Ob in der Schule oder im Studium, jeder war wohl schon einmal dazu aufgefordert, einen Text aus der Feder eines anderen zusammenzufassen. Mit einigen Grundsätzen sind Exzerpte probate Hilfsmittel beim Schreiben von Sachtexten wie beim Lernen.
Für mich war das Herausschreiben von Informationen aus einem Text nicht nur ein wichtiges Mittel des Lernens, sondern auch ein Dreh- und Angelpunkt der wissenschaftlichen Hausarbeiten, die ich im Studium verfasste. Manchmal war es sogar unumgänglich, etwa wenn ich mit Literatur arbeiten musste, die ich weder ausleihen noch kopieren konnte. Ob ich aus einem kopierten Text, einem entliehenen Buch oder in der Bibliothek aus einem nicht entleihbaren Band exzerpiere, es gilt: Das Exzerpt soll verlässlich sein und alle notwendigen Daten zur Verfügung stellen, damit ich die Inhalte eines Textes wiedergeben kann, idealerweise muss ich nach der Fertigstellung nicht noch einmal ins Original sehen.
Vorarbeit Nr. 1: Auswahl
Selbst mit einer guten Exzerpttechnik ist das Zusammenfassen eines langen Textes in eigenen Worten noch ein zeit- und arbeitsaufwendiges Unterfangen. Bevor ich mich mit Stift und Papier oder Laptop in die Bibliothek setze und ein komplettes Buch von vorne bis hinten zusammenfasse, tue ich gut daran, erst einmal zu prüfen, welche Kapitel, Abschnitte oder Unterabsätze eigentlich relevant für meine Fragestellung sind. Voraussetzung dieser Auswahl ist freilich, dass ich bereits eine klare Fragestellung habe; wenn auch manchmal Lektüre und Präzisierung der Fragestellung sich gegenseitig bedingen, tendiere ich dazu, nicht ohne klares Erkenntnisinteresse an ein Exzerpt heranzugehen.
Vorarbeit 2: Lektüre mit Randbemerkungen
Ein tragfähiges Exzerpt beginnt mit der Lektüre. Für mich haben sich Randbemerkungen und farbige Unterstreichungen als wichtiges Hilfsmittel erwiesen, was natürlich mit Büchern, die mir nicht gehören, nicht machbar ist. Hier ist es nützlich, bereits eine Fragestellung im Kopf zu haben, etwas, das ich vom Text wissen will, und nur sparsam anzustreichen, sonst geht es einem wie Christian Fürchtegott Gellert:
«Des Übels Ursprung las ich jüngst in Hallers Werken
und nahm mir vor, mit einem Strich die besten Stellen zu vermerken.
Ich las, strich an, las fort, strich an und freute mich,
und als ich fertig war, sieh, da war alles Strich.»
(Christian Fürchtegott Gellert, 1715-1769)
Ich persönlich lese erst einen Satz, manchmal einen ganzen Absatz, bevor ich zum Marker greife, die wichtigsten Worte oder Satzteile des Absatzes hervorhebe und Randbemerkungen mache. Andere schwören auf Lesetechniken wie SQ3R.
Auch in PDFs kann man Anmerkungen machen, und sogar auf Websites kann man mit dem Firefox-Plugin Quicknote oder mit dem Awesome Highlighter Notizen machen.
Beim Exzerpieren selbst behalte ich zwei Dinge im Kopf:
- Erstens: den Zweck des Exzerpts. Für mich soll es meistens als Grundlage einer wissenschaftlichen Arbeit dienen, und dazu sollte es so verlässlich sein, dass ich den Inhalt des Textes, soweit er für meine Fragestellung relevant ist, wiedergeben kann, ohne den Originaltext erneut in die Hand zu nehmen.
- Zweitens leiten, wie bereits unter dem Punkt «Lektüre» erwähnt, mein Erkenntnisinteresse und meine Fragestellung die Lektüre und die Auswahl dessen, was ich herausschreibe.
Habe ich eine klare Fragestellung vor Augen, beginne ich, den Text zusammenzufassen, indem ich den Inhalt jedes Absatzes im Hinblick auf meine Fragestellung in einem Satz zusammenfasse, der selbstverständlich nicht zum Bandwurmsatz werden soll. Jeder Abschnitt - hier orientiere ich mich, sofern vorhanden, an den Zwischenüberschriften - bekommt eine Überschrift, die das Hauptthema in möglichst wenigen Worten charakterisiert. Am Rand halte ich fest, wo eine neue Seite beginnt, indem ich die Seitenzahl hinschreibe.
Zumindest am Anfang des Exzerpts halte ich die korrekten bibliographischen Daten fest - nicht nur so, dass ich den Text jederzeit wiederfinde, sondern so, dass ich ihn nur mit diesem Exzerpt in der Hand den Standards meines Fachbereichs entsprechend zitieren könnte.
Um nicht ins Abschreiben zu geraten, achte ich darauf, möglichst in meinen eigenen Worten den Inhalt des Textes wiederzugeben. Besonders gewissenhafte Naturen sollten sich am Anfang ermutigen, dem eigenen Verständnis des Textes zu trauen. Für den wissenschaftlichen Gebrauch ist es zentral, die eigene Meinung von der des Autors zu trennen. Um Autorenmeinungen zu referieren, habe ich mir im Lauf meines Studiums einen Vorrat an spezifischen Floskeln zugelegt, von «xy zufolge» bis zu in der Alltagssprache eher nicht geläufigen Konjunktiv-Konstrukten. Dem «Nicht-Abschreiben» dient ebenfalls die Richtlinie, nur wenige wörtliche Zitate zu verwenden, also nur die besonders tollen, treffenden, prägnanten Sätze wörtlich zu zitieren. Die Zeit, diese Zitate buchstabengetreu abzutippen - sofern man nicht ohnehin auf Copy & Paste zurückgreifen kann - sollte man sich nehmen: Das erspart einem, den Text noch einmal ausfindig machen und das Zitat korrigieren zu müssen.
Natürlich lauert beim Exzerpieren die Falle, von Anfang an schöne Wissenschaftsprosa schreiben zu wollen. Diesen Perfektionismus, der die ohnehin oft zähe Arbeit weiter bremst, kann man aber getrost außer Acht lassen: Das Exzerpt ist vor allem Grundlage der Arbeit, gleichsam «Rohmaterial», es darf, bevor man es im fertigen Text verwendet, ausgiebig überarbeitet werden. Inhaltliche Korrektheit ist im eigentlichen Arbeitsgang des Herausschreibens wichtig, sprachliche Schönheit zweitrangig.
Mit diesen Maximen bin ich im Studium zu Zusammenfassungen gekommen, die mir ermöglichten, Forschungsmeinungen knapp und sachlich wiederzugeben und zu vergleichen; auf die Technik des Exzerpierens greife ich heute noch zurück, wo ich mich intensiv und kritisch mit Sachtexten auseinandersetzen will.