Selbermachen mag nicht immer effizient sein, aber eins ist klar: Die DIY-Kultur übt auf uns alle eine grosse Anziehung aus. Warum? Weil Machen glücklicher, mächtiger, bewusster, sozialer und meditativer macht.
DIY - Do it yourself oder Selbermachen - ist in den letzten Jahren zu einer breiten Bewegung geworden, und das, obwohl doch Vieles gegen das Selbermachen spricht : Wenn wir die Spezialisierung aufgeben, die unsere Vorfahren so hart errungen haben, ist das ein Rückschritt ins dunkle Zeitalter der Unprofessionalität. Wir schlagen uns dilettantisch durchs Leben, verschwenden massenhaft Zeit und Energie.
Vor kurzem ist mir allerdings die 8. Ausgabe von Abstrakt - Taschenlabor für Zukunftsfragen» (Hrsg.: W.I.R.E.) in die Hände gefallen. Das Titelbild verkündet in Grossbuchstaben: “Machen ist Macht». Diese Behauptung hat mich stutzig und neugierig gemacht. Das Lesen der klugen Artikel in dem Buch und meine eigenen Beobachtungen übers Selbermachen haben mich zu einer ganzen Reihe von Argumenten für das DIY-Prinzip inspiriert:
- Machen macht glücklicher:
Wir leben in einer hoch spezialisierten Wissensgesellschaft. Karl Marx hat als Erster erkannt, dass wir dereinst die Beziehung zum Produkt unserer Arbeit verlieren und dadurch unglücklich würden.
Ein Gegenstand, den ich selbst entworfen und mit einem 3D-Drucker hergestellt habe, wächst mir zweifellos stärker ans Herz als etwas, das ich im Laden gekauft habe. Und wer sein MacBook Pro selbst erfolgreich im Backofen repariert hat, empfindet offensichtlich Glücksgefühle.
- Machen macht mächtiger:
Seit der Aufklärung hat man uns eingetrichtert: «Wissen ist Macht». Heute wissen wir im Vergleich zu damals enorm viel. Dennoch fühlen wir uns beherrscht und manipuliert von den Firmen, welche die Gegenstände unseres täglichen Gebrauchs herstellen.
Wer selber macht, fühlt sich etwas weniger ohnmächtig: Wenn ich das Gemüse esse, das ich in meinem eigenen Garten gezogen habe, dann bin ich von der Lebensmittelindustrie weniger abhängig. Ich entscheide selbst, ob ich Dünger verwende oder nicht, und wie lang der Transportweg vom Beet in den Teller ist (enorm kurz nämlich). Kein Wunder, schiessen Urban-Gardening- und Urban-Farming-Projekte aus dem Boden.
- Machen macht bewusster:
Nachhaltigkeit ist zum Lifestyle geworden. Wir alle möchten nachhaltiger leben. Und doch stellen wir immer wieder mit Schrecken fest, dass wir keine Ahnung haben, welchen Schaden die Produkte, die wir konsumieren, Umwelt und Menschen zufügen.
Angebote wie CO2-Rechner oder Apps mit Infos über die Herkunft von Produkten vermitteln zumindest Wissen. Aber erst wer beispielsweise selbst seine Wände neu streicht, stellt fest, dass ein Grossteil der im Handel erhältlichen Farben Giftstoffe enthält.
- Machen macht sozialer:
Wer etwas herstellt, der tut dies meist nicht allein. Er tauscht Erfahrungen mit Gleichgesinnten aus. Die Selbermacher-Community pflegt einen regen Dialog auf Websites wie Instructables. Und der erfolgreiche Abschluss der Herstellung ist noch nicht das Ende: Meine selbstgemachten Gebrauchsgegenstände kann ich auf dem Flohmarkt verkaufen oder auf « Maker Faires », die es inzwischen rund um den Globus gibt.
- Machen macht meditativer:
«Zwischendurch brauche ich «hirnlose» Arbeit, das ist so schön meditativ», höre ich immer wieder von Kollegen. Ich kann ihnen nur zustimmen. Es gibt für mich nichts Entspannenderes, als meine Gartenbeete zu jäten. Die Gedanken schweifen ins Blaue und entscheiden selbst, was sie tun: Entweder wird der Kopf ganz leer, oder aber er liefert mir plötzlich eine zündende Idee für ein laufendes Projekt.
- Die Macher-Mentalität:
Aber zurück zum Arbeitsleben: Handarbeit als Abwechslung zur Büroarbeit fördert unsere Macher-Mentalität. Habe ich gestern beim Zusammenbauen von Möbeln nicht plötzlich die ideale Lösung gefunden, als ich ein ungewohntes Werkzeug ausprobiert habe? Diese kreative, zupackende und flexible Haltung in unseren Alltag zu transportieren, kann bestimmt nicht schaden.
Kurz: Selbermachen tut gut.
Oder, um auf Marx' Gedanken von der Entfremdung zurückzukommen: Indem wir uns diese kleinen Oasen des Selbermachens schaffen, gelingt es uns zumindest in einzelnen Momenten, wieder eine Beziehung zum Produkt unserer Arbeit aufzubauen.
Oder: Aus irgendeinem Grund schmeckt der selbstgebackene Kuchen auch missraten noch besser als der perfekte gekaufte.