Indirekter Vertrieb

Die Kooperation mit den Vertriebspartnern leben

Der Erfolg einer Ehe hängt unter anderem davon ab, wie fest die beiden Partner zu ihrem wechselseitigen „Ja“ stehen und wie engagiert sie ihre Partnerschaft leben. Ähnlich verhält es sich bei der Zusammenarbeit von Herstellern technischer Güter und ihren Vertriebspartnern. Auch diese Beziehung muss gelebt und gepflegt werden.

Walter Poss - Berater für das Beratungsunternehmen Peter Schreiber & Partner Walter Poss - Berater für das Beratungsunternehmen Peter Schreiber & Partner

Jeder Hersteller technischer Güter muss sich fragen: Wie verkaufe ich meine Produkte am besten – mit eigenen Verkäufern direkt an meine Kunden oder indirekt über Vertriebspartner? Oder entscheide ich mich für eine Mischform? Also bediene ich zum Beispiel bestimmte Key Accounts selbst und die Breite des Marktes über den Handel. Die Antwort auf diese Grundsatzfrage hat Auswirkungen auf die Struktur und Organisation des Herstellers.

Partnerschaft oder „der Partner schafft“?

Beim indirekten Vertrieb, zum Beispiel über Groß- oder Fachhändler, spricht man oft von „Partnerschaft“. Wird sie in einer Win-win-Form gelebt, sind beide Seiten zufrieden. Hat jedoch eine Seite das Gefühl, einer ist der „Partner“ und der andere „schafft“, dann ist die Zusammenarbeit nicht von Dauer.

Die Erwartungen des Marktes sowie der Endkunden erfordern heute eine strategisch gestaltete Zusammenarbeit zwischen den Herstellern und ihren Vertriebspartnern. Früher genügte oft ein guter Kontakt zu den Inhabern und Einkäufern der Vertriebspartner, um stabile und erfolgreiche Beziehungen aufzubauen. Heute sind jedoch die Verkaufsleiter und die Verkäufer der Vertriebspartner der „Schlüssel“ zum Erfolg. Sie müssen als Unterstützer gewonnen werden – zum Beispiel

  • durch eine aktive Teilnahme und Mitwirkung des Herstellers an den Verkäufer-Meetings der Vertriebspartner,
  • durch motivierende, produktorientierte Verkaufsschulungen der Außen- und Innendienstmitarbeiter der Vertriebspartner (statt rein fachlich ausgerichteten Produktschulungen) und
  • durch ein gemeinsames Akquirieren potenzieller Kunden.

Viele Aktionen zur Marktbearbeitung der Marketingbereiche der Hersteller versanden, weil die Aktivitäten nicht mit den Vertriebspartnern koordiniert wurden. Oder noch schlimmer: Der Händler nutzt die Sonderkonditionen der Aktion für seine Regeldispo. Das heißt: Die gewünschte Forcierung des Abverkaufs erfolgt nicht, und die Aktion ist ein Flop.

Partnerschafts- statt Händlerverträge

Wie können Hersteller ihre Vertriebspartner als engagierte Partner gewinnen? Die Zeiten des „Diktates“ seitens der Hersteller sind vorbei – wenn es sie überhaupt je gab. Denn die Vertriebspartner sind selbstständige Unternehmen – mit berechtigten Eigeninteressen. Deshalb ist ein beidseitiger Partnerschafts- statt einem einseitigen Händlervertrag die richtige Startbasis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Ein solcher Partnerschaftsvertrag sollte in der Präambel zunächst die Grundsätze der gemeinsamen Marktbearbeitung und die generellen Ziele der Zusammenarbeit beschreiben Zudem sollten in ihm unter anderem folgende Elemente fixiert sein:

