Viele träumen davon, zu tun und zu lassen, was und wann sie wollen. Aber kann man davon leben? Und wenn ja, wie gut?
Vor ein paar Monaten habe ich mir diesen Traum erfüllt und mich kurzerhand in die Selbstständigkeit gestürzt. Zu Beginn war alles euphorisch. Ausschlafen, arbeiten wann ich will, tagsüber Freunde treffen, Shoppen, Schlafen, nur noch die Projekte annehmen, hinter denen ich auch stehen kann – toll.
Freiheit um jeden Preis?
Wenn mich Leute fragen, was ich denn an der Selbstständigkeit am meisten schätze, antworte ich: Freiheit. Die meisten nicken dann und murmeln, «ich verstehe». Eine Bekannte fragte mich dann ungläubig, was ich denn genau mit Freiheit meine, sie hätte nicht das Gefühl, dass man als Selbstständige freier sei. Das hat mich nachdenklich gestimmt. Denn eigentlich hat sie ja Recht. Auch wenn ich nur das tue, was ich am liebsten mag, bin ich abhängig. Rechnungen flattern weiterhin ungehindert ins Haus, Miete, Krankenkasse und Internet werden jeden Monat automatisch vom Konto abgebucht. Ganz egal, ob meine Kunden ihre Rechnungen fristgerecht bezahlen. Und trotzdem antworte ich nach wie vor mit «Freiheit».
Freiheit ist schön und gut, doch ohne Geld macht’s keinen Spass, mögen die einen jetzt denken. Richtig. Darum sollte man sich vor dem Schritt in die Selbstständigkeit einige grundlegende Fragen stellen.Beeinflusst die Selbstständigkeit…
• …das aktuelle Einkommen?
• …den gewohnten Lifestyle?
• …den jetzigen Wohnort?
• …die Wünsche des Partners, der Kinder oder der Eltern?
• …wie man seine Freizeit verbringt?
Ich persönlich muss einige dieser Fragen mit «Ja» beantworten. Statt wie früher fünf Mal in der Woche auswärts zu essen, gönne ich mir das nur noch einmal die Woche. Früher habe ich meine Unlust im Job mit häufigem Einkaufen kompensiert, heute ist Einkaufen für mich pure Lust und keineswegs ein Akt von versteckter Unzufriedenheit. Obwohl ich zeitweise weniger Geld zur Verfügung habe und mich entsprechend einschränken muss, bereue ich meinen Schritt nicht.
Schritt für Schritt in die Selbstständigkeit
Kürzlich habe ich auf Harvard Business Review einen ähnlichen Artikel zum Thema gelesen. Mit vielen Äusserungen stimme ich überein:
- Die Leidenschaft und der Wille, etwas zu tun was man wirklich gerne mag, sind Grundvoraussetzungen für den Erfolg. Denn wenn man etwas mit Leidenschaft macht, ist man kreativer und gibt automatisch sein Bestes. Doch das alleine garantiert noch kein Einkommen.
- Bevor man seinen «Brotjob» aufgibt und sich voll in neue Projekte stürzt, fängt man lieber klein an und lässt das Projekt langsam gedeihen. Heisst, man betreibt seine Leidenschaft zuerst als Hobby in seiner Freizeit.
- Wenn das Projekt Form annimmt und man jeden Abend und ganze Wochenenden nur noch daran arbeitet, wird es Zeit für den nächsten Schritt. Teilzeitarbeit wäre eine gute Möglichkeit, falls dies der Arbeitgeber erlaubt. Zuerst 80 Prozent, dann 60 Prozent usw. So hat man die finanzielle Sicherheit und gleichzeitig das Stückchen Freiheit, wo man seine Projekte und Ideen weiterentwicklen kann.
Bevor ich den Schritt wagte, arbeitete ich drei Jahre lang Teilzeit und habe nebenbei nach und nach meine Selbständigkeit aufgebaut. Und trotzdem brauchte es einiges an Mut, den sicheren Job ganz aufzugeben und zeitweise mit weniger auszukommen.
Zu tun was ich mag, bedeutet:
- einen interessanten und kreativen Job zu machen
- Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen
- tolle Erfahrungen zu sammeln
- neue Leute kennen zu lernen und so mein Netzwerk zu erweitern
- Zeit zu haben, um mich zu regenerieren, und zwar dann, wenn ich es brauche. Sei dies ein Spaziergang, ein Nachmittag im Kaffee, Yoga, Mittagschlaf
- Flexibel zu sein. Sowohl in meinem Privatleben wie auch im Job. Im Job heist das für mich, ich arbeite nur mit Leuten, die ich mag. Ich hab keine Lust mich nur des Geldes wegen zu verstellen.
- genügend Geld zu verdienen, um all das obengenannte umzusetzen.
Das bringt uns zurück zur Frage, «Kann ich tun und lassen was ich will und davon leben?»
Ja, man kann. Sofern das Timing stimmt, der Rückhalt der Familie da ist und gewisse finanzielle Reserven vorhanden sind bzw. ein «Brotjob», der die Fixkosten deckt.
Bild: Duncan Brown auf flickr.com