Die Europäische Mittelstandspolitik: Small Business Act & Co.


(Bild: Fotolia.com / Grecaud Paul)

Europa steht vor großen Herausforderungen – und das in verschiedenen Bereichen. Ein wichtiger Bereich ist die Wirtschaftsleistung. Um diese zu stärken, wurden und werden verschiedene Maßnahmen ergriffen, damit der europäische Binnenmarkt und die Wirtschaftskraft der einzelnen Länder stabil bleibt und wachsen kann. Im Fokus der Maßnahmen stehen die Mittelständler.

Warum ist der Mittelstand so wichtig für Deutschland und Europa?

Der Mittelstand ist das Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Über 20 Millionen Familienbetriebe bzw. kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) gibt es in Europa. Sie beschäftigen rund 70 Prozent der Arbeitskräfte im privaten Sektor. In Deutschland sieht die Lage ähnlich aus: Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sind 99 Prozent aller Unternehmen Mittelständler, die mehr als die Hälfte der Wertschöpfung erwirtschaften, über 60 der Arbeitsplätze stellen und für über 80 Prozent der Ausbildungsplätze sorgen.

Aus diesen wichtigen Gründen muss der Mittelstand gestärkt werden. Das geschieht unter anderem mit der Strategie „Europa 2020“ und dem „Small Business Act“.

EU-Definition: Was sind KMU?

Die Kommission versteht unter KMU Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten, kleine Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten sowie mittelgroße Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten. Dazu gehören unter anderem Handwerksbetriebe, Familienbetriebe und Unternehmen der Solidarwirtschaft.

Welche Herausforderungen gibt für die EU im Bezug auf den Mittelstand?

Die Welt ist im Wandel. Themen wie die Globalisierung, die Digitalisierung (Stichwort: Industrie 4.0), Jugendarbeitslosigkeit und die Energiewende treiben die Wirtschaft um. Die Anforderungen an die Menschen und ihre Arbeitsplätze verändern sich zunehmend, die Wirtschaft wird wissens- und technologiebasiert. Das sorgt auch für soziale Umbrüche und Probleme.

Der wirtschaftliche Wandel wird nicht nur von den Großunternehmen getragen, sondern besonders von den KMU. Die Mittelschicht spielt somit eine wichtige Rolle. Dazu die Kommission der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 2008: „Dynamische Unternehmer sind dafür prädestiniert, die mit der Globalisierung und der Beschleunigung des technologischen Wandels verbundenen Chancen zu ergreifen. Der Wohlstand der EU wird daher in Zukunft entscheidend davon abhängen, ob wir imstande sind, das Wachstums- und Innovationspotenzial kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) zu nutzen.“

Weiter heißt es in dem Papier, das den Namen „Vorfahrt für KMU in Europa: Small Business Act für Europa“ (kurz: SBA) trägt: „In einem Umfeld, das weltweit im Wandel begriffen ist und im Zeichen von ständigen strukturellen Veränderungen und verschärftem Wettbewerbsdruck steht, spielen die KMU in unserer Gesellschaft eine noch wichtigere Rolle für die Schaffung von Arbeitsplätzen und tragen entscheidend zum Wohlergehen von lokalen und regionalen Gemeinschaften bei. Durch gesunde KMU wird Europa in unserer globalisierten, von Unsicherheit geprägten Welt besser bestehen können.“

Was soll durch die Europäische Mittelstandspolitik erreicht werden?

Gerade die Finanzkrise hat gezeigt, wie fragil und wackelige der Mittelstand und die gesamte Wirtschaft sein kann. Die Europäische Kommission schrieb dazu im Jahr 2010: „Die Krise hat Jahre des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts zunichte gemacht und die strukturellen Schwächen der europäischen Wirtschaft aufgedeckt. Unterdessen entwickelt sich die Welt rasch weiter, und die langfristigen Probleme – Globalisierung, Ressourcen-Knappheit, Alterung – verschärfen sich. Es ist an der Zeit, dass die EU ihre Zukunft in die Hand nimmt.“

Mit dem Small Business Act und anderen Maßnahmen im Rahmen der Europäischen Mittelstandspolitik müssen auch die Besonderheiten von KMU bedacht werden: Wie die Mittelständler auf lokaler und nationaler Ebene agieren, fällt extrem unterschiedlich aus. Dementsprechend soll die Förderung und Stärkung des europäischen Mittelstands die Vielfalt beachten.