  • generelle Maßnahmen zur gemeinsamen Marktbearbeitung: Zu welchen Unterstützungen verpflichtet sich der Hersteller/Vertriebspartner?
  • gemeinsame Marketing-Maßnahmen: Wozu verpflichtet sich der Hersteller/Vertriebspartner in den Bereichen Verkaufsförderung, Messen, Werbung, Marktauftritt usw.?
  • Bevorratung und Logistik: Wozu verpflichtet sich der Hersteller/Vertriebspartner, um eine Wettbewerbsdifferenzierung durch optimale, vollständige und zeitnahe Lieferung sicher zu stellen?
  • Serviceleistungen für Kunden: Wozu verpflichtet sich der Hersteller/Vertriebspartner zum Beispiel bezüglich Erreichbarkeit, Ersatzteilversorgung, Instandhaltung?
  • Menschen, Prozesse, Tools: Was unternehmen Her-steller und Vertriebspartner gemeinsam? Zum Beispiel Produkt- und Verkaufsschulungen für die Mitarbeiter des Vertriebspartners, Regelung der Prozesse zur Auftragsabwicklung und Reklamationsbearbeitung, Nut-zung von IT-Systemen für CRM, Angebotserstellung und Auftragsabwicklung. Und selbstverständlich sollte im Partnerschaftsvertrag auch ein nach den Leistungen des Vertriebspartners gestaffeltes Konditionensystem definiert sein (zum Beispiel Grund-Wiederverkaufsrabatt, Rabatt für Marketingleistungen des Vertriebspartners, Rabatt für Qualifizierungsleistungen des Vertriebspartners).


Rechte und Pflichten, Leistung und Gegenleistung – das ist die Basis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Und jede Seite darf von der anderen ein klares Commitment zur Partnerschaft erwarten.

Eine aktive Beziehungspflege betreiben

Eine Kernfrage für die Hersteller ist: Wie motiviere ich die Vertriebsorganisation meiner Partner? Großhändler haben in der Regel ein breites Sortiment. Auch in der Produktgruppe des Herstellers führen sie im Normalfall Wettbewerbsprodukte. Also werden sie von vielen Herstellern mit unzähligen Aktionen, Produktneueinführungen und anderen Aktivitäten „überladen“. Entsprechend wichtig ist es, dass sich der Hersteller klar als Partner und nicht nur als Lieferant positioniert. Das bedeutet:

  • Beziehungen aufbauen,
  • den Abverkaufsprozess unterstützen,
  • die ‚Chefs‘ und Mitarbeiter der Vertriebspartner fordern und fördern,
  •  …

Das setzt voraus, dass der Hersteller die unternehmerischen Ziele seiner jeweiligen Händler kennt und seine Aktivitäten darauf ausrichtet.

Eindeutig „Ja“ zum Partner sagen

Ist der Händler der richtige Partner? Diese Frage muss der Hersteller mit einem klaren „Ja“ beantworten. Denn bestehen diesbezüglich Zweifel, steht er auch nur bedingt zu ihm. Das spürt der Händler – weshalb zwischen den „Partnern“ keine emotionale Beziehung wächst. Indikatoren dafür, ob ein Händler der Richtige ist, sind neben Marktzugang und -potenzial unter anderem:

  • Lassen sich seine Verkäufer für die Produkte des Herstellers begeistern?
  • Ist der Händler bereit, seine Mitarbeiter gezielt für den Verkauf der Produkte des Herstellers schulen zu lassen?
  • Sind die Verkäufer dazu bereit, mit den Außendienst-Mitarbeitern des Herstellers Zielkunden zu besuchen?
  • Ist der Händler offen für das gemeinsame Erstellen und Realisieren von Konzepten zum Erschließen bestimmter Zielkunden/Marktsegmente?
  • Ist der Vertriebspartner zuverlässig, loyal und hält er Vereinbarungen ein?


Auch der Händler muss überzeugt ja zur Partnerschaft sagen. Fragen, die er sich in diesem Kontext stellen sollte, sind:

  • Hat das Sortiment des Herstellers die nötige Breite und Tiefe für meine Zielgruppe?
  • Ist sein Vertriebskonzept nachhaltig auf die Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern ausgerichtet?
  • Bietet er mir die notwendige Unterstützung für eine aktive Marktbearbeitung?
  • Ist der Hersteller innovativ und somit zukunftsfähig – zum Beispiel bei seinen Produkten und Prozessen?
  • Kann ich bei einer entsprechenden Vermarktung mit einer guten Marge rechnen?
  • Werden gemeinsame Konzepte zur Entwicklung der Zielkunden erarbeitet?
  • Unterstützt der Hersteller mich mit den nötigen Flyern, Produkt- und Verkaufsunterlagen?
  • ……

Regelmäßig kommunizieren und gemeinsam planen

Beim Beantworten der vorgenannten Fragen tauchen in der alltäglichen Zusammenarbeit der Hersteller mit ihren Partnern immer wieder Meinungsunterschiede auf – schließlich haben die Beteiligten teils unterschiedliche Interessen. Deshalb sind, um die emotionale Beziehung der Partner stabil zu halten und ein allmähliches Sich-Entfremden zu vermeiden, regelmäßige, zum Beispiel quartalsweise Review-Gespräche nötig, um die Zusammenarbeit und den Stand der Umsetzung der gemeinsam in den Jahresgesprächen verabschiedeten Ziele zu evaluieren.

