Der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) umfasst alle Phasen des Arbeitsverhältnisses: von der Stellenbeschreibung über Einstellung und Beförderung bis hin zur Beendigung. Einzige Ausnahme ist die Kündigung, da der Gesetzgeber auf Empfehlung des Bundesrats und des Rechtsausschusses die Kündigungen aus dem Anwendungsbereich des AGG herausgenommen hat.
Nach § 7 dieses Gesetzes dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden. Die Diskriminierungsmerkmale nach § 1 sind:
- die Rasse (etwa Hautfarbe)
- die ethnische Herkunft (etwa Staatsangehörigkeit)
- das Geschlecht
- die Religion (anerkannte Weltreligionen)
- die Weltanschauung
- eine Behinderung
- das Alter
- die sexuelle Identität
Verstöße hiergegen können im Einzelfall Schadensersatzansprüche in unbegrenzter Höhe zur Folge haben.
Der Streitfall
Eine 23-jährige Kassiererin wehrte sich gegen einen Tarifvertrag. Dieser enthielt für eine Sechs-Tage-Woche eine Staffelung des Urlaubsanspruchs (30 bis 36 Werktage pro Jahr) nach vier Altersgruppen. Dabei stand Arbeitnehmern mit dem vollendeten 30. Lebensjahr der maximale Urlaubsanspruch zu. Die Kassiererin nahm die Differenzierung nach dem Alter als unzulässige Diskriminierung wahr.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf sah das genauso. Ein hinreichender Grund für die Ungleichbehandlung sei nicht zu erkennen. Dies gelte speziell für den Vortrag des Arbeitgebers, wonach die tarifliche Regelung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern solle. Wegen des Verbots der Altersdiskriminierung stünde der Kassiererin daher ebenfalls der maximale Urlaubsanspruch von 36 Werktagen pro Jahr zu.
Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 18.01.2011, Az.: 8 Sa 1274/10).
Das bedeutet die Entscheidung für Sie
Nach § 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) beträgt der gesetzliche Mindesturlaub (Erholungsurlaub) 24 Werktage (also einschließlich Samstag bei einer Sechs-Tage-Woche). In der Praxis werden in Arbeits- und Tarifverträgen oft höhere Urlaubsansprüche gewährt. Soweit deren Höhe jedoch nach dem Lebensalter gestaffelt ist, verstößt dies grundsätzlich gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.
Anspruch auf den Höchstwert
Findet für das Arbeitsverhältnis keine tarifvertragliche Regelung Anwendung, sollten Sie daher im individualrechtlichen Arbeitsvertrag unbedingt auf eine Staffelung des Urlaubsanspruchs nach dem Lebensalter verzichten.
Gilt dagegen eine solche Staffelung aufgrund
- einer kollektiven Regelung, also eines Tarifvertrags, oder
- der Vereinbarung in Ihren bestehenden Arbeitsverträgen,
müssen Sie davon ausgehen, dass alle Arbeitnehmer – egal, wie alt diese sind – den höchsten nach dem Vertrag vorgesehenen Erholungsurlaub beanspruchen können.
Experten-Tipp
Falls keine tarifvertragliche Regelung greift und Staffelungen nach dem Alter in den vorhandenen Arbeitsverträgen bestehen, können Sie diese durch eine einvernehmlich mit den Arbeitnehmern geschlossene Änderungsvereinbarung zum Arbeitvertrag ersetzen.
Hier sind Differenzierungen zulässig
Höhere Urlaubsansprüche aufgrund eines höheren Lebensalters sind aber nicht immer unzulässig. Vielmehr liegt keine unzulässige Diskriminierung vor, wenn ein hinreichender (sachlicher) Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist.
Das gilt insbesondere für den gesetzlichen Zusatzurlaub für Jugendliche nach dem Jugendarbeitschutzgesetz (JArbSchG) und schwerbehinderte Menschen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) IX.
Aber auch aus anderen hinreichenden Gründen kann eine Differenzierung nach dem Alter sachlich gerechtfertigt sein, etwa weil eine besondere Berufserfahrung honoriert wird.
Joachim Welper
Steuerberater