Der Sektenexperte und Redaktor Hugo Stamm hat neulich in einem Blogpost über das positive Denken nachgedacht und ist zum Schluss gekommen, es sei ein gefährlicher Zwang, der den Blick aufs Wesentliche verstelle. Ich meine: Positives Denken im Arbeitsleben macht produktiver und zufriedener. Und hilft uns, das Monster Prokrastination zu besiegen.
Das positive Denken sei des Teufels , schrieb sinngemäss Hugo Stamm in seinem Blog im Tages-Anzeiger. Wobei er sich natürlich anders ausdrückte, denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass Herr Stamm an den Teufel glaubt. Ebensowenig wie an esoterisches Gedankengut, dem er den «Zwang zum positiven Denken» zuordnet.
Der Artikel wurde heftig diskutiert; für Pro- und Contra-Argumente wurden unter anderem Camus und die Sagengestalt Sysiphus bemüht. Die philosophischen Diskussionen in Ehren - wir von imgriff.com sind fürs Pragmatische zuständig; deshalb fasse ich im folgenden zusammen, welche enormen Vorteile das positive Denken mit sich bringt, wenn’s um Produktivität und Zufriedenheit in der Arbeitswelt geht.
Wohlgemerkt: Ich bin nicht etwa für ein Verbot, sich Probleme und Schwierigkeiten vor Augen zu halten und dann dafür Lösungen zu finden. Schwierigkeiten zu ignorieren, gehört für mich nicht in die Rubrik «positives Denken», sondern unter «Vogel-Strauss-Taktik».
Wir programmieren uns auf Erfolg oder Misserfolg
Selbsterfüllende Prophezeiungen wirken im Negativen wie im Positiven. Der ehemalige imgriff.com-Autor Ivan Blatter hat in diesem Blogpost sehr anschaulich beschrieben, wie wir uns durch unsere Einstellung selbst konditionieren und auf Erfolg oder eben Misserfolg trimmen. Natürlich: Wenn wir beispielsweise mit unserem Team an einem Projekt arbeiten, sind wir wie überall im Leben machtlos gegenüber verschiedenen Ereignissen, die ausserhalb unseres Einflusses liegen. Aber all das, was wir beeinflussen können, sollten wir nicht zusätzlich durch eine negative Haltung blockieren.
Blockaden und festgefahrene Muster aushebeln
Besonders in grösseren Unternehmen oder Organisationen habe ich schon mehrmals beobachtet, dass ganze Abteilungen gelähmt sind durch negative Überzeugungen, die sich mit den Jahren eingeschlichen haben. Die erste Reaktion auf eine Idee ist dann immer gleich: «Vergiss es; das hat noch nie funktioniert und wird auch nie funktionieren». Solche Strukturen werden träge und unproduktiv . Wer daran etwas ändern will, kann nicht von heute auf morgen den Beweis erbringen, dass es eben doch funktioniert. Schafft er es aber, positives Denken zu etablieren, so kann er die Menschen dazu bringen, das Erreichen der neuen Ziele zu unterstützen statt ihm entgegenzuwirken. Um diese Dynamik zu erzeugen, kann ein wenig (bewusst kultivierte) Blauäugigkeit nichts schaden, wie ich in einem früheren Blogpost erläutert habe .
Positives Denken gegen den Feind Prokrastination
Wenn ich für mich allein arbeite, unterliege ich bisweilen einem ähnlichen Mechanismus: Ich erfinde Dutzende von Gründen, weshalb ein Unterfangen unendlich schwierig ist und ich es jetzt einfach nicht schaffe, es anzupacken. Unser Autor Marcel Widmer hat den Ursprung dieser Blockade sehr schön auf den Punkt gebracht: (Selbst)Zweifel, Ablenkung und Perfektionismus sind die Hürden, die es zu überwinden gilt. Um dies zu erreichen, setze ich eines meiner bewährten Produktivitätstools, das positive Denken ein. Was tue ich konkret?
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Ich erinnere mich an die Erfolgserlebnisse, die ich erfahren habe, wenn ich ähnliche Projekte erfolgreich abgeschlossen habe.
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Ich rufe mir ins Gedächtnis, dass ich alle Fertigkeiten besitze, die ich brauche, um eine Lösung für die Fragestellung zu finden.
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Ich denke nicht automatisch: «Soundso wird mir bestimmt Steine in den Weg legen», sondern ich überlege mir im Gegenteil, wer mich bei meinem Vorhaben unterstützen könnte.
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Ich stachle meinen eigenen Ehrgeiz an und freue mich, aus der Herausforderung etwas zu lernen.
Das positive Denken hilft mir, ins kalte Wasser zu springen und loszulegen. Habe ich dann mal ein Stück geschafft, ermutigt mich das Erfolgserlebnis, weiterzufahren.
Die Prokrastination , durch Ängste unproportional zum Monster aufgebläht, sieht plötzlich nicht mehr so bedrohlich aus, wenn wir ihr nüchtern mit positivem Denken zu Leibe rücken. Mit dieser Überlegung könnte sich vielleicht sogar Hugo Stamm anfreunden.
Bild: Luca Ribichini bei flickr.com (CC BY 2.0)