Pragmatisch betrachtet geht es beim Coworking um besonders flexibel verfügbare Büroarbeitsplätze.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn in der Praxis kann es sehr viel mehr sein. Die in San Francisco entstandene Idee der Coworking Spaces geht auf eine einfache Erkenntnis zurück: Alleine zu arbeiten macht auf Dauer keinen Spass. Denn es ist zwar sehr effektiv, wenn man nicht von externen Einflüssen wie den Kollegen abgelenkt wird. Aber zum einen gibt es solche Störeinflüsse auch im eigenen Haushalt und zum anderen ist der Mensch nun einmal im Grunde ein soziales Wesen.
Es ist darüber hinaus ein bestens bekanntes Phänomen, dass die sprichwörtlichen «Gespräche in der Teeküche» in einem Büro oftmals den grössten Effektivitätsschub bringen, obwohl sie von aussen betrachtet wie Zeitverschwendung anmuten. Der Austausch mit Kollegen bringt neue Ideen oder sorgt für die notwendige Entspannung zwischendurch. Und wer hat nicht schon erlebt, dass allein Reden dabei helfen kann, auf die Lösung für ein Problem zu kommen.
Wer aber nun einmal Freelancer ist, der hat in der Regel die Wahl zwischen Arbeitszimmer oder einer Bürogemeinschaft. Genau dazwischen platziert sich das Coworking. Man ist nicht allein wie im heimischen Arbeitszimmer, man verpflichtet sich aber auch nicht so wie bei einer Bürogemeinschaft.
Harte und weiche Argumente fürs Coworking
Ein «Coworking Space» ist dabei ersteinmal nichts anderes als ein Büro, dessen Plätze zu flexiblen Konditionen vermietet werden. Man kann einige Male im Monat auftauchen oder aber auch jeden Tag. Man hat oftmals mindestens einen Besprechungsraum zur Verfügung und kann auf andere Dienstleistungen wie beispielsweise ein Postfach zugreifen.
Neben diesen praktischen Überlegungen gibt es aber ebenso weiche Faktoren, die fürs Coworking sprechen können. So sehen sich viele Anbieter zugleich als Treffpunkt, an dem man neue Kontakte knüpft. Das können Gleichgesinnte sein oder aber Menschen aus anderen Berufszweigen. Der Austausch untereinander ist dabei ein wichtiges Element, ebenso die gegenseitige Hilfe.
Nach den Worten des Coworking Manifesto kann das deutlich mehr als eine Serviceleistung sein, die man aus praktischen Gründen wahrnimmt. Manche sehen es als eine Lebenseinstellung an. Man muss dem allerdings nicht folgen, um Coworking als hilfreich und nützlich zu erleben.
Praktische Erfahrungen mit Coworking
Um meine eigenen Erfahrungen einmal als praktisches Beispiel heranzuziehen: Als Blogwerk-Autor wähle ich meinen Arbeitsort frei aus. Ich nutze dafür in der Regel das Arbeitszimmer meiner Wohnung und weiss die Ruhe dort sehr zu schätzen. Mindestens einmal die Woche aber bin ich im Hannoveraner Coworking Space «Edelstall». Mir gefällt dessen Lage mitten in der Innenstadt, die Atmosphäre in den Räumen und nicht zuletzt die Begegnung mit den anderen Coworkern. Erst kürzlich habe ich jemanden getroffen, der sich so wie ich für das Thema E-Books begeistern kann und auch schon selbst eines herausgebracht hat. Und wenn man nicht vor Ort ist, bekommt man über die Facebook-Gruppe mit, wenn jemand gerade Rat sucht oder etwas Interessantes entdeckt hat.
Anfang Oktober habe ich zudem zwei Wochen von San Francisco aus gearbeitet und bin dafür fast jeden Tag in die Innenstadt zu «Next Space» gefahren. Die haben inzwischen etliche Standorte in der Region und täglich taucht mindestens ein Interessent auf, der durch die Räume geführt wird. An einer grossen Pinnwand werden hier Berichte und sonstige Materialien der anderen Coworker gesammelt. Natürlich gibt es eine Küche, Tee und Kaffee sind dabei inklusive. Und immer freitags um 15.58 Uhr gibt es eine «Happy Hour»: Essen und Trinken, bezahlt von einem Sponsor. Innerhalb der 14 Tage habe ich dabei Menschen aus den USA, Grossbritannien und Südkorea kennen gelernt. Ich bekam einen sehr nützlichen Veranstaltungstipp und auch sonst hilfreiche Hinweise, um mich in der Stadt zurechtzufinden.
Nicht nur für Freelancer
Übrigens würde ich Coworking Spaces nicht nur als eine Option für Freelancer ansehen. Auch so mancher Festangestellte könnte davon profitieren, gelegentlich einmal in einer anderen Umgebung zu arbeiten. Es wirkt dem Gefühl der Tretmühle entgegen, das sich bei so manchem Bürojob einstellen kann, und die neuen Eindrücke fördern neue Ideen. Arbeitgeber sollten das aus meiner Sicht also aktiv unterstützen, sofern ihnen die Kreativität und Motivation ihrer Mitarbeiter wichtig ist.
Klar ist, dass sich nur bestimmte Berufe und Arbeitssituationen für das Modell des Coworking eignen. Auf der anderen Seite bestehen Arbeitgeber heutzutage vielfach auf eine Anwesenheit im Büro, obwohl diese nüchtern betrachtet gar nicht notwendig ist – jedenfalls nicht jeden Tag.