote könnte die Regelung bei der Telekom sein, die die Gesamtbeschäftigung an Frauen zugrundelegt. Es muss ja nicht der enge Zeitrahmen sein.

Die Vorteile der Bottom-up-Quote: 1. Die Unternehmen entscheiden selber, in welchen Bereichen und Führungsebenen Frauen eine Chance bekommen sollen. Die betriebliche und marktwirtschaftliche Selbstbestimmung bleibt weitestgehend erhalten. 2. Es werden wesentlich mehr Frauen bereit sein, eine Führungsaufgabe zu übernehmen, als beim Top-down-Ansatz mit Fokus auf Aufsichtsrat und Vorstand. 3. Die Quotenregelung könnte nach fünf bis acht Jahren ad acta gelegt werden, weil der Prozess dann irreversibel ist.

Der Nachteil: Aktiengesellschaften, insbesondere die börsennotierten, sind besser kontrollierbar als GmbHs, KGs, etc. Da kommt ein schönes Stück Arbeit auf Familienministerin Kristina Schröder zu. Aber es ist die Mühe wert.

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