Fitnesstracker haben aus dem bisherigen Nischentrend der Selbstquantifizierung ein über Early-Adopter-Kreise hinaus verbreitetes Phänomen gemacht. Doch jetzt kehrt Ernüchterung ein.
Man sieht sie immer öfter, und nicht mehr nur an Orten, auf denen sich besonders technologieaffine Menschen zusammenrotten: oft farbenfrohe, intelligente Fitnessarmbänder , die ihre Träger mit Informationen über zurückgelegte Distanzen, getätigte Schritte, verbrannte Kalorien, Schlafstunden und andere Kennzahlen versorgen, die Auskunft darüber geben können, wie gesund und körperbewusst der eigene Alltag ist. Der übergeordnete Trend lautet Selbstquantifizierung oder Quantified Self . Die Vermessung des Körpers und seiner Funktionswerte soll den Menschen dabei helfen, leistungsfähiger, gesünder, produktiver und effektiver zu werden. So zumindest die Theorie. Ich beobachte den Selbstquantifizierungs-Trend seit langem mit einer gewissen Ungläubigkeit. Wieviel Energie, Zeit und Geld manche darin investieren, Daten zu erheben, auf deren Basis sie dann Erkenntnisse erhalten, die sie ohnehin schon kannten (»Ich bewege mich zu wenig«, »Ich schlafe zu wenig«), fasziniert und verwundert mich. Wobei sicherlich der spielerische, experimentelle Aspekt, den ich gut nachvollziehen kann, nicht zu unterschätzen ist.
Aber abgesehen vom Neuigkeitswert und der Möglichkeit, coole Statistiken und grafische Darstellungen über sportliche Betätigungen und Schlafzyklen abrufen zu können, war ich bisher der Überzeugung, dass sich der praktische Nutzwert von am Körper getragenen Fitnesstrackern für den Alltagsgebrauch in Grenzen hält.
Es kann meine selektive Wahrnehmung sein, aber in letzter Zeit mehren sich die kritischen Stimmen rund um die Selbstquantifizierung - auch von ehemals überzeugten Anhängern. Malte Goesche entledigte sich seiner Armbänder von Jawbone und Fitbit, nachdem er einsah, dass die Produkte im aktuellen Stadium zu wenig Nutzen bieten und zu viel aktive Pflege und Aufmerksamkeit erfordern. Frank Chimero findet, dass Wearables ganz generell ein elementares Problem mitbringen: Sie erhöhen die »Schmerzen« und reduzieren das Vergnügen. Und Dick Talens widerspricht der Ideologie hinter Fitnesstrackern, nach der das Erreichen einer guten körperlichen Verfassung ein Datenproblem sei: »Perfekte Daten helfen oft nicht, wenn menschliche Emotionen involviert sind«.
Dass Nike kürzlich ankündigte, die Produktion seine Fitnessarmbands FuelBand einzustellen, konnte man als Indiz dafür werten, dass das Segment seine vom Hype getriebene Wachstumsphase erst einmal hinter sich gelassen hat. Denn nach längeren Einsatzperioden sind viele Selbstoptimierer an einen Punkt gelangt, an dem sie ihre Gadgets auf den Prüfstand stellen. Bei manchen landen sie dann erst einmal in Schubladen.
Das aktuelle Hinterfragen von Fitnesstrackern heißt nicht, dass das Thema Selbstquantifizierung und -optimierung vom Tisch ist. Doch solange der Aufwand der Datenerhebung größer ausfällt als die eigentlichen, die Fitness und das Wohlbefinden verbessernden Aktivitäten, wird es ein Thema für Early Adopter und Zahlenfetischisten bleiben. Die restliche Bevölkerung wird sich damit abfinden müssen, dass nicht das richtige smarte Armband den Schlüssel zum Erfolg darstellt, sondern Selbstdisziplin, eine ausgewogene Kost und gelegentlicher Verzicht auf bestimmte Genussmittel.