Geld scheint ein guter Anreiz zu sein, etwas zu tun - wirkt aber meistens nicht langfristig, sondern motiviert nur für kurze Zeit.
Kennt Ihr die Geschichte über den alten Mann, der ständig von den Kindern geärgert wurde? Das ging ihm natürlich bald auf die Nerven, aber er hatte eine gute Idee. Als ihn die Kinder das nächste Mal ärgerten, sagte er zu ihnen: "Wenn ihr morgen wiederkommt und mich ärgert, dann gebe ich jedem von euch 1 Euro."
Natürlich kamen die Kinder am nächsten Tag erneut und ärgerten ihn nach allen Regeln der Kunst. Da sagte er zu ihnen: "Wenn ihr morgen wieder kommt und mich ärgert, dann gebe ich jedem von euch 50 Cent." Auch am nächsten Tag standen die Kinder wieder da und nervten. Da sagte der Mann: "Wenn ihr morgen wiederkommt und mich ärgert, dann gebe ich jedem 20 Cent." Die Kinder sahen sich an, überlegten kurz und meinten dann: "Nee, für so wenig Geld machen wir das nicht." Und der Mann hatte seine Ruhe.
Eine schöne Geschichte, die zeigt, wie man Menschen demotivieren kann, und wie wenig Geld als Motivator wirkt. Rein rational hätten die Kinder den Mann natürlich weiter ärgern müssen. Immerhin hätten sie so ihr "Einkommen" steigern können. Glücklicherweise funktionieren wir aber nicht immer rein rational, sondern haben auch noch Werte, Einstellungen und einfach auch ein wenig Menschliches in uns.
Sobald die Kinder eine Belohnung erwarteten und für normal hinnahmen, waren sie nicht mehr bereit, die gleiche “Aufgabe", die sie anfangs kostenlos erledigt hatten, für weniger Geld zu erledigen. Ursprünglich waren sie von sich aus - intrinsisch - zu den Streichen motiviert. Der Anreiz, etwas zu tun, kam alleine aus ihrem Inneren und nicht von außen. Niemand hat ihnen befohlen, jemanden zu ärgern und zunächst bekamen sie auch keine Belohnung dafür.
Der Mann hat das genau erfasst. Und er wusste auch, wie er darauf reagieren musste. Sein Ziel war nämlich, die intrinsische Motivation der Kinder zu ersetzen und den Ersatz anschließend immer weniger wertvoll zu machen. Oder: Er hat ihre intrinsische Motivation durch eine extrinsische Motivation ersetzt. Jetzt waren die Kinder nicht mehr primär aus sich selbst heraus motiviert, sondern von außen, nämlich durch das Geld. Durch die wiederholte Motivation von außen wurde ihr innere Motivation ersetzt. Der Mann musste schließlich den Betrag nur noch so lange verringern, bis er eine gewisse Schwelle unterschritt. Von da an war für die Kinder der Anreiz, ihn zu ärgern, nicht mehr groß genug.
Die Geschichte zeigt sehr schön, dass ein Anreiz von außen nicht unbedingt langfristig motivieren kann. Besonders dann nicht, wenn der Anreiz in Form von Geld geschieht. Untersuchungen haben ergeben, dass der Anreiz "mehr Geld" nur für kurze Zeit wirkt. Vermutlich hätten die Kinder bald auch aufgehört, wenn sie jeden Tag 1 Euro bekommen hätten. Irgendwann wären sie einfach nicht mehr motiviert genug gewesen. Wenn es ihnen jedoch gelungen wäre, ihr inneres Feuer am Brennen zu halten, würden sie den Mann noch heute ärgern - auch wenn er die Zahlungen ganz eingestellt hätte.
Oder in den Worten von Antoine de Saint-Exupéry:
“Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben, und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer."