Die demografische Entwicklung als Herausforderung für Gesellschaft und Politik!
Wie definiert man den demograhischen Wandel?
Mit dem Begriff "demographischer Wandel" wird die Veränderung der Zusammensetzung der Altersstruktur einer Gesellschaft bezeichnet.
Der demographische Wandel
Der Begriff ist zunächst weder positiv noch negativ behaftet und kann sowohl eine Bevölkerungszunahme als auch eine Bevölkerungsabnahme bezeichnen. Die demographische Entwicklung wird dabei von folgenden drei Faktoren beeinflusst:
- der Fertilität/ Geburtenrate
- der Lebenserwartung
- und dem Wanderungssaldo
Die Entwicklung der Bevölkerungszahl ergibt sich also aus der Summe des Wanderungssaldo und des Geburten- oder Sterbeüberschusses.
Demographische Entwicklung in Deutschland
Sinkende Geburtenrate
Deutschland hält seit 1973 einen traurigen Rekord: Es war das erste Land , in dem die Zahl der Sterbefälle höher war als die Zahl der Geburten.
Die Geburtenzahl, die im Jahr 1964 mit fast 1,2 Millionen Geburten ihren Höhepunkt erreicht hatte, ist bis heute auf rund 673.000 im Jahr gesunken. Allein in den letzten 15 Jahren ist sie um 22% gesunken.
Prognosen gehen davon aus, dass diese Entwicklung weiter anhält. Die Folge: In 40 bis 50 Jahren kommen in Deutschland auf eine Geburt zwei Sterbefälle.
Die sinkende Zahl der Geburten ergibt sich aus der von Generation zu Generation sinkenden Anzahl junger Frauen. Bei einer Geburtenhäufigkeit von derzeit durchschnittlich 1,4 Kindern pro Frau werden die heute etwa 30-jährigen Frauen bis zum Ende des gebärfähigen Alters (49 Altersjahre) deutlich weniger Kinder zur Welt bringen, als dies für den zahlenmäßigen Ersatz ihrer Generation erforderlich wäre. Das Bestandserhaltungsniveau liegt bei 2,1 Kindern pro Frau.
Verstärkt wird die Entwicklung zusätzlich durch den Verfall von traditionellen Werten wie Familie und dem daraus resultierenden Trend zu immer mehr kinderlosen Singlehaushalten. Die geborenen Mädchenjahrgänge werden zahlenmäßig immer kleiner. Bei ebenfalls durchschnittlich 1,4 Kindern wird die künftige Kinderzahl weiter sinken, da dann auch weniger potenzielle Mütter leben. Die Zahl der geburtenfähigen Frauen (15-49 Jahre) nimmt von 20 Millionen 2001 auf 14 Millionen 2050 ab. Ihr Anteil an der Bevölkerung sinkt ebenfalls, und zwar von derzeit ca. 24% auf etwa 19%.
Steigende Lebenserwartung und steigendes Durchschnittsalter
Während die Geburtenrate in Deutschland abnimmt, steigt die Lebenserwartung dagegen beständig an. Die Lebenserwartung liegt heute bei 77 (bei Männern) bzw. 82 Jahren (bei Frauen). Bis ins Jahr 2050 wird ein Anstieg auf 83 Jahre bei Männern und auf 88 Jahre bei Frauen erwartet.
Das Durchschnittsalter der Bevölkerung wird aufgrund der steigenden Lebenserwartung und der sinkenden Geburtenzahl von derzeit 41 Jahren auf ca. 48 Jahren in der nächsten Generation ansteigen. In zwanzig bis dreißig Jahren werden dann mehr Menschen zwischen 60 und 80 Jahre alt sein als zwischen 20 und 40. Vor allem die ursprünglich größte mittlere Altersgruppe der 35-49-jährigen wird deutlich abnehmen. Heute stellt sie mit 20 Millionen Menschen knapp 40% der Menschen im Erwerbsalter dar.
