Kundenorientierung und Wertschätzung
Kundenorientierung bedeutet: Alle Geschäftsprozesse am Kunden ausrichten
In kundenfokussierten Unternehmen orientieren sich interne Strukturen entlang der Kundenbedürfnisse – und nicht an Abteilungsegoismen. Alle kundenbezogenen Geschäftsprozesse müssen deshalb auf den Prüfstand. Und das betrifft quasi jede Abteilung.
In manchen Unternehmen sind die Kunden nichts als Spielmasse im Hierarchie-Gerangel um Spitzenplätze auf der Karriereleiter. Und bei jedem Führungswechsel wird das ‚Löwe-Spiel’ gespielt: Beiß erst mal alles fort, was nicht aus deiner Ecke kommt. Wo etwa durch strukturelle Veränderungen ständig der Ansprechpartner wechselt, bleibt das Kundenvertrauen auf der Strecke. Der Neue, so denkt der betroffene Kunde, mag ein Spezi vom Chef sein – aber uns und unser Geschäft kennt er nicht! Mit dem kann er nicht, und mit dem will er nicht. Und bei erstbester Gelegenheit ist er auf und davon.
Bürokratie oft wichtiger als Kundenkontakt
Vertriebsmitarbeiter, stellen Vertriebseffizienzstudien immer wieder aufs Neue fest, verbringen im Schnitt nur 20 Prozent ihrer Arbeitszeit mit aktivem Verkauf. 50 Prozent des gesamten Tages wird hingegen mit Administration verbracht, der Rest fällt auf Reisetätigkeiten und Leerzeiten. Ja, mit ‚Management by Budget‘ kann man zwar Mitarbeiter disziplinieren, aber keine Kunden faszinieren.
Die Zahlenhörigkeit in vielen Führungsgremien ist geradezu absurd. Wie es dazu kommt? ‚Nur was man messen kann, kann man auch steuern’, so lautet die dazugehörige Managerweisheit. Okay, Controlling ist bis zu einem gewissen Punkt richtig, aber zuviel ist zuviel. Statistiken, Kennzahlen und Kuchendiagramme sind ein prima Beschäftigungsprogramm für Angsthasen und mutlose Entscheider. Und jeden Freitag ist dann Märchenstunde: Der Wochenbericht muss geschrieben werden.
Ein ausuferndes Berichtswesen gibt den Mitarbeitern jede Menge guter Gründe, sich vom Kunden abzuwenden, frei nach dem Motto: "Würde nicht so viel Zeit mit dem Reporting draufgehen, hätte ich mehr Zeit zum Verkaufen." Man stelle sich nur einmal vor, um wie viel besser die Ergebnisse dort sein können, wo Verkäufer den Kunden 60 statt 20 Prozent ihrer Zeit schenken dürfen.
Mensch vor Sache: Sympathie entscheidet
Jeder Kauf, das ist inzwischen hinlänglich bekannt, hat auch mit guten Gefühlen zu tun. Emotionen managen: Dies ist demnach eine der anspruchsvollsten Aufgaben eines Vertriebsmitarbeiters. Sein größtes Hindernis ist eine vom Controller verordnete Optimierung der Verkaufsprozesse, die Zeit für Gefühle als unnötig wegrationalisiert. Wer als Kunde allerdings seinem Verkäufer dauerhaft verbunden ist, der wird diese Loyalität auch auf das Produkt übertragen. Und dort, wo Produkte nicht faszinieren oder austauschbar sind, dort können es wenigstens die Menschen tun.
Unterschiedliche Kundenpersönlichkeiten haben völlig unterschiedliche Betreuungs- und Serviceerwartungen. Sie wünschen sich aber nicht nur fachliches Knowhow, sondern darüber hinaus von ihren Ansprechpartnern auch Kommunikationsvermögen, Feingefühl und Empathie. Soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz sind Haupterfolgsfaktoren im Kundenkontakt. Sie können sogar fachliche Defizite betören.
