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Betriebsbedingte Kündigung

Möglichkeiten und Grenzen der betriebsbedingten Kündigung

Betriebsbedingte Kündigungen sind in der Praxis gerade an der Tagesordnung. Hier stehen Ihre Chancen gut, dass das Arbeitsgericht Ihre Kündigung als sozial gerechtfertigt einstuft. Allerdings müssen Sie bei der betriebsbedingten Kündigung auch bestimmte Grenzen beachten

Die betriebsbedingte Kündigung - kein leichter Fall. Die betriebsbedingte Kündigung - kein leichter Fall.

Wie Sie auf betriebliche Umstände, etwa Auftragsrückgänge, reagieren, ist  allein Ihre unternehmerische Entscheidung.

Die Arbeitsgerichte müssen wertungsfrei hinnehmen, ob, was, wieviel, wie und wo Sie produzieren. Die Gerichte dürfen auch nicht prüfen, ob Ihre Entscheidung sinnvoll oder zweckmäßig ist.

Experten-Tipp

Kontrollieren dürfen die Arbeitsgerichte jedoch, ob Ihre betriebsbedingte Kündigung gegen das Willkürverbot verstößt. Das ist der Fall, wenn Sie einem Mitarbeiter nur deswegen kündigen, weil Sie ihn „loszuwerden“ wollen.

Die betriebsbedingte Kündigung muss stichhaltig sein

Aufgrund Ihrer unternehmerischen Entscheidung muss mindestens ein Arbeitsplatz wegfallen. Dabei dürfen die Arbeitsgerichte prüfen, ob der Wegfall des Arbeitsplatzes auf Umstände beruht, die sich exakt auf Ihren Betrieb beziehen und stichhaltig sind.

Als stichhaltige Gründe werden in der Regel anerkannt:

  • Absatzschwierigkeiten
  • Auftragsmangel
  • Betriebsänderung
  • fehlende Rentabilität
  • Outsourcing (Fremdvergabe bestimmter Arbeiten oder Produktionsabläufe)
  • Rationalisierungsmaßnahmen
  • schlechte Witterung
  • (Teil)Betriebsstilllegung
  • Umsatzrückgang

Experten-Tipp

Häufig müssen Sie wegen der erforderlichen Stichhaltigkeit zusätzlich

  • Rationalisierungsmaßnahmen durchführen oder 

  • durch die Reduzierung Ihrer Personalkosten vermeiden können, dass Ihr Betrieb stillgelegt wird oder Sie weitere Mitarbeiter entlassen müssen.

Die betriebsbedingte Kündigung muss unvermeidbar sein

Sozial gerechtfertigt ist Ihre Kündigung nur, wenn die betrieblichen Erfordernisse dafür „dringend“ im Sinn des § 1 Abs. 2 KSchG sind.

Das setzt nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz voraus, dass Sie kein milderes Mittel als eine betriebsbedingte Kündigung haben. 

Ein solches Mittel steht Ihnen aber zur Verfügung, wenn Sie den Mitarbeiter auf einen anderen Arbeitsplatz  versetzen können. Das muss selbst dann erfolgen, wenn

  • ein anderer Arbeitsplatz erst nach Ablauf der Kündigungsfrist innerhalb eines für Sie zumutbaren Zeitraums frei wird oder
  • der Arbeitnehmer auf einen freien oder frei werdenden Arbeitsplatz erst nach zumutbaren Umschulungen oder Fortbildungen eingesetzt werden kann, zu denen er bereit ist.

Ein milderes Mittel haben Sie auch, wenn Sie einen anderen Platz zu schlechteren Arbeitsbedingungen anbieten können.

Experten-Tipp

Die Frage der Zumutbarkeit eines milderen Mittels richtet sich nach der Höhe Ihrer Kosten sowie der zeitlichen Dauer, die ein neu eingestellter Mitarbeiter benötigen würde, um am anderen Arbeitsplatz eingearbeitet zu werden.


Fallstrick Sozialauswahl: Nur bei Vergleichbarkeit

Anhand der Sozialauswahl sollen die Mitarbeiter ermittelt werden, die unter sozialen Kriterien den größten Schutz verdienen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Arbeitnehmer vergleichbar sind.

