Angenehme Tätigkeiten machen glücklich. Falsch, sagen Forscher der Uni Harvard: Sich auf eine Aktivität zu konzentrieren verhilft zu Glück.
trackyourhappiness.org ist ein Forschungsprojekt der Universität Harvard: Via iPhone werden die Studienteilnehmer regelmässig befragt, wie sie sich gerade fühlen, was sie denken und was sie tun. Gestern habe ich mich registriert, einen Fragebogen ausgefüllt und von heute an vermessen die Forscher aus Harvard mein Glück per SMS oder E-Mail. Nach 50 Antworten werde ich meinen ersten Happiness-Report sehen.
Erste Resultate haben die Psychologen schon publiziert. Bis jetzt wurden 250'000 Antworten von 2200 Befragten analysiert. Die Ergebnisse hat das Wissenschaftsjournal Science publiziert. Die New York Times hat am 15.11.10 darüber berichtet und wir wissen jetzt, was uns glücklich macht: Sex. Wenig überraschend, aber doch der deutliche Sieger. Menschen, die gerade Sex hatten, als sie das SMS von trackyourhappiness.org beantworteten, beurteilten ihre Gefühlslage mit 90 von 100 möglichen Punkten. (Ja, ich frage mich auch: Wie hoch war ihr Glückspegel als sie vom SMS unterbrochen wurden und wann, um Himmels willen, haben sie die SMS beantwortet?)
Hitparade der Glücklichmacher
Auf den nächsten Rängen der Glücksmacher folgen Sport treiben, Gespräche führen, Musik hören, spazieren, essen, beten und meditieren, einkaufen, sich um Kinder kümmern und lesen. Arbeiten und zur Arbeit pendeln sind die Schlusslichter.
Was wir tun ist aber bloss die eine Hälfte der Medaille. Fast wichtiger gemäss den Forscher: Wie konzentriert wir es tun. Unabhängig davon, was sie gerade taten, waren Leute glücklicher, wenn sie sich auf die aktuelle Tätigkeit fokussierten. Die Gedanken abschweifen lassen und tagträumen ist danach ein untrüglicher Indikator für kommende Unzufriedenheit.
Fokus ist der Schlüssel
Sogar eher unangenehme Tätigkeiten wie Arbeiten machen glücklicher, wenn sich die Person voll darauf konzentrierten. Hingegen führen scheinbar angenehme Tätigkeiten wie Musik hören oder einkaufen nicht zu mehr Glück, wenn man unkonzentriert ist.
Erstaunlich ist, wieviele Leute gedanklich gerade mal abwesend sind. Über die 250'000 ausgewerteten Antworten zeigte sich, dass 47% der Antwortenden die Gedanken wandern liessen. Also rund die Hälfte aller Leute da draussen sind in diesem Moment nicht auf die Tätigkeit konzentriert, die sie tun.
Der Flow
Fokus und Konzentration auf das, was wir tun, ist entscheidend für unser Glück. Oder, wie es der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi nennt: Das Erreichen des Flow-Zustandes.
Was aber, fragt der US-amerikanische Psychiater Edward Hallowell, kann man tun, um in der Always On-Welt fokussiert leben zu können? Er hat den Artikel über die Ergebnisse von trackyourhappiness.org auf dem Harvard Business Review-Blog aufgegriffen und sich diese Frage gestellt. Denn korrekterweise bemerkt er, könne man nicht den ganzen Tag Sex haben und Sport treiben. Er hat zwei Vorschläge:
Schafft Ruhe!
Erstens sich Raum schaffen, um ungestört zu arbeiten. Dinge ausschalten, Türen schliessen, sich Zeit zum Denken verschaffen. Und sich dann in ein Problem verbeissen, in die Aufgabe vertiefen ohne beim ersten Widerstand 'mal Facebook checken' zu gehen.
Als zweites empfiehlt er, Dinge zu tun, in denen man gut ist, die man mag und die der Welt etwas bringen - für die also jemand bezahlt. Dort, so Hallowell, «lies the land of joy and productivitiy».
Leichter gesagt als getan, Dr. Hallowell, würde ich meinen. Recht hat er schon, seine Erkenntnisse deckt sich mit der Hitparade der Glücklichmacher , auf die Bruno Frey von der Uni Zürich hinwies. Bloss: Die Umsetzung im Alltag dürfte für viele von uns ab und an etwas schwierig sein.
Auf jeden Fall erwarte ich jede Minute das erste Befragungs-Email von trackyourhappiness.org. In drei Wochen erhalte ich meinen ersten Happiness-Report und ich - und vermutlich auch Ihr - erfahre alles über mein Glück!