Voraussetzung der Entgeltfortzahlung
Entgeltfortzahlung erhält ein Mitarbeiter, wenn er infolge „Krankheit“ arbeitsunfähig ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.
Arbeitsunfähigkeit als Folge der Krankheit
„Arbeitsunfähigkeit“ liegt dann vor, wenn der Mitarbeiter infolge der Krankheit nicht in der Lage ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen oder bei Fortsetzung der Arbeit die Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand in naher Zukunft verschlechtert.
Stichwort Krankheit
Krankheit ist jeder regelwidrige Körperoder Geisteszustand, der einer Heilbehandlung bedarf. Hierzu zählen sowohl heilbare als auch unheilbare Krankheiten. Unerheblich ist es, auf welchen Ursachen die Krankheit beruht. Sie kann auf eine Veranlagung zurückzuführen sein, auf Unfallereignisse, Infektionen, Selbstverstümmelung, Selbstmordversuch etc. Die Ursache der Krankheit kann allerdings dann eine Bedeutung erlangen, wenn die Frage des Verschuldens zu klären ist.
Übersicht: Krankheitssonderfälle
Beruht die Arbeitsunfähigkeit auf … | Entgeltfortzahlung |
einer Sterilisation | Ja |
einem rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch | Ja |
einer künstlichen Befruchtung | Ja |
einer Organspende | Nein |
einer Schönheitsoperation | Nein (es sei denn, es haben erhebliche psychische Beeinträchtigungen bestanden) |
Nicht jede Krankheit führt zur Arbeitsunfähigkeit
Nach der Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Frage, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt, sowohl auf die konkrete Arbeitspflicht als auch auf den individuellen gesundheitlichen Zustand abzustellen. Hat ein Arbeitnehmer z. B. eine Fußverletzung, so ist er arbeitsunfähig, wenn er eine Tätigkeit ausübt, bei der er stehen oder herumlaufen muss. Übt er jedoch eine sitzende Tätigkeit aus, so kann er durchaus arbeitsfähig sein.
Rat: Krankenkasse einschalten
Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass die Erkrankung im konkreten Fall die Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigt, sollten Sie sich an die Krankenkasse des Mitarbeiters wenden. Bestehen nämlich Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, können Sie verlangen, dass die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse braucht allerdings den medizinischen Dienst nicht einzuschalten, wenn sich aus den ihr vorliegenden Unterlagen die Arbeitsunfähigkeit eindeutig bejahen lässt.
Sonderfall: Wegeunfähigkeit
Viel zu selten werden in der Praxis auch die Fälle hinterfragt, in denen der Arbeitnehmer wegen seiner Erkrankung lediglich den Weg zur Arbeit nicht zurücklegen kann, die Arbeitsleistung selbst aber ohne Weiteres erbringen könnte. Nach der Rechtsprechung braucht auch hier vom Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung erbracht zu werden.
Sonderfall: Teilarbeitsunfähigkeit
Volle Entgeltfortzahlung ist aber auch dann zu leisten, wenn der Mitarbeiter die Arbeitsleistung zumindest teilweise erbringen könnte. Die Rechtsprechung erkennt eine Teilarbeitsunfähigkeit nämlich nicht an: Entweder der Arbeitnehmer kann die volle vertragliche Arbeitsleistung erbringen oder er ist arbeitsunfähig.
Wer krank ist, muss nicht das Bett hüten
Ärger kommt regelmäßig auf, wenn eine krankgeschriebener Mitarbeiter während der Arbeitszeit bei Freizeitaktivitäten oder abends beim Bier in der Kneipe angetroffen wird. Nicht zwangsläufig ist in solchen Fällen dem Mitarbeiter ein Vorwurf zu machen. Ein arbeitsunfähig erkrankter Mitarbeiter muss nämlich weder das Bett hüten noch zu Hause bleiben. Er darf sich nur nicht genesungswidrig verhalten, muss also alles unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Biertrinken bei einem infolge einer Fußverletzung arbeitsunfähigen Dachdecker ist daher durchaus zulässig.
Wichtiger Hinweis:
Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, bei denen die Beschäftigung, bei der der angeblich arbeitsunfähige Mitarbeiter angetroffen wird, den Rückschluss zulässt, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht ist. In einem solchen Falle läge ein Betrug zulasten des Arbeitgebers vor, der sogar zur fristlosen Kündigung führen könnte. Auch hier sollte unbedingt sofort der medizinische Dienst eingeschaltet werden.
Redaktionsbüro Schneider, 2012