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Wissenschaftliche Hausarbeiten planen I/IV: Die Planungsphase - von der Themenidee bis zur Literaturbeschaffung

Literaturrecherche: Wer sucht, der findet (Bild: iStockphoto.com)

Wer anfängt mit dem wissenschaftlichen Schreiben, stellt sich das Schreiben einer Hausarbeit oft wie folgt vor: "Lesen, Text schreiben, korrekturlesen, abgeben". Diese Einteilung ist zwar sachlich nicht verkehrt, aber krass vereinfacht.

 

Nur wenige Studenten können "einfach so drauflosschreiben"; manche hangeln sich an der Textstruktur "Einleitung - Hauptteil - Schluß" entlang, wieder andere brauchen ein exakteres Modell, um ihren Prozeß des wissenschaftlichen Schreibens zu gestalten. Ich möchte in dieser kleinen Serie vorstellen, wie ich meinen Arbeitsprozeß während des Studiums gestaltet habe; ich wende diese Methoden immer noch an, wenn ich Artikel zu rechercheintensiven und komplizierten Themen schreibe.

Diese Serie ist geprägt von meiner Ausbildung als Geisteswissenschaftlerin. Ich weiß nicht, ob sich die Struktur der wissenschaftlichen Arbeit in Wirtschafts-, Ingenieurs- oder Naturwissenschaften vielleicht ganz anders darstellt. Liebe Leserinnen und Leser aus diesen Disziplinen, wenn Ihr Anmerkungen dazu habt, freue ich mich über Eure Ergänzungen in den Kommentaren!

Modelle für die Struktur des Arbeitsprozesses

In der Literatur zum Thema "Wissenschaftliches Schreiben" werden höchst unterschiedliche Strukturmodelle vorgeschlagen. Die Anzahl der Arbeitsphasen variiert dabei zwischen drei und acht. Aus dem Inhaltsverzeichnis von Umberto Ecos Klassiker "Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt" läßt sich etwa folgende Unterteilung ableiten:

  1. Themenwahl
  2. Materialsuche
  3. Arbeitsplan [dh. inhaltliche Disposition] und Anlage einer Kartei [dh. Auswertung des Materials]
  4. Schreiben
  5. Schlußredaktion.

In Otto Kruses Ratgeber "Keine Angst vor dem leeren Blatt" ergibt sich eine feinere Unterteilung in acht Phasen:

  1. Ausgangspunkte
  2. Themenfindung und -eingrenzung
  3. Literaturrecherche und -beschaffung
  4. Lektüre und Exzerpt
  5. Strukturierung
  6. Rohfassung
  7. Überarbeitung
  8. Korrektur und Endfassung

(Kruse, S. 155-205).

Der "Papst" des Kreativen Schreibens Lutz von Werder schließlich unterteilt den Prozeß des Schreibens in seinem kleinen Bändchen "Kreatives Schreiben von Diplom- und Doktorarbeiten"

nur in vier Teile:

  1. Ideen sammeln
  2. Gliedern
  3. Schreiben
  4. Überarbeiten

Die ersten beiden Phasen erfordern ein gutes Maß an Sich-Freien-Lauf-Lassen, die beiden letzteren benötigen ein eher ordnendes, strukturierendes Schreibverhalten (von Werder, S. 10-11).

Alle diese Prozesse sind nicht klar voneinander abzugrenzen: Die Themenfindung erfordert oft schon etwas Recherche; im Prozeß des Schreibens können neue Fragen entstehen, die eine neue Recherchephase verlangen.

Die Kommunikation mit Betreuern

Bis zur Doktorarbeit hat man sie oder ihn im wissenschaftlichen Betrieb vor der Nase sitzen: die Betreuerin oder den Betreuer. Empfehlungen für das Timing von Besprechungen mit Betreuern sind kaum praktikabel - in Zeiten überbesetzter Seminare und schlechter Studienbedingungen geht man meist in die Dozentensprechstunde, wenn man einen Termin ergattern kann.

Optimal ist, wenn direkt nach der ersten Beschäftigung mit dem Thema eine Besprechung mit dem Betreuer auf dem Plan steht, um die Themeneingrenzung abzusichern. Da Dozenten meist einen guten Überblick über das Thema haben, können sie einen vor zu weiten oder zu engen Fragestellungen warnen, auf Aspekte hinweisen, die möglicherweise viel zu weit führen oder die unbedingt Teil der Arbeit sein sollten. Aber auch formale Gesichtspunkte sollten, wenn dafür keine eindeutigen Vorgaben bestehen, bereits im Vorfeld mit der Dozentin oder dem Dozenten abgesprochen werden, etwa:

  • Welche Unter- und Obergrenzen gibt es für die Länge der Arbeit?
  • Welche Zitierrichtlinien sollen verwendet werden?
  • Welche Vorgaben für die Formatierung gibt es?
  • Kann, soll, muss die Arbeit in gedruckter oder in digitaler Form abgegeben werden? Wenn ja, welches Dateiformat soll es sein?