Im Jahr 2050 wird sie von der Gruppe der 50-64-jährigen übertroffen. Diese älteste Generation der Erwerbsbevölkerung wird im Unterschied zu der jüngeren und mittleren Generation 2050 zahlenmäßig fast so groß wie heute sein. Während die Zahl der 20-34-jährigen von 16 Millionen im Jahr 2001 auf 12 Millionen im Jahr 2050 sinkt (-24%) und die Zahl der 35-49-jährigen im gleichen Zeitraum von 20 auf 14 Millionen schrumpft (-31%), nimmt die Gruppe der 50-64-jährigen lediglich um etwa 400.000 ab (-3%) und umfasst auch 2050 über 15 Millionen Menschen.
Diese Entwicklung lässt sich auch am Altenquotienten ablesen. Der Altenquotient gibt das Verhältnis der Bevölkerung im Rentenalter (ab 60 Jahren) im Verhältnis zur Bevölkerungsgruppe im Erwerbsalter (20 bis 59-jährige) wieder. 1995 lag der Altenquotient bei 37, 2001 schon bei 44, womit 100 Menschen im Erwerbsalter 44 Personen im Rentenalter gegenüberstanden. Die langfristige Betrachtung zeigt einen weiteren erheblichen Anstieg des Altenquotienten. Der Altenquotient wird bis 2030 auf 71 und bis 2050 weiter auf 78 steigen.
Zuwanderung
Auch wenn es in der Öffentlichkeit oftmals nicht so wahrgenommen wird, so ist Deutschland längst ein Zuwanderungsland. Ohne die Zuwanderung würde die Bevölkerungsgröße in Deutschland bereits heute abnehmen. Dass dem noch nicht so ist, rührt daher, dass die Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten im Saldo bei ungefähr 165.000 Menschen pro Jahr lag.
Auch in Zukunft ist Zuwanderung daher unerlässlich. Diese darf aber nicht unkontrolliert stattfinden, sondern muss gesteuert werden. Dabei ist die Qualifikation der Zuwanderer ein wichtiges Kriterium. Außerdem müssen Maßnahmen zur Integration der Zuwanderer getroffen werden.
Zusammenfassung
Legt man ein Wanderungssaldo von 200.000 und eine Lebenserwartung von 86 Jahren für Frauen und 81 Jahren bei Männern zu Grunde, beginnt die Bevölkerung in Deutschland ab dem Jahr 2012 bei einer Bevölkerungsgröße von 83,2 Millionen zu schrumpfen. Für das Jahr 2050 würde das eine Bevölkerungsgröße von ca. 75 Millionen Menschen bedeuten. Geht man von einer geringeren Zuwanderung von nur 100.000 jährlich aus, gibt es im Jahr 2050 sogar nur noch 65 Mio. Einwohner in Deutschland.
Lebenserwartung (Jahre) | 1999/2001 | 2000/2002 | 2001/2003 | 2050* |
Männer | 75,11 | 75,38 | 75,59 | 81,14 |
Frauen | 81,07 | 81,22 | 81,34 | 86,61 |
Neugeborene Anzahl | 1999/2001 | 2000/2002 | 2001/2003 | 2050* |
Mädchen und Jungen | 790.000 | 770.000 | 720.000 | 575.000 |
Entwicklung des Altenquotienten | 1970 | 1995 | 2001 | 2010* | 2020* | 2030* | 2040* | 2050* |
Frauen und Männer | 39,8 | 36,6 | 43,9 | 46,0 | 54,8 | 70,9 | 72,8 | 77,8 |
Zahlen: Statistisches Bundesamt (2003)
Die Folgen des demographischen Wandels
Die Bevölkerung in Deutschland wird in den nächsten Jahrzehnten immer kleiner und dabei gleichzeitig immer älter werden. Diese Entwicklung betrifft jedoch nicht Deutschland allein, vielmehr sind mehrere westliche Länder sowie Japan ebenfalls davon betroffen.
Die Folgen des demographischen Wandels sind bereits abzusehen. Die Alterung der Gesellschaft hat weit reichende Auswirkungen auf das Wirtschafts- und Sozialsystem. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen aber vor allem die Folgen der demographischen Entwicklung für die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland.
Der Einfluss des demographischen Wandels beschränkt sich jedoch nicht auf die sozialen Sicherungssysteme. Zu berücksichtigen sind auch weitere wichtige Aspekte, die in der öffentlichen Diskussion allenfalls am Rande wahrgenommen werden:
- Welche Auswirkungen hat die demographische Entwicklung auf die Zahl der Erwerbstätigen?