In diesen Jahresgesprächen gilt es nicht nur den Absatz und die Umsätze, also das Ergebnis, sondern auch das WIE zu planen – also die Marktbearbeitungs- und Verkaufsprozesse, die zu den gewünschten Ergebnissen führen. Die Kernfrage lautet: Wie können wir gemeinsam den Markt für beide Seiten gewinnbringend bearbeiten?

Wichtig ist dabei, dass die Partner die hiermit verbundenen Prozesse und Aktivitäten konsequent zu Ende denken. Hierfür ein Beispiel aus der Praxis. Bei der Einführung eines neuen Produkts arbeiten die Produktmanager der Hersteller oft alle technischen Details hervorragend auf. Die Prospekte erklären das Produkt in allen Farben und die Mitarbeiter der Händler werden mit allen technischen Raffinessen vertraut gemacht. Doch leider befasst sich das Produktmanagement kaum mit der verkäuferische Umsetzung. Das heißt, die Händler und ihre Mitarbeiter erhalten wenig Informationen zum Markt und Marktumfeld:

  • Welche Zielgruppe ist die geeignete?
  • Zu welchen Anwendungen passt das neue Produkt am besten?
  • Wie sieht das Wettbewerbsumfeld aus?
  • Wie sieht für die Kunden das Preis-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu den Wettbewerberlösungen aus?
  • Wie kann das Produkt in Systemlösungen integriert werden?
  • Welcher Mehrwert wird hierdurch generiert?
  • ….?


Ein weiterer Klassiker ist das Planen von Hausmessen. Hierbei denken die Händler meist vorrangig an eine finanzielle Beteiligung des Herstellers an den Kosten. Und die Hersteller? Sie sehen wiederum primär die Kosten und fragen sich: Muss das sein? Also beginnt anlassbezogen ein Fingerhakeln um Zuschüsse und Konditionen, statt dass sich Hersteller und Händler bereits im Jahresgespräch gemeinsam fragen: Wie können wir das Instrument „Hausmesse“ gezielt nutzen, um unsere gemeinsamen Jahresziele zu erreichen? Was muss dazu gemeinsam vorbereitet werden? Und: Was soll nach der Hausmesse konkret passieren?

Die Partnerschaft pro-aktiv gestalten und leben

Die Beispiele zeigen: Eine Vertriebspartnerschaft muss von beiden Seiten pro-aktiv gelebt werden, damit alle Beteiligten erfolgreich und somit zufrieden sind und uneingeschränkt „Ja“ zur Partnerschaft sagen.

Um frühzeitig die Richtlinien der Zusammenarbeit zwischen einem Hersteller und seinen Vertriebspartnern abzustimmen und nicht einseitig festzulegen, ist das Implementieren eines Händlerbeirates sinnvoll. Dieser Beirat, bestehend aus Inhabern, Geschäftsführern oder auch Verkaufsleitern der Vertriebspartner, trifft sich regelmäßig mit der Geschäftsleitung des Herstellers. In diesen Meetings können strategische Fragen diskutiert und beantwortet werden. So werden Missverständnisse vermieden und die Weichen für eine ertragreiche Zusammenarbeit gestellt.

Zuweilen bietet sich auch das Einrichten von Arbeitsgruppen an, zum Beispiel für die Produktentwicklung und Verkaufsförderung, um die Partner frühzeitig in die Überlegungen des Herstellers einzubinden. Können die Vertriebspartner ihr Wissen über Markterfordernisse und ihre Ideen zur Marktbearbeitung einbringen, garantiert dies später eine konsequentere Realisierung der Maßnahmen.

Zum Autor: Walter Poss arbeitet als Berater für das auf den Vertrieb von Industriegütern und -dienstleistungen spezialisierte Beratungsun-ternehmen Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld ( www.schreiber-training.de ). Er war 15 Jahre Geschäftsführer bei mehreren marktfüh-renden, mittelständischen Unternehmen. Zuvor sammelte Walter Poss Praxiserfahrung im Direktvertrieb sowie im mehrstufigen Vertrieb von technischen Produkten – als Verkäufer im Außendienst, regionaler Verkaufsleiter, Key-Account-Manager und Vertriebsleiter (Tel.: 07062/96 96 8; E-Mail: zentrale@schreiber-training.de).

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