Das ist nicht gegeben, wenn

  • der einzelne Mitarbeiter noch keine 6 Monate bei Ihnen beschäftigt sind und daher nicht dem KSchG unterliegt
  • es sich um Auszubildende nach Ablauf der bis zu vier Monate dauernden Probezeit handelt
  • Sie Mitarbeiter befristet eingestellt haben, denen Sie nur fristlos, aber nicht fristgemäß, kündigen können
  • Sonderkündigungsschutz besteht, wonach generell nur eine fristlose Kündigung möglich ist (etwa Betriebsratsmitglieder) oder die zuständige Stelle Ihrer Kündigung erst zustimmen muss (etwa bei Elternzeitnehmern und schwerbehinderten Menschen)
  • Mitarbeiter tarif- oder einzelvertraglich gegen eine fristgemäße Kündigung geschützt sind 
  • Sie einen Mitarbeiter im Gegensatz zu den anderen nicht aufgrund Ihres Direktionsrechts versetzen können, sondern eine Änderungskündigung erteilen müssen

Experten-Tipp

Generell richtet sich die Frage, ob Mitarbeiter vergleichbar sind und damit für die Sozialauswahl eine Rolle spielen, danach, auf welchen Ebenen der Betriebshierarchie diese eingesetzt werden.

Vergleichbar sind nur Arbeitnehmer auf derselben Hierarchieebene (horizontale Vergleichbarkeit). Keine Vergleichbarkeit besteht auf unterschiedlichen Ebenen (vertikale Vergleichbarkeit). Hilfreich sind hier oft tarifliche Eingruppierungen.


So klappt´s mit der Sozialauswahl

Bei der sozialen Auswahl unter vergleichbaren Mitarbeitern zählen folgende Kriterien:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit,
  • Lebensalter,
  • Unterhaltspflichten und
  • eine etwaige Schwerbehinderung Ihres Mitarbeiters.

Experten-Tipp

Jedes Kriterium hat das gleiche Gewicht. Sie haben aber einen Beurteilungsspielraum, wonach Sie frei entscheiden dürfen, welche Kriterien Sie höher gewichten. Die einmal gewählte Reihenfolge müssen Sie dann beibehalten.


Welche Mitarbeiter Sie von der Auswahl ausnehmen dürfen

Mitarbeiter, deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, können Sie von der Sozialauswahl ausnehmen. Das gilt für solche,

  • die Sie für die Aufrechterhaltung bestimmter technischer Arbeitsläufe brauchen
  • die aufgrund höherer Qualifikationen besondere Aufgaben erledigen können
  • die erheblich leistungsstärker als andere Arbeitnehmer sind, so dass Sie auf diese Mitarbeiter nicht verzichten können
  • die für künftige Führungsaufgaben bereits fortgebildet und benötigt werden
  • die besondere persönliche Kontakte zu Kunden und Lieferanten haben

Experten-Tipp

Zudem dürfen Sie zur Erhaltung einer ausgewogenen Alterstruktur entsprechende Altersklassen bilden. Dabei müssen Sie aber darlegen, wie diese Personalstruktur aussehen soll, warum sie erforderlich ist und wie sie aufgrund der vorgenommenen Personalauswahl erreicht werden kann (BAG, Urteil vom 22.01.2009, Az.: 8 AZR 906/07). 


Ihr Betriebsrat darf mitreden

Ihren Betriebsrat  müssen Sie ihn vor der betriebsbedingten Kündigung anhören, § 102 Abs. 2 BetrVG.

Dazu können Sie mit ihm auch eine Auswahlrichtlinie nach folgendem Punktschema vereinbaren (BAG, Urteile vom 18.01.1990, Az.: 2 AZR 357/89; vom 05.12.2002, Az.: 2 AZR 549/01):

1.  Betriebszugehörigkeit

bis 10 Jahre je Dienstjahr: 1 Punkt
ab 11. Dienstjahr je Dienstjahr: 2 Punkte
Es zählen nur Dienstjahre bis zum vollendeten 55. Lebensjahr (maximal 70 Punkte)

2. Lebensalter 

Für jedes vollendete Lebensjahr 1 Punkt (maximal 55 Punkte)

3. Unterhaltspflichten

Verheiratet: 8 Punkte
Je unterhaltsberechtigtes Kind: 4 Punkte 

4. Schwerbehinderung

bis 50 % Erwerbsminderung: 5 Punkte 
über 50 % je weitere 10 %: 1 Punkt 

Je mehr Punkte Ihr Mitarbeiter hat, desto sozial schützenswerter ist er. Um unbillige Härten zu vermeiden, müssen Sie hier aber Ihre Sozialauswahl anschließend individuell überprüfen.

Dipl.-Betriebswirt Joachim Welper, LL.M. Joachim Welper ist Steuerberater bei HRW Steuerberater

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