Wir begrüssen im Ring: E-Mail vs. Telefon. Beides tolle Erfindungen, ohne die ich nicht mehr leben möchte. Doch welches Kommunikationsmittel gewinnt den Kampf um den Produktivitäts-Titel?
Was habe ich mich gefreut, als ich im ersten Lehrjahr mit meinen Freundinnen mailen konnte, auch wenn dies mein Lehrlingsbetreuer (geschweige denn die Tante vom Personal) gar nicht gerne gesehen haben. Aber ich war jung und unvernünftig und hatte keine grosse Lust, Bestellungen abzuarbeiten oder Zahlen zu schieben. In meiner Klasse gab es tatsächlich noch Leute, die keine E-Mail hatten oder nur eine info@adresse, die sie nicht für private Zwecke nutzen durften. Sara hatte auch keine E-Mail. Notgedrungen faxten wir uns seitenlange Briefe hin und her. Ja, wirklich, wir faxten uns gegenseitig! Ich habe noch einen ganzen Stapel unserer Fax-Kommunikation zu Hause.
Heute, im Hier und Jetzt, dominieren Mail und Telefon unsere Kommunikation. Was ist produktiver? Zum Hörer greifen oder eine E-Mail schreiben? Um das herauszufinden, lasse ich die Beiden im Ring gegeneinander antreten: Zehn Runden entscheiden über Sieg oder Niederlage. Ring frei für die erste Runde:
Runde 1: Effizienz
- Telefon: Zum Hörer greifen, anrufen, Frage stellen, Antwort erhalten.
- E-Mail: Man muss das Email schreiben, senden und hat keine Ahnung, wann die Antwort eintreffen wird.
Der Punkt geht an: Telefon .
Runde 2: Zeitpunkt
- Telefon: Nur während den Bürozeiten möglich. Oft muss man vorab einen Termin vereinbaren, um sicherzugehen, dass die Person auch Zeit für ein Gespräch hat. Oder man «steht» minutenlang in der Warteschleife und muss sich zum X-ten Mal Wagner anhören.
- E-Mail: E-Mails kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit schreiben und versenden.
Der Punkt geht an: E-Mail
.
Runde 3: Anstrengung
- Telefon: Man bemüht sich um eine freundliche Stimmlage, darf nichts Falsches sagen, das Gesagte kann nicht einfach ausradiert werden…
- E-Mail: Vor dem Senden kann das Geschriebene jederzeit überarbeitet und geändert werden, bis man die richtigen Worte gefunden hat.
Der Punkt geht an: E-Mail (vor allem, wenn jemand nicht so taktvoll ist oder Angst hat, etwas Falsches zu sagen)
.
Runde 4: Zeitverschwender
- Telefon: Das Risiko, einen Vielredner anzutreffen, besteht durchaus. Aus einem kurzen Anruf wird eine halbe Stunde. Und was kommt dabei raus? Nichts. Niemand hat Zeit für sowas.
- E-Mail: Man hat die volle Kontrolle, welche Themen kommuniziert werden. Abschweifen eher schwierig.
Der Punkt geht an: E-Mail
.
Runde 5: Missverständnisse
- Telefon: Missverständnisse können üblicherweise sofort geklärt werden.
- E-Mail: Bis die Sache für beide Seiten klar ist, werden unter Umständen etliche E-Mails hin und her geschickt.
Der Punkt geht an: Telefon
.
Runde 6: Informationsfluss
- Telefon: Man kann nur Informationen austauschen, die man auch beschreiben kann.
- E-Mail: Bilder, Dokumente oder Links zu weiterführenden Informationen mitschicken, alles kein Problem.
Der Punkt geht an: E-Mail
.
Runde 7: Mehrere Personen gleichzeitig informieren
- Telefon: Entweder man ruft jede Person einzeln an oder man beruft eine Telefonkonferenz ein.
- E-Mail: Man nimmt alle Beteiligten auf den Verteiler.
Der Punkt geht an: E-Mail
.
Runde 8: Beweismaterial
- Telefon: Um Beweise zu sammeln, müsste das Gespräch aufgezeichnet werden.
- E-Mail: Man hat die Worte des Gesprächspartners schriftlich. Vorausgesetzt die Email wurde nicht gelöscht.
Der Punkt geht an: E-Mail
.
Runde 9: Informationsfluss zum zweiten
- Telefon: Bei einer Telefonkonferenz bekommt jeder Teilnehnemer das Gesprochene mit und kann seine Meinung sofort äussern.
- E-Mail: Die angemailten Personen antworten zu verschiedenen Zeiten (oder gar nicht) und haben die Antworten anderer Beteiligten vielleicht gar nicht gelesen.
Der Punkt geht an: Telefon
.
Runde 10: Erreichbarkeit
- Telefon: Gewisse Person sind ständig unterwegs oder in Meetings besetzt und die Assistentin blockt Anfrufe ab.
- E-Mail: Die E-Mail wird vielleicht auch nicht gelesen, aber einen Versuch ist es Wert.
Der Punkt geht an: E-Mail
Das Resultat: Mit sieben zu drei Punkten geht die E-Mail als klare Gewinnerin aus unserem Preiskampf hervor. Eine E-Mail bringt gegenüber dem Telefon viele Vorteile mit. Präzise Kommunikation zu jeder Tages- und Nachtzeit ist möglich. Man kommuniziert gleichzeitig mit mehreren Personen. Mürrige Sekretärinnen haben ausgeblockt.
Aber es ist kein K.O.-Sieg: Je nach Gesprächspartner sollte man zum Hörer greifen. Das Telefon ist ein bewährtes Kommunikationsmittel, wenn es schnell gehen muss oder wenn der Gesprächspartner umschweifend und missverständlich auf E-Mails antwortet. Und zu guter Letzt ist ein Telefonat doch viel persönlicher.
(Bild: Procsillas Moccas bei flickr.com)