- Welche Auswirkungen hat der demographische Wandel auf Unternehmen und Erwerbstätige?
- Welche Auswirkungen und Folgen hat der demographische Wandel auf die Altersstruktur der Belegschaft in Unternehmen?
- Welche Auswirkung hat die Entwicklung auf die Innovations- und Leistungsfähigkeit der Unternehmen?
- Welche Folgen hat der demographische Wandel auf den Stand Deutschlands im internationalen System?
Die Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme
Die Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme ist aufgrund der dramatischen demographischen Entwicklung schon heute nicht mehr gewährleistet. Grundsätzlich stellt sich die Frage nach der Finanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme in ihrer bestehenden Form.
In Deutschland liegt sowohl der gesetzlichen Krankenversicherung als auch der gesetzlichen Rentenversicherung das Umlageverfahren zu Grunde. Das bedeutet, dass die einbezahlten Beiträge unmittelbar für die Finanzierung der erbrachten Leistungen herangezogen werden. Im Umlageverfahren wird davon ausgegangen, dass die Einnahmen gegenüber den Ausgaben über einen langen Zeitraum konstant bleiben.
In Zukunft muss aber eine immer kleiner werdende Gruppe von Einzahlern eine immer größer werdende Anzahl von Rentnern mitfinanzieren. Um dies zu erreichen, müssten die Beiträge deutlich über dem heutigen Niveau liegen.
Vorsorgeleistungen, die früher von den Kindern aufgebracht wurden, müssen in Zukunft mehr von den Individuen getragen werden. Allerdings verfügt eine Gesellschaft, die weniger Kinder hat, die sie alimentieren muss, auch über mehr Mittel diese Leistungen aufzubringen.
Gesetzliche Rentenversicherung
Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung steht in Anbetracht der gravierenden Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung vor dem Kollaps und wird zukünftig nicht in der Lage sein, eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung im Ruhestand zu gewährleisten.
100 Menschen im Erwerbsalter (von 20 bis 59 Jahren) stehen aktuell 44 Personen im Rentenalter (ab 60 Jahren) gegenüber. Dieser Wert wird sich nach einer Prognose des Statistischen Bundesamtes bis zum Jahr 2050 auf 78 erhöhen. Diese Entwicklung hat natürlich Einfluss auf die Sicherheit der Renten. Das derzeitige Versorgungsniveau von mindestens 80% des letzten Nettogehalts kann durch die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr annähernd erreicht werden.
Aufgrund der zunehmenden Zahl an Rentnern und der sinkenden Zahl an Beitragszahlern müssen die Beiträge zukünftig weiter angehoben werden, um das bisherige Niveau der Renten zu halten. Aufgrund der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft muss die gesetzliche Rentenversicherung aber auch immer länger Renten an ihre Mitglieder zahlen. Durch negative und nicht durch Wanderungsüberschüsse kompensierbare Geburtenraten sinkt die Zahl der Beitragszahler zur gesetzlichen Rentenversicherung drastisch. Verschiebungen in der Erwerbsstruktur führen erschwerend dazu, dass die gesetzliche Rentenversicherung für immer mehr Rentner aufkommen muss. Dies ist aber nur noch in sehr begrenztem Umfang möglich. Um diese Entwicklung zu finanzieren, müsste der Rentenbeitrag im Laufe der nächsten Jahrzehnte um mehr als 20 Prozent angehoben werden.
Daher muss in Zukunft in größerem Maße als bisher privat vorgesorgt werden. Denn die gesetzliche Rentenversicherung kann in absehbarer Zeit nur noch als Grundsicherung dienen. Sinnvoll und notwendig wäre dabei eine Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine kapitalgedeckte Säule. So lassen sich die Absicherung der Rentner und die Wettbewerbsfähigkeit der Rentenbeitragssätze langfristig gewährleisten. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung ist auch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters sinnvoll, bei gleichzeitig weniger Möglichkeiten zur Frühverrentung.