Andersherum funktioniert es allerdings nie: Von einem Unsympathen kauft man nichts. Die hartnäckigen Beziehungspflege-Versuche von Menschen, die man gar nicht mag, sind dabei ganz besonders lästig – und führen nie zum Ziel. Sympathie hingegen schafft Zuneigung – und damit Kaufbereitschaft. Eine gute Passung zwischen Betreuer und Kunde ist also höchst erstrebenswert. Und umsatzfördernd. Harmonieren hingegen Verkäufer und Kunde nicht, ist es bald aus mit der Geschäftsbeziehung.
Die kundenfreundliche Vertriebsorganisation
Speziell im Vertrieb erfordert also die ernsthafte Hinwendung zu wahrer Kundenfokussierung Prozesse, die auf den Kunden ausgerichtet sind. Produktorientierte oder auch regional organisierte Verkaufsformationen sind nicht länger zielführend. Sie müssen durch loyalitätsorientierte Strukturen ersetzt werden. Der lokale Firmensitz des Kunden oder seine Branchenzugehörigkeit kann ja wohl nicht das einzig entscheidende Kriterium dafür sein, welcher Key-Accounter beziehungsweise Sales-Mitarbeiter der hauptsächlich aktive Kontakter ist.
Der Kunde entscheidet künftig, wer die Betreuungsfunktion bei ihm ausfüllen darf. Will heißen: Der Kunde bekommt den Verkäufer, den er haben will. Organisation folgt Emotion. Die zwischenmenschliche Beziehung entscheidet! Das ist hier so leicht geschrieben und abnickbar. Für manche Verkäufer, gerade für die hochdekorierten unter ihnen, wird dies eine riesige Herausforderung sein. Denn nun wird so einer offen sagen müssen, dass er mit einem Kunden nicht ‚kann’, und dem Kollegen den Vortritt lassen, bei dem die Wellenlänge stimmt.
Kundenfokussierter Vertrieb: Eine Revolution für viele Vertriebsstrukturen, ein Segen für die Umsätze des Unternehmens. Wenn man solche Facetten nur endlich mal messen würde! Unverträglichkeit zwischen Betreuer und Kunde wird ja leider nicht budgetiert. Und in Kundenabwanderungsstatistiken kommt dieser Punkt niemals vor. Kennziffern für Empfehlungsadressen, die Verkäufer aus Sympathie erhalten, gibt es ebenfalls nicht.
Personalentwicklung kundennah gestalten
Nomen est omen. In einer Personalverwaltung wird, wie der Name schon sagt, hauptsächlich verwaltet. Ja, wenn ich mich mit Human-Ressources-Verantwortlichen unterhalte, erfahre ich viel über Standards, Strukturen und die Tücken des Arbeitsrecht. Kunden kennen die meisten nur vom Hörensagen. In HR-Zeitschriften bleiben sie außen vor. Ich habe aber auch Personaler getroffen, die im LKW mit zum Kunden fahren, durch die Werkshallen laufen und auch mal mit am Beratungstisch sitzen.
Denn nur HR-Verantwortliche mit solchen Erfahrungen können wirklich ein Gespür dafür entwickeln, was Mitarbeiter drauf haben müssen, um die Kundschaft des Unternehmens immer wieder neu zu begeistern. Die entscheidende Frage des Personalmanagements also muss lauten: Welche Kompetenzen brauchen wir für unsere Kunden von heute und morgen? Dabei muss die Mitarbeiterentwicklung konsequent vom Markt, sprich vom Kunden her gestaltet werden.
Aber dann ist es ein Handicap, wenn Recruiting & Development, wie es in den meisten Unternehmen üblich ist, an der Verwaltung hängen oder gar bei Finance & Controlling angedockt sind. Die Folgen erscheinen offensichtlich: Verwaltung ist immer vergangenheitsorientiert, sie neigt zum Sparen, zu Administration und zu überbordender Bürokratie. Bürokratie will alles gleichmachen, also auch Mitarbeiter gleichmachen. Und genau das ist tödlich für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.
Autorin: Anne M. Schüller