Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Stimmt, aber manchmal versuchen wir, Unangenehmes so lange aufzuschieben, bis es sich von alleine erledigt. Wir haben eine Methode und zehn Tipps gegen die «Aufschieberitis».
Aufschieben ist durchaus normal. Wer hat noch nie beim Wecker auf den Snooze-Knopf gedrückt, um das lästige Aufstehen wenigstens für ein paar Minuten aufzuschieben?
Problematisch wird das Aufschieben nur dann, wenn man regelmäßig und ständig aufschiebt. Diese «Aufschieberitis», die man dann Prokrastination nennt, kann viele Gründe haben und auch eine Strategie gegen eine (vermeintliche) Blamage oder gegen Kritik sein oder tieferliegende Ursachen haben:
- Negative Bewertung: Dinge werden nicht nur registriert, sondern regelmäßig negativ bewertet («Das ist mir zu viel», «Das schaffe ich nicht», «Das habe ich nicht verdient»). Unangenehmes wird so zu Unerträglichem oder Unmöglichem.
- Motivationslosigkeit/Unlust
- Angst: Angst vor Versagen, vor Ablehnung - aber auch Angst vor Erfolg.
- Perfektionismus
- Selbstwertstörung
Schnell kann man in einen Teufelskreis geraten: Aus Perfektionismus oder Versagensangst schiebt man auf. Darauf folgt die Selbstkritik und häufig auch ein Selbstwertverlust. Man setzt sich einem noch größeren Druck aus, was zu noch mehr Versagensangst und damit wieder zu Aufschieben führt.
Zum Prokrastinieren kann man eine gewisse Neigung mitbringen, die aber – wie bei allen Neigungen – nicht bestimmend sein muss. Wer also eine Neigung zum Aufschieben hat, ist dem nicht hilflos ausgesetzt.
Interessanterweise schieben wir nie alles auf, sondern erledigen durchaus Dinge. Leider meistens weniger wichtige Dinge. In vielen Bereich schieben wir sogar überhaupt nicht auf. Es kann also durchaus sein, dass jemand seinen Haushalt vorbildlich führt, aber nicht fähig ist, den Projektabschlussbericht endlich anzugehen und zu schreiben. Vor Prokrastination ist niemand gefeit. Auffallend ist jedoch, dass Menschen in Berufen mit viel Freiraum eher zum Aufschieben tendieren (z.B. Selbstständige, Studierende).
Das BAR-Prinzip hilft
Leichte Formen der Aufschieberitis kann man selber in den Griff bekommen. Meistens ist sie dann eine schlechte Gewohnheit, die sich dank kurzfristiger Belohnungen eingeschlichen hat: Gewisse aufgeschobene Aufgaben haben sich von selbst erledigt oder ich konnte etwas Unangenehmes von mir weg halten. Solche Formen der Aufschieberitis (wie viele schlechte Gewohnheiten) kann man mit «BAR» angehen: Bewusstheit – Aktion – Rechenschaft.
- In einem ersten Schritt (Bewusstheit) geht es darum, das Phänomen richtig zu verstehen und zu erkennen, wann, wo und wie man aufschiebt. Ein wichtiger Baustein hier ist die Sprache. Aufschieber leben häufig nach dem Motto: «Ich muss dieses große, wichtige Projekt beenden. Es sollte schon längst erledigt sein, und ich muss mich da jetzt einfach durchbeißen.» Sobald man bemerkt, dass man in den Kategorien «Ich muss» oder «Es sollte» denkt, kann man stoppen und diese Phrasen durch andere, positivere ersetzen. Etwa: «Ich gehe diese Aufgabe jetzt mit dem ersten, kleinen Schritt an. Ich freue mich darauf und auf die Pause danach.» Ein ziemlicher Unterschied, oder?
- Im zweiten Schritt werden dann Aktionen gegen die Aufschieberitis geplant und durchgeführt.
- Im dritten Schritt blickst Du dann zurück (Rechenschaft), indem Du die eigenen Fortschritte bilanzierst und Veränderungen festhält. Vielleicht kannst Du Dich mit jemandem mit ähnlichen Problemen austauschen oder Dich in einem Forum beteiligen.
Häufig helfen außerdem die folgenden zehn konkreten Tipps:
- Tagesziele: Setz Dir täglich Ziele, die Deinen Tag vorstrukturieren. Übertreib es aber nicht: Dein Tag braucht auch Luft für Unterbrechungen und Spontanes.
- Kleine Schritte: Brich alle Aufgaben auf kleine Handlungsschritte herunter. So wird aus dem schrecklich großen und schwierigen Projekt eine Handvoll kleine, einfache Aufgaben.
- Rechenschaft: Halt regelmäßig Erfolge fest, such Dir einen Partner mit ähnlichen Problemen oder beteilige Dich in einem Forum.
- Zeitvorgaben: Das Parkinsonsche Gesetz besagt, dass Arbeit sich in genau dem Maße ausdehnt, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht. Setz Dir also sportliche Zeitvorgaben, die Dich aber nicht überfordern.
- Realistisch bleiben: An einem normalen Arbeitstag wirst Du kaum wirklich acht Stunden arbeiten können. Du machst Pausen, hast Energietiefs, musst kleine Dinge erledigen, hast Termine, wirst unterbrochen. Setz Dich also nicht selber unter Druck, sondern bleib realistisch.
- 10-Minuten-Regel: Nimm Dir vor, nur zehn Minuten zu arbeiten. Starte eine Stoppuhr. Nach diesen zehn Minuten darfst Du tun, was Du willst. Meistens wirst Du aber schon so vertieft in die Aufgabe sein, dass Du weiter arbeitest.
- 72-Stunden-Regel: Projekte, die nicht innerhalb von 72 Stunden begonnen oder kurz angedacht werden, werden kaum mehr weiter verfolgt. Die Wahrscheinlichkeit dafür sinkt auf 1 Prozent. Bei Aufgaben ist es ähnlich: Erledige Deine Aufgaben so bald wie möglich und nicht erst kurz vor Abgabetermin. Pass aber auf, dass Du nicht ständig die Aufgabe wechselst.
- Belohnung: Belohne Dich, wenn Du gut gearbeitet hast – auch zwischendurch.
- Energielevel: Wer müde und schlapp ist, schiebt meistens mehr auf. Mach deshalb regelmäßig Pause, achte auf genügend Schlaf, eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung.
- «Nicht erledigen» als Option: Wenn sich alles gegen eine Aufgabe sträubt, dann hat das einen Grund. Versuche, diesen Grund herauszufinden und fasse die Nicht-Erledigung als Option ins Auge - wenn das möglich ist.
Wenn Du Dich intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen willst, dann empfehle ich Dir den Klassiker von Hans-Werner Rückert: «Schluss mit dem ewigen Aufschieben» . Der erste Teil dieses Artikel stützt sich auch auf dieses Buch.