Gesetzliche Krankenversicherung und Pflegeversicherung
Bei der umlagefinanzierten gesetzlichen Krankenversicherung ergeben sich ähnliche Probleme wie bei der Rentenversicherung. Der demographische Wandel wird sich aber auch auf die Finanzierung der Pflegeversicherung auswirken.
Der demographische Wandel wird bei der gesetzlichen Krankenversicherung sowie bei der Pflegeversicherung dazu führen, dass die Zahl der Beitragszahler immer weiter sinken wird. In zwanzig bis dreißig Jahren werden mehr Menschen zwischen 60 und 80 Jahre alt sein als zwischen 20 und 40. Bei einem 60-jährigen sind die Gesundheitsausgaben im Vergleich zu denen eines 20-jährigen im Durchschnitt mehr als doppelt so hoch. Zudem werden die Menschen auch immer älter werden. Ein Anstieg der Ausgaben ist daher unvermeidbar. Hinzu kommt auch der Kostenanstieg aufgrund des voranschreitenden medizinisch-technischen Fortschritts. Diese Entwicklung trifft die gesetzliche Krankenversicherung ebenso wie die Pflegeversicherung.
Der zukünftige Ausgabenanstieg wird zu weiteren Anhebungen der Beitragssätze und damit ebenfalls zu einer Belastung der Lohnnebenkosten führen. Um dem entgegenzuwirken, muss auch hier über Alternativen nachgedacht werden. Eine Möglichkeit wäre, die gesetzliche Krankenversicherung zu einer solidarischen Grundsicherung umzugestalten, die dann durch private Vorsorgemaßnahmen ergänzt wird. Eine weitere diskutierte Möglichkeit ist die Privatisierung des medizinischen Alltagsbedarfs und die solidarische Finanzierung überdurchschnittlicher Krankenkosten.
Auswirkungen auf die Arbeitswelt
Innerhalb der nächsten vier Jahrzehnte wird sich die Erwerbspersonenzahl aufgrund des demographischen Wandels um rund zehn Millionen Menschen reduzieren. Die Zahl der Erwerbstätigen wird dann um 1/5 geringer sein als heute.
Das Erwerbspersonenpotential (15 bis 64-jährige) wir von heute 55 Millionen auf 44 Millionen im Jahr 2050 sinken. Das ist ein Rückgang um zwanzig Prozent. Begrenzt man das Erwerbspersonenpotential auf die Gruppe der 20 bis 64-jährigen, so werden ab 2013 jährlich mehr Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden als einsteigen. Diese Entwicklung könnte zu einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften führen.
Um einem möglichen Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen kann mehr als bisher auf bestehende Reserven an qualifizierten Arbeitskräften zurückgegriffen werden, anderen kann der Entwicklung durch mögliche Produktivitätssteigerungen entgegen gewirkt werden. Um den Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen zu kompensieren, wäre im Zeitraum von 2010 bis 2035 pro Jahr ein Anstieg der Produktivität um 0,45 Prozentpunkte notwendig.
Die sinkende Zahl der Erwerbspersonen könnte zudem auch zu einer steigenden Erwerbsneigung bei Frauen führen. Bei einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften wird es zudem immer wichtiger, das vorhandene Humankapital zu pflegen.
Unternehmen werden sich in Zukunft mit einer weiteren Entwicklung auseinander setzen müssen: Die Belegschaft eines Unternehmens wird im Durchschnitt immer älter. Auf diese Entwicklung müssen sich die Unternehmen einstellen. Daher ist es notwendig, dass die Unternehmen lernen, das Potential ihrer älteren Arbeitnehmer besser zu nutzen. Dazu gehört auch eine bessere Eingliederung älterer Arbeitnehmer in den Produktionsprozess.
Wahrnehmung der Problematik in der Öffentlichkeit
Die ersten Auswirkungen der demographischen Entwicklung werden wohl erst in zehn Jahren sichtbar werden, bis dahin herrscht die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Denn trotz einer zunehmenden Thematisierung der Folgen des demographischen Wandels, gibt es bisher noch kein schlüssiges Konzept, wie dieser Entwicklung entgegengewirkt werden kann.
Die Probleme, die aus dem demographischen Wandel entstehen, sind jedoch absehbar. Dies bietet der Politik die Chance, frühzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Dies ist allerdings auch zwingend notwendig.