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Hintergrundinformationen

Fallstricke bei Freistellungsaufträgen und Abgeltungssteuer

Die Abgeltungssteuer gilt nun seit einiger Zeit. Die Erträge unter neuem Recht waren gerade erst ausgeschüttet, da gab es schon erste Fragen. Vor allem sogenannte Steuergutschriften verwirren. Was dahinter steckt, klärt der folgende Text.

Freistellungsaufträge und Abgeltungssteuer Freistellungsaufträge und Abgeltungssteuer

„Steuergutschriften“ – ein Fallbeispiel

Herr Müller, selbständiger Einzelhändler in Niedersachsen, betreibt seit Jahren nebenbei Aktienanlage. Die Aktien hält er bis heute stets im Privatvermögen.

Er ist den Empfehlungen vom Team SteuerSPARbrief gefolgt und hat am 01.01.2009 ein neues Depot eröffnet, in das er alle Käufe seit Jahresbeginn fließen lässt. Im alten Depot hat er damit – zu seiner besseren Übersicht – den alten Rechtszustand konserviert.

Er wartet, bis die Aktien dort mindestens ein Jahr im Depot sind, um den eventuellen Gewinn dann steuerfrei einstreichen zu können. Dabei hilft ihm der derzeitige Aktienmarkt sogar:

Er kommt aufgrund der derzeitigen Tiefststände gar nicht erst in Versuchung, doch schon vor Fristablauf zu verkaufen.

Er hat seiner Bank einen Freistellungsauftrag in Höhe des vollen Sparerfreibetrages erteilt, der für beide Depots gilt, und zugleich beantragt, dass seine Kirchensteuer gleich ebenso einbehalten wird.

Ausschüttung der Siemens-Aktien

Im Januar 2009 hat Herr Müller – wie erwartet – eine Dividendenausschüttung auf seine Siemens-Aktien im alten Bestand. Stutzig macht ihn jedoch die Ausschüttungsmeldung seiner Bank.

Gutschrift auf Referenzkonto im Rahmen des Freistellungsauftrags

Dividende Siemens                                           1,60 €
Ausschüttung Siemens                                     1,27 €
Steuergutschrift                                                0,33 €
Auszahlung Siemens                                         1,60 €
zu 100 Aktien                                                    160 €
Valuta Referenzkonto                                     20.1.2009

Hinweis: alle Beträge gerundet 
 

„Steuergutschrift“: Was mache ich damit?

Das Wort „Steuergutschrift“ erzeugt bei Herrn Müller ambivalente Emotionen. Einerseits freut es ihn natürlich, wenn man „Steuern zurückbekommt“ – doch nur dann, wenn man diese nicht wieder irgendwohin abführen oder den Erhalt zumindest melden muss. Wie ist das hier?

Freistellungsauftrag liegt nicht bei Siemens

Der Rätsels Lösung: Siemens hat sich an die neue Gesetzeslage gehalten und Abgeltungssteuer zzgl. Solidaritätszuschlag abgeführt. Das ist richtig, denn abgeltungssteuerpflichtig ist immer die erste inländische Zahlstelle – und das ist hier im Fall Siemens und nicht etwa die Bank von Herrn Müller!

Das macht einen Abzugssatz von 26,375 % – denn Kirchensteuer behält Siemens nie ein, dazu hat man dort keinen Auftrag (der liegt, wenn erteilt, stets bei der Bank).

Die Bank macht Folgendes: Da sie einen Freistellungsauftrag von Herrn Müller hat, fordert sie zunächst vom Finanzamt die gesamte gezahlte Abgeltungssteuer zurück. Das ist die Steuergutschrift zu 0,33 €.

Für Sie nachgerechnet:

Dividende                                                                   1,60 €
Abgeltungssteuer inkl. Soli: 26,375 % ergibt             0,33 €
 

Kirchensteuerabzug regelt nun die Bank

Angenommen, der Sparerfreibetrag von Herrn Müller sei schon ausgeschöpft: Dann holt die Bank die bereits gezahlte Abgeltungssteuer nicht zurück. Das ist aber immer noch nicht der Zustand, den Herr Müller haben möchte.

Er möchte die Kirchensteuer auch einbehalten haben. Wenn alles richtig läuft, muss die Valutierungsmeldung der Bank dann so ausschauen:

Gutschrift auf Referenzkonto ohne oder bei überschrittenem Freistellungsauftrag

Dividende Siemens                                                   1,60 €
KapErtrSt/Soli ./.                                                       0,33 €
abzgl. Kirchensteuer ./.                                             0,01 €
Auszahlung Siemens je Aktie                                    1,26 €
zu 100 Aktien                                                            126 €
Valuta Referenzkonto                                            20.1.2009
 

Abgeltungswirkung tritt ein

Mit der obigen Abrechnung ist die gewünschte Abgeltungswirkung für Einkommensteuer/Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer eingetreten.

Für Sie nachgerechnet:

Dividende                                                                            1,60 €
Abgeltungssteuer inkl. Soli und KiSt 27,996 %
(Niedersachsen hat 9 % KiSt) ergibt Gesamtabzug             0,34 €

Wenn Herr Müller nicht aus anderen Gründen (z. B. Beantragung Anerkennung außergewöhnliche Belastungen – vgl. STSPB 13/2008) seine Kapitalerträge offen legen muss, kann er die 126 € getrost vereinnahmen und braucht sie dem Finanzamt nicht mittels einer Anlage KAP zu erklären.

Achtung: Die Banken rechnen natürlich mit mehreren Stellen hinter dem Komma, was sich insbesondere bei höheren Beträgen auswirkt.

Expertenrat

Leider müsste Herr Müller trotzdem eine Anlage KAP ausfüllen, wenn er es versäumt hat, die Bank mit dem Einbehalt der Kirchensteuer zu beauftragen. Das heißt: Offenlegung wegen weniger Cents – das kann nicht gewollt sein.

Daher sollten Mitglieder von Religionsgemeinschaften bei der Bank unbedingt auch den Antrag auf Einbehalt der Kirchensteuer stellen!

Wichtiger Hinweis

Würde Herr Müller sein Depot im Betriebsvermögen halten, gäbe es weder einen Sparerfreibetrag (Freistellungsauftrag) noch die Abgeltungswirkung des (trotzdem erfolgenden) Steuereinbehalts – hier muss immer erklärt werden.

Mathias Frenzel
Chefredakteur, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht

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