Themenfindung und -eingrenzung

Der erste Schritt zu einer wissenschaftlichen Arbeit ist in der Regel die Themenfindung. Im Erststudium ist das Themenfeld oft z.B. durch Studienordnungen oder Seminarthemen schon eingegrenzt, wobei die Enge der Vorgaben durchaus je nach Fach und Studienfortschritt variiert. Lutz von Werder gibt folgende Hinweise für eine gute Themenstellung:

  • Wenn es sich beim Thema um ein "Steckenpferd" des Dozenten handelt, setzt man sich wahrscheinlich damit zu sehr unter Druck. (Meiner Erfahrung nach kann das Gegenteil, also eine Thematik, die der Dozent überhaupt nicht mag, genauso "nach hinten losgehen".)
  • Hat das Thema eine Bedeutung für das Fach?
  • Welchen Bezug habe ich zum Thema? Sowohl gar kein Bezug als auch ein gar zu persönlicher Bezug zum Thema sind gute Voraussetzungen für Mißerfolg.
  • Wieviel Literatur gibt es zum Thema? Nicht nur zu wenig Literatur kann ein Hinderungsgrund sein, ebenso ist ein Thema, zu dem eine unüberschaubare Literaturflut existiert, ein schlechtes Thema für eine Studienarbeit. Ähnlich verhält es sich, wenn die Literatur zu einem maßgeblichen Anteil in Sprachen erschienen ist, die man nicht beherrscht.
  • Ist das Thema zu empirisch oder zu theoretisch? Wer schon weiß, dass er ausgesprochen theoretisch veranlagt ist, wird sich mit einer rein empirischen Arbeit das Leben schwer machen.
  • Ist die Arbeit finanzierbar, d.h. kann ich den Aufwand für Material und Arbeitszeit bewältigen?
  • Ist das Thema mit Sicherheit schon vergeben?

(vgl. von Werder, S. 18-19)

Recherche

"Recherche" bezeichnet in dieser Arbeitsphase nicht inhaltliche Recherche, sondern vor allem Bibliographie: Wieviel und welches Material gibt es zu meinem Thema? Wie leicht oder schwer zugänglich ist es? Hat das einen Einfluß auf meine Themenwahl (siehe oben)?

Grundsätzlich gilt: Literaturbeschaffung braucht Zeit. Auch im Internetzeitalter sind wohl die weitaus meisten wissenschaftlichen Quellen noch ausschließlich in Druckform zugänglich. Man muss sie also in einer Bibliothek ausfindig machen, wo sie evtl. erst einmal aus dem Magazin bestellt oder gar vorgemerkt werden müssen. Vielleicht ist eine Quelle nur als Präsenzbestand erhältlich, dann muss man sich darauf einrichten, sie in der Bibliothek zu lesen oder zu kopieren. Bis man einen benötigten Text in der Hand hat, kann es schon einmal ein paar Wochen dauern.

Lektüre

Hand in Hand mit der Literaturrecherche geht die erste, eher überfliegende Lektüre. Sie dient vor allem der Evaluation. Denn nicht jeder Text, der sich z.B. mit Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" befaßt, hilft mir weiter, wenn ich an diesem Werk unter dem Aspekt "Männlichkeit in der Literatur des 18. Jh." interessiert bin. Je genauer ich meine Fragestellung bereits eingegrenzt habe, und je klarer ich sie bereits formuliert habe, desto besser kann ich beurteilen, ob mir eine Quelle dabei hilft, diese Frage zu beantworten.

Wieviel Zeit brauche ich für diese Phase?

Eine Frage, die schwer zu beantworten ist. Ganz grob gesprochen sollte sich die Eingangsphase natürlich proportional zur Länge der Arbeitszeit verhalten. Lutz von Werder schlägt bei einer zwölfwöchigen Diplomarbeit 3 Wochen für seine erste Phase vor, die er "Entwicklung eines groben Schreibkonzepts" nennt. D.h. ein Viertel der gesamten Arbeitszeit entfällt auf diese Phase, die von der Themenidee bis zum Beginn der Arbeit am Material reicht. (von Werder, S. 61)

Otto Kruse empfiehlt für eine Arbeit, die ein halbes Jahr dauern soll, fünf Wochen für Planung und Orientierung, d.h. etwa ein Fünftel. (Kruse, S. 208)

Da die Planungsphase ohnehin dazu neigt, sich in die Länge zu ziehen, empfehle ich, enge Grenzen zu setzen und reichlich Pufferzeit zu lassen. Der Löwenanteil der Zeit sollte für das eigentliche Schreiben reserviert sein.

Themenfindung, Recherche und Lektüre gehen, wie bereits oben angesprochen, Hand in Hand. Sobald ich beginne, Texte gründlich zu lesen und auszuwerten, bin ich bereits in der nächsten Arbeitsphase, der Phase des Auswertens, Strukturierens und Schreibens. Um die soll es in den nächsten Teilen dieser Serie gehen.

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