Was sind die Ziele des Small Business Act?

Mit dem Small Business Act sind mehrere Zielsetzungen verknüpft. Hier eine Zusammenfassung:

  • Mittelständige Unternehmen müssen unterstützt werden, damit sie besser wachsen können
  • Die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit muss gestärkt werden
  • Hindernisse sollen aus dem Weg geschafft werden, zum Beispiel durch Bürokratieabbau
  • Der Zugang zum Binnenmarkt soll verbessert werden
  • Durch Investitionen wird die Konjunktur belebt, wodurch neue Arbeitsplätze geschaffen werden können
  • Der Zugang zu Krediten und Fördergeldern soll vereinfacht werden
  • Die Internationalisierung von KMU wird gefördert

Wie lauten die konkrete Forderungen im SBA?

Das mehrseitige Dokument der Kommission der Europäischen Gemeinschaften enthält einige klar ausformulierte Forderungen, wie den KMU unter die Arme gegriffen werden soll. Hier ein paar Beispiele:

  • "Politische Instrumente sollen KMU-gerecht gestaltet werden, so dass die KMU leichter an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen und staatliche Beihilfen besser nutzen können.“
  • „Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollen die Behörden für die Bedürfnisse der KMU sensibilisieren, den Alltag für sie so einfach wie möglich gestalten und dafür insbesondere elektronische Behördendienste und zentrale Anlaufstellen (One-Stop-Shops) fördern.“
  • „Weiterqualifizierung und alle Formen von Innovation sollen auf der Ebene der KMU gefördert werden.“
  • „Die Mitgliedstaaten werden ersucht, innovatives und unternehmerisches Denken bei jungen Menschen zu fördern und als Schlüsselkompetenz in die Lehrpläne der Schulen – vor allem der Sekundarstufe – aufzunehmen und dabei sicherzustellen, dass dieser Aspekt im Unterrichtsmaterial korrekt dargestellt wird.“
  • „Die KMU sollen in die Lage versetzt werden, Umweltprobleme in Geschäftschancen umzuwandeln.“
  • „Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten den Zugang der KMU zu Finanzierungen erleichtern, insbesondere zu Risikokapital, Kleinstkrediten und Mezzaninkapital, und sie sollten das rechtliche und geschäftliche Umfeld für eine größere Zahlungsdisziplin im Geschäftsleben schaffen.“
  • „Die Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass rechtschaffene Unternehmer, die insolvent geworden sind, rasch eine zweite Chance bekommen.“
  • „Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollen insbesondere durch marktspezifische Förderung und Unternehmerschulung dafür sorgen, dass die KMU vom Wachstum der Märkte außerhalb der EU profitieren bzw. sie dazu ermutigen.“

Wie reagierten die Wirtschaft und ihre Interessenvertreter darauf?

Monika Dürrer, Geschäftsführerin des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), kommentierte den SBA folgendermaßen: „Think small first - denkt zuerst an die KMU - sollte ein Leitprinzip bei der zukünftigen Gesetzgebung sein; sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene und in allen Politikbereichen.“

Das Bundesverband der Deutschen Wirtschaft e.V. (BDI) hält die Unterstützung von KMU ebenfalls für eine gute Sache. Im Positionspapier „Zehn Handlungsfelder für eine moderne EU-Industriepolitik“ steht: „Nur wenn wir Mittelstand und Familienunternehmen stärken, werden wir wieder mehr Wachstum und Beschäftigung erreichen – in Deutschland und in Europa.“

Der Bundesverband mittelständischer Wirtschaft (BVMW) begrüßt den SBA ebenfalls: „Die Europäische Union muss den Mittelstand weiterhin fördern. Mit dem Small Business Act ist ein erster Schritt dazu getan. Es gilt, Bürokratie- und Finanzlasten zu reduzieren, Hürden für den Binnenmarkt abzubauen und Chancengleichheit zwischen Konzernen und mittelständischen Unternehmen zu gewährleisten.“

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