Digitale Systeme zur Aufgabenverwaltung sind durchdachte Applikationen. Sie haben bloss einen Fehler - sie funktionieren nicht. Post it-Zettelchen haben sich als perfekte «Work arounds» erwiesen.
To Do-Apps und digitale Aufgabenverwaltungs-Systeme - ich liebe sie. Die grossen habe ich alle ausprobiert, Remember the milk , Things , Omnifocus , Wunderlist und in einem früheren Leben sogar Outlook. Egal, für welches Tool man sich entscheidet, es sind allesamt nützliche Tools: Sie sind mein digitales Gehirn, sie lassen mich auf raffinierte Weise grosse Mengen an Informationen verwalten und erlauben in ihren jüngsten Inkarnationen die Zusammenarbeit mit Kollegen und Kolleginnen - mit dem Berliner Wunderkit ist das Aufgabenmanagement definitiv «social» geworden - das Facebook für Produktivität hat es Kollege Martin genannt.
Sie funktionieren nicht
Die unterschiedlichen Systeme haben allesamt ihre Anhänger, verschiedene Features und Eigenheiten. Der Markt bietet eine unerschöpfliche Vielfalt an Tools, in jeder Preisklasse, für jeden Arbeitsstil und jedes Betriebssystem. In meiner App-Karriere haben aber alle eine Gemeinsamkeit an den Tag gelegt: Sie funktionieren nicht. Mit «sie funktionieren nicht» meine ich ihre ganz ursprüngliche Aufgabe: Mir dabei zu helfen, meine Aufgaben erledigt zu kriegen. Nach meiner Beobachtung hat das verschiedene Gründe: Meine Daten und Aufgaben zu pflegen ist ein nicht zu unterschätzender Aufwand - und wächst mit der steigenden Zahl an Möglichkeiten und Features des Tools. Die Komplexität nimmt zu. Noch viel hemmender aber: Die Zahl meiner Aufgaben in diesen Tools bewegt sich konstant zwischen 50 und 100 Aufgaben. Das ist normal und auch nicht weiter besorgniserregend. Bloss unübersichtlich. Und diese Unübersichtlichkeit führt zu Lähmung: So viele Aufgaben, wo fange ich bloss an? Meine leider viel zu häufige Antwort auf die Frage lautete: Gut, dann muss ich die Aufgaben reorganisieren. Neue Prioritäten setzen. Die Termine aufeinander abstimmen. Etceterea pp. Im schlimmsten Fall gab es nur noch eine Lösung: Ein neues Tool musste her. In einem Wort: Prokrastination.
Das fehlende Puzzleteil
Mir fehlte ein Stück in meinem Aufgabenverwaltungssystem. Ein kleines Puzzleteil, das mir helfen würde, Aufgaben eben nicht nur zu verwalten, sondern tatsächlich erledigt zu kriegen. Geholfen hat mir am Ende ein alter Bekannter, an Einfachheit nicht zu übertreffen: Der gemeine Post it-Zettel. Die Haftzettelchen verwende ich abends, um mir für den kommenden Tag meine To Do-Liste zusammenzustellen. Ausgangspunkt ist meine «grosse» elektronische Aufgabenverwaltung, zur Zeit Omnifocus, sowie ein Blick in den Kalender: Wieviel Zeit bleibt morgen neben Meetings und anderen Terminen zum «Arbeiten»? Post its haben einige Vorteile: Der Platz darauf ist beschränkt. Ich komme nicht in Versuchung, mich zu «überbuchen» und mir zu viele Aufgaben vorzunehmen. Die Regel ist, nur einen Zettel auszufüllen, zwei sind nicht erlaubt. So bleibt es in der Regel bei fünf bis sieben woh lpriorisierten Aufgaben. Der grösste Nutzen zeigt sich dann aber am kommenden Tag, wenn es darum geht, das Zettelchen abzuarbeiten: 1A-Fokus.
Unbedingter Fokus
Die kurze Liste mit fünf bis sieben Items lässt mir keine Wahl, was ich zu tun habe: Einfach den nächsten Punkt abarbeiten. Ich verschwende keine Sekunde mit der Frage, was als nächstes erledigt werden muss. Mehr oder weniger im Autopilot arbeite ich meine Liste durch. Erstaunlicherweise ist die zeitliche Einschätzung vom Vorabend meistens sehr präzise. Häufig bin ich sogar zu früh mit der Liste durch. Das führt zu der sehr befriedigenden Situation, sogar noch mehr erledigt zu kriegen als ich mir vorgenommen habe.
Für neue Aufgaben, die während des Tages reinkommen, verwende ich nach wie vor Omnifocus. Das Tool bietet eine praktische Schnellerfassungs-Option; mit einer einfachen Tastenkombination kann ich neue Aufgaben rasch erfassen und in den elektronischen Posteingang legen. Zu einem späteren Zeitpunkt ordne ich sie dann dem richtigen Projekt zu, terminiere sie und ergänze sie um allfällige Notizen oder Beilagen.
Ich habe lange Zeit nach einer Möglichkeit gesucht, meine Aufgabenverwaltung «zum Fliegen zu bringen» - das Post it hat sich erstaunlicherweise als das perfekte Instrument dafür erwiesen. Ich bin nicht sicher, ob die Handschriftlichkeit noch was dazu beiträgt - viele Autoren verweisen auf «höheres Commitment» oder bewusstere Arbeit, wenn man solche Dinge von Hand erledigt. Ich kann mir gut vorstellen, das es einen Einfluss hat, bin mir aber nicht so sicher. Auf jeden Fall ist es sehr praktisch, ich suche deshalb auch kein elektronisches Pendant wie Sticky Notes.
Welche Erfahrungen habt Ihr mit den «grossen» Systemen gemacht? Funktionieren sie oder benötigt ihr ebenfalls noch Ergänzungen?
Artikelbild: Miel Van Opstal bei flickr.com (CC BY